Solidarwerkstatt und DIDF sind solidarisch mit den gegen die Arbeitszeitverlängerung kämpfenden LehrerInnen. Das von der Regierung geplante LehrerInnendienstrecht hat nichts mit einer Verbesserung der Qualität des Bildungssystems zu tun, im Gegenteil: Dieses LehrerInnendienstrecht ist nach Berechnungen der AHS-Gewerkschaft in Wirklichkeit ein monströses Sparpaket im Ausmaße von weit über einer halben Milliarde Euro jährlich im Endausbau, dessen Leidtragenden sowohl die Unterrichtenden als auch die SchülerInnen sind. Wenn ein/e Lehrer/in bis zu 40% mehr Unterrichtsstunden zu leisten hat, dann heißt das, dass sie/er bis zu 50 SchülerInnen mehr zu betreuen hat. Die Zeit und Betreuungsqualität je Schüler/in nimmt also nicht zu, sondern deutlich ab. Damit wird die Sparpolitik im Schulbereich fortgesetzt. Infolge von Sparpaketen seit den 90er Jahren gingen bereits Unterrichtsstunden im Ausmaß von ca. einem dreiviertel Schuljahr im Gesamtverlauf einer SchülerInlaufbahn bis zur Matura verloren.
Der Hintergrund für diese Sparpolitik tritt immer deutlicher zu Tage: Durch diverse EU-Verordnungen und Verträge (Sixpack, Fiskalpakt) hat die EU-Kommission schon bisher eine enorme Machtfülle erhalten, um in die Budgetpolitik der einzelnen EU-Staaten einzugreifen, sobald bestimmte Referenzwerte für Defizit/Schuldenstand verfehlt werden. Ab 2014 erhält die EU-Kommission durch das EU-Twopack auch die Vorabkontrolle über das Budget, noch lange, bevor die Parlamentarier dieses auch nur zu Gesicht bekommen. Die Regierung übt sich hier offensichtlich in vorauseilendem Gehorsam und schnürt ein weiteres Sparpaket auf Kosten von LehrerInnen und SchülerInnen.
Bildung sinkt, Dividenden explodieren
Diese Politik ist Resultat eines immer wahnwitzigeren Konkurrenzregimes, das Freihandel und Kapitalverkehrsfreiheit zum obersten Gebot macht, einzementiert in den EU-Grundlagenverträgen. Bei allem, was nicht unmittelbar der Kapitalverwertung dient – Bildung, Gesundheit, Soziales, Umwelt – „muss der Gürtel enger geschnallt werden“, weil wir sonst nicht mehr „wettbewerbsfähig“ wären. Die Folgen dieser Politik im Bildungsbereich: In Österreich sind die Ausgaben für Bildung gemessen am BIP von 6,2 (1995) auf 5,5% (2012) gesunken, während der Anteil der Dividendenausschüttungen und Gewinnentnahmen bei Kapitalgesellschaften im selben Zeitraum von 5,5% auf über 10 % davongaloppiert ist. In nackten Zahlen: Die Gewinnausschüttungen der Kapitalgesellschaften verdreifachten sich von 9,7 Mrd. (1995) auf fabelhafte 31 Mrd. (2012). Sie gehen zum größten Teil an die oberen 10 Prozent der Bevölkerung. Warum redet da keiner von Verschwendung, wenn „der Gürtel immer weiter geschnallt wird“, um Kapitaleigentümer zu mästen, obwohl diese wachsende Umverteilung von unten nach oben gesamtwirtschaftlich zu enormen Fehlentwicklungen geführt hat: parasitärer Luxuskonsum, hemmungslose Finanzspekulation, aggressives Exportregime und in Folge: Wirtschaftskrise und steigende Massenarbeitslosigkeit.
Die öffentliche Bildungsarmut und der private Reichtum weniger gehen Hand in Hand. Im Jahr 1995 waren die Gewinnausschüttungen der Kapitalgesellschaften und die Bildungsausgaben ungefähr gleichauf. Im Jahr 2012 überstiegen diese Gewinnausschüttungen der Kapitalgesellschaften die gesamten Bildungsausgaben schon fast um das Doppelte! Das ist das Gesicht des neoliberalen EU-Konkurrenzregimes, über das sich Politik und Medien aber auch die Spitzen des ÖGB tunlichst ausschweigen.
Für eine echte Bildungsreform!
Solidarwerkstatt und DIDF sind nicht nur solidarisch mit den Kämpfen der LehrerInnen gegen die Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen, wir fordern auch mehr Geld für eine Bildungsreform, die diesen Namen verdient: Dazu gehört für uns die Einführung einer Gesamtschule bis zum 15. Lebensjahr, die Senkung der Klassenschülerzahlen auf finnisches Niveau (durchschnittlich 15 SchülerInnen/Klasse), der Ausbau der Ganztagsschulen und der vorschulischen Betreuung. Diese Reformen kosten zweifellos viel Geld, aber es wäre die pure Verschwendung, dieses Geld nicht in die Bildung zu investieren. Wir halten diese Reformen für unabdingbar, um endlich Schritte gegen die enorme soziale Selektion zu setzen, durch die hunderttausende Kinder und Jugendliche aus „einfachen Verhältnissen“ um ihre Zukunftschancen und die Entfaltung ihrer Potentiale betrogen werden: Noch immer wechseln aus bildungsfernen Schichten nur 15 von 100 Kindern nach der Volksschule in ein Gymnasium. Bei Kindern von Akademikerinnen und Akademikern sind es hingegen 69 von 100. Der Anteil der Studierenden aus niedrigen sozialen Schichten beträgt mittlerweile nur mehr 18 Prozent. Im Jahr 1998 waren es noch 26 Prozent.
Stellungnahmen zum geplanten LehrerInnendienstrecht:
„Unsere Probleme im Bildungsbereich können wir nicht lösen, wenn sich die Betreuungsqualität für die Schüler und Schülerinnen verschlechtert wird. So wird die Zukunft unserer Kinder aufs Spiel gesetzt. Es ist untragbar, dass die Regierung Milliarden für Banken und Konzerne locker macht, aber bei der Bildung spart.“
Coskun Kesici, Vorsitzender von DIDF, Föderation der demokratischen Arbeitervereine
„Dass die Anhebung der Lehrverpflichtung auf 24 Stunden nicht den Schülern zu Gute kommt, sondern eine weitere Sparmaßnahme ist, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Es ist höchste Zeit für eine grundlegende Bildungsreform, dazu gehört zum einen die Einführung einer echten Gesamtschule mit kleineren Klassen, Team-Teaching in den meisten Fächern, sowie der Unterstützung durch SozialarbeiterInnen und PsychologInnen. Darüber hinaus müssen die Übungsphasen des Gelernten wieder in der Schule stattfinden, das heißt, dass einerseits die Unterrichtsstunden, die seit den 90er Jahren den Sparpaketen geopfert wurden, wieder auf den vorhergehenden Stand gebracht werden, und andererseits bedeutet es, zusätzliche Ressourcen für Freigegenstände und Förderstunden zur Verfügung zu stellen.“
Susanne Müller, Sonderpädagogin Hartheim, Solidarwerkstatt-Aktivistin
„Nach der Gehrer‘schen Sprachenoffensive mittels Streichung von Unterrichtsstunden (nicht nur) in den Fächern Deutsch, Englisch und Französisch nun die sozialdemokratische Erhöhung der Betreuungsintensität der einzelnen SchülerInnen durch Vergrößerung der Zahl der zu betreuenden SchülerInnen pro LehrerIn. Der Zynismus der großkoalitionären Sozialstaats- und Bildungsabwickler und ihrer medialen Lautsprecher scheint grenzenlos – auf dem Rücken der Kinder und Jugendlichen und auf Kosten der Lehrerinnen und Lehrer.“
Bertl Gubi, Mitglied des Dienststellenausschusses der Personalvertretung am GRG 21, Schulschiff Bertha von Suttner
“Wer das Bildungssystem finanziell und personell bestens ausbaut, hat für eine solidarische Entwicklung aller weise vorausgeschaut.“
Rudolf Schober, Gemeinderat Ottensheim, Solidarwerkstatt-Aktivist