Am Samstag, 6. März 2021 fand im WUK in Wien die Aktionskonferenz "Arbeitslosengeld rauf!" statt. Dabei wurde die Einleitung des Volksbegehrens "Arbeitslosengeld rauf!" und ein bundesweiter Aktionstag am Tag der Arbeitslosen (30. April 2021) ins Auge gefasst.

35 Betriebsräte, Gemeinderäte, SozialwissenschafterInnen, AktivistInnen trafen sich bei Sonnenschein und eisigen Temperaturen im Innenhof des WUK, Wien, um zu beraten, wie eine sofortige und dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengeldes durchgesetzt werden kann.

Eröffnet wurde die Veranstaltung mit einem Referat von Prof. Emmerich Talos zur Bedeutung der Arbeitslosenversicherung im Rahmen der österreichischen Sozialversicherung. Talos verwies darauf, dass ein Motiv bei der Einführung nach dem I. WK die Verhinderung von Unruhen und Aufständen war. Die Arbeitslosenversicherung blieb immer umstritten und den gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen unterworfen. Mit der neoliberalen Wende wurden auch Verschlechterungen durchgesetzt. Dabei ging es nicht nur um ein Absenken der Nettoersatzrate, sondern v. a. um die Verschlechterung der rechtlichen Stellung der Arbeitslosen. Ein Umstand auf den auch der Philosoph Karl Reiter in der Diskussion explizit hinwies. So wurden aus AMS-Bescheiden Mitteilungen, die nur mehr im Nachhinein bekämpft werden können. Talos stellte drei dringende Forderungen in den Raum:        

  • Erhöhung der Nettoersatzrate auf mindestens 70%
  • Arbeitsplätze für Jugendliche, Langzeitarbeitslose und Ältere
  • Qualifikation

Während es bei den ersten Punkten große Einmütigkeit bei den TeilnehmerInnen gab, wurde der dritte Punkt teilweise sehr skeptisch betrachtet. Qualifikation alleine schafft noch keine Arbeitsplätze, was aber auch von Prof. Talos unterstrichen wurde.

Norbert Bauer, Betriebsratsvorsitzender einer großen Hotelkette, schilderte in drastischen Worten die Dringlichkeit einer Erhöhung der Nettoersatzrate. Es geht um die Verhinderung von Massenarmut. Viele Beschäftigte in der Gastronomie können kaum mit dem Kurzarbeitsgeld über die Runden kommen. Fallen sie in den nächsten Monaten auf 55% können sich viele Wohnung, Kleidung, Essen nicht mehr leisten. Er plädierte für die Einleitung eines Volksbegehrens „Arbeitslosengeld Rauf!“, damit das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe „sofort und dauerhaft deutlich, d. h. um mindestens 70%, erhöht, die Zumutbarkeitsbestimmungen entschärft und die Rechtsstellung der Arbeitslosen insgesamt verbessert wird.“

Franz Rachbauer, Betriebsratsvorsitzender eines mittelständischen Produktionsbetriebs in OÖ, verwies darauf, dass es verbreitete Vorbehalte auch in der KollegInnenschaft gegen eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes gibt. Viele meinen, ein höheres Arbeitslosengeld würde zu Lasten der Arbeitswilligkeit gehen und es gelte zunächst eine Anhebung der Mindestlöhne durchzusetzen. In der Diskussion wurde unterstrichen, wie wichtig deshalb eine Wirtschaftspolitik für mehr Beschäftigung ist. Z. B. über öffentliche Investitionen oder auch eine Verkürzung der Arbeitszeit. Die Sozialwissenschafterin Irina Vana erläuterte, dass Arbeitslosengeld und Notstandshilfe eine Versicherungsleistung und keine Sozialhilfe sind. Die Menschen zahlen sich die Leistung selbst. Eine unzureichende Absicherung bei Arbeitslosigkeit ist deshalb Kern der neoliberalen Agenda, weil es die Arbeitskraft verbilligt. Umgekehrt würde eine höhere Nettoersatzrate auch die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften stärken und dazu beitragen, Mindestlöhne anzuheben.

Jedenfalls ist die Kampagne für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes keine „gmahde Wiesn“. Es wird zahlreicher Aktivitäten und viele AktivistInnen brauchen, um die Kampagne zu einem Erfolg zu führen. In der Diskussion wurde auch die frauenpolitische Bedeutung dieser Frage betont. Gerade Frauen sind in Niedriglohnsektoren beschäftigt. Horst Huemer, Betriebsratsvorsitzender eines großen Produktionsbetriebs in OÖ, erklärte, dass sie bereits im Kollegium besprochen haben, wie sie ein Volksbegehren „Arbeitslosengeld Rauf!“ unterstützen könnten.

So wurde neben der Einleitung eines Volksbegehrens unter dem Motto „Arbeitslosengeld Rauf!“ auch ein bundesweiter Aktionstag am Tag der Arbeitslosen, 30. April 2021, ins Auge gefasst.

Trotz manch unterschiedlicher Auffassung, z. B. in Hinblick auf die Frage welche Höhe konkret gefordert werden soll oder wie wir eine Erhöhung konkret durchsetzen können, gab es weitgehende Einigkeit, dass sich beim Arbeitslosengeld etwas rühren muss. Es ist schon allein deshalb notwendig, hier weiter zusammenzuarbeiten, weil von der Bundesregierung sicher ein Vorschlag mit einem stark degressiven Arbeitslosengeld kommen würde.

Wer interessiert ist, beim Volksbegehren "Arbeitslosengeld rauf!" mitzumachen, bitte um Rückmeldung an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!