ImageDie durchschnittlichen Wohnungskosten sind in den letzten fünf Jahren um über 15% gestiegen, die mittleren Löhne und Gehälter nur um 5%. Seit dem EU-Beitritt hat sich die Anzahl der pro Jahr errichteten geförderten Wohnungen halbiert. 200.000 Haushalte in Österreich haben bereits „wohnungsbezogene Zahlungsschwierigkeiten“.



Eine neue Studie der Statistik Austria bestätigt, was viele Menschen in Österreich in ihren Bieftaschen jedes Monat spüren: Die Wohnungskosten laufen den Lohnsteigerungen auf und davon. Die Bruttomieten sind zwischen 2010 und 2014 um satte 15,1 Prozent, bei Privatwohnungen sogar um 18 Prozent gestiegen. Unter dem Durchschnitt stiegen Gemeindewohnungen (plus 13,3%) und Genossenschaftswohnungen (plus 11,2%). Am teuersten sind private Mietwohnungen, hier stiegen die Nettomietkosten um 20,9 Prozent. (1).

Besonders tief in die Tasche greifen müssen MieterInnen, die in den letzten zwei Jahren einen neuen Mietvertrag abgeschlossen haben. Sie zahlen im Durchschnitt 7,8 Euro pro Quadratmeter. Haushalte mit Mietverträgen, die eine Vertragsdauer von mehr als 30 Jahren haben, wenden im Schnitt 4,6 Euro inklusive Betriebskosten für ihre Wohnung auf. Diese Diskrepanz zwischen Alt- und Neuverträgen existiert zwar in allen Wohnungssegmenten, jedoch auch hier bei Genossenschafts- und Gemeindewohnungen nicht so eklatant wie bei privaten Mietwohnungen.

Während also die durchschnittlichen Wohnungskosten in den letzten fünf Jahren um über 15% nach oben geklettert sind, stiegen die mittleren Einkommen der ArbeitnehmerInnen in diesem Zeitraum nur um rund 5% (2). Die Wohnungskosten wachsen also drei Mal so schnell wie die Löhne und Gehälter.

Das führt auch dazu, dass immer mehr Haushalte in Zahlungsschwierigkeiten. Laut Statistik Austria haben 200.000 Haushalte (rd. 8% aller Haushalte) „wohnungsbezogene Zahlungsschwierigkeiten“. D.h. sie haben Probleme, Mieten, Betriebskosten, Wohnungsnebenkosten oder Wohnungskredite abzudecken.

Halbierung des geförderten Wohnbaus seit EU-BeitrittImage

Was ist der Grund für diese explodierenden Wohnungskosten? Ein wesentlicher Faktor ist die trotz steigender Nachfrage rückläufige Wohnbautätigkeit insbesondere im geförderten Wohnbau. Ist dieser bis Mitte der 90er Jahre noch deutlich angestiegen, so erleben wir seither einen kontinuierlichen Rückgang (sh. Grafik). Im Jahr 1995 wurden knapp 30.000 Wohnungen im geförderten Geschoßbau errichtet. 2013 waren es nur mehr rd. 15.000. Ein Rückgang um fast 50%. Auch der Anteil der geförderten Wohnungen an allen Wohnungen ist dramatisch geschrumpft: Betrug der Anteil der geförderten Wohnungen bzw. Eigenheime 1995 noch rd. 85% aller neu errichteten Wohnbauten, so waren es 2013 nur mehr 42%. Auch hier also eine Halbierung!

EU-Kommission macht Druck für deregulierten Wohnungsmarkt

Es ist erkennbar, dass der Rückgang der geförderten Bautätigkeit Hand in Hand mit der EU-oktroyierten Sparpolitik geht: Der erste Einbruch erfolgte bereits mit den Sparpaketen unmittelbar nach dem EU-Beitritt in der zweiten Hälfte der 90er Jahre, der zweite im Gefolge der verschärften Sparpolitik mit den EU-Richtlinien Sixpack, Twopack und dem Fiskalpakt nach 2010/11.  


Die Drosselung des Sozialwohnbaus ist jedoch nicht nur Folge der Sparpolitik, sie ist auch deklariertes Ziel der EU-Kommission, die auch im Wohnungsbereich den neoliberalen „freien Markt“ favorisiert und alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzt, um diesbezüglich Einfluss auf die Wohnungspolitik der EU-Mitgliedsstaaten zu nehmen, obwohl diese grundsätzlich noch in nationaler Kompetenz liegt. So wurden etwa in der Niederlande durch eine Intervention der EU-Kommission die Einkommensgrenzen für den Zugang zum sozialen Wohnungsmarkt so abgesenkt, dass 650.000 Haushalte der Zugang zu bezahlbarem Wohnraum seither verwehrt bleibt.

Der „Verein für Wohnbauförderung“ konstatiert daher: „Für die niederländische Wohnbauförderung bedeutet diese Entscheidung die Abkehr von ihrer breiten Definition des sozialen Wohnbaus. Es schließt rd. ein Viertel der heutigen Mieter vom geförderten Wohnungsbestand, womit die soziale Durchmischung der Wohnquartiere insgesamt zur Disposition steht. In eine ähnliche Richtung geht der Beschluss der EU-Kommission – im Dezember 2011 - zur Anwendung der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse. Darin wird der soziale Wohnbau ‚auf die Bereitstellung von Wohnraum für benachteiligte oder sozial schwache Bevölkerungsgruppen, die nicht die Mittel haben, auf dem freien Markt eine Unterkunft zu beschaffen’, definitorisch eingeengt.“ (3) Sozialer Wohnbau und erschwingliche Mieten sollen einer breiteren Bevölkerungsschicht damit verwehrt werden.

Diese Politik setzt die EU auch über die neuen Möglichkeiten im Rahmen des „Europäischen Semesters“ um. So wurde z.B. Schweden von der EU-Kommission für 2015 angehalten, das Mietrecht zu deregulieren, um „ein stärker marktorientiertes Mietniveau zu ermöglichen“. Sprich: die Mieten stärker die Höhe treiben zu können.

Einmal mehr zeigt sich: Das EU-Konkurrenzregime unterstützt die wirtschaftlich Mächtigen, in diesem Fall das Immobilienkapital, und steht in völligem Gegensatz zu einer Sozialpolitik, die allen Menschen ein Leben in Würde ermöglicht. Denn dazu gehört auch qualitativ guter und erschwinglicher Wohnraum für alle. Genau das kann aber der private Wohnungsmarkt nicht gewährleisten. Einmal mehr gilt daher: Raus aus diesem neoliberalen und zunehmend autoritären Konkurrenzregime, mehr Geld für den sozialen Wohnbau statt Unterordnung unter die EU-Spardiktate!

Ein sofortiger Schritt zur Eindämmung der explodierenden Wohnungskosten könnte durch die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Mieten und Betriebskosten gesetzt werden. Diese Forderung kann hier ONLINE unterstützt werden.

Gerald Oberansmayr
(1.7.2015)

Quellen: 
1) Statistik Austria, Pressemitteilung vom 24.6.2015
2) Quelle ist der Einkommensbericht des Rechnungshofes 2014; da hier die Daten für 2014 noch nicht zur Verfügung stehen, wurde als Vergleichszeitraum 2009-2013 herangezogen.
3) Verein für Wohnbauförderung, Der soziale Wohnbau in Österreich und die EU-„Wohnungspolitik“, 2013