Am Fr, 16. November 2018 hat in Wien eine Kundgebung der Initiative "Mieten runter!" gegen die Regierungspläne zur Einführung von Lagezuschlägen in den Wiener Gründerzeitvierteln stattgefunden. Gefordert wird die Regulation von Mieten, die Ankurbelung des sozialen Wohnbaus, abgelehnt wird die durch den EU-Fiskalpakt aufgezwungene Politik des Kürzens im Wohn- und Sozialbereich. Hier drei Statements von AktivistInnen der "Initiative Mieten runter!".

Mehr leistbarer Wohnraum!

von Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Wiener Mietervereinigung

Sollte die Bundesregierung ihre Pläne zum Thema Lagezuschlag tatsächlich umsetzen, sprich: die Gründerzeitviertel aufheben, dann würde Folgendes passieren: Nehmen wir zum Beispiel ein junges Pärchen her. Beide haben gerade begonnen zu arbeiten, haben sich ihr Umfeld aufgebaut in einem Bezirk, jetzt ist ein Kind unterwegs, sie brauchen eine größere Wohnung – sie werden dann in diesem Grätzel keine mehr finden, weil das Wohnen praktisch über Nacht teurer werden würde. Das heißt, es findet ein Verdrängungsprozess statt und die Leute werden gezwungen, sich anderwärtig um Wohnraum umzuschauen, sprich auch ihren Heimatbezirk unter Umständen zu verlassen. Das kann nicht Sinn der Sache sein. Wir sollten vielmehr darauf achten, dass es eine gute soziale Durchmischung in der gesamten Stadt gibt und dass die Leute nicht gezwungen werden, ihr Lebensumfeld aufzugeben, nur weil sich irgendetwas in ihren Lebensumständen ändert. Eigentlich wäre das Gegenteil sinnvoller: Ich plädiere dafür, dass der Lagezuschlag gänzlich abgeschafft wird, weil ich der Auffassung bin, Vermieterinnen und Vermieter tragen nichts zur Lage und zur Attraktivität eines Grätzels bei. Das sind wir alle, durch unsere Steuern, und es sollen nicht Einzelne dafür belohnt werden.

Wir können beobachten, dass Wohnen immer unleistbarer wird, weil die Arbeitseinkommen nicht gleichermaßen mitsteigen, wie die Mietpreise nach oben gehen. Aus meiner Sicht gibt es zwei wichtige Dinge, die hier zu tun sind. Auf der einen Seite noch mehr in den Neubau investieren, aber in den Neubau, der auch leistbar ist, sprich in gemeinnützigen Wohnbau und auch wieder in Gemeindewohnungen zu investieren. Auf der anderen Seite eine Reform des Mietrechtsgesetzes. Da plädiere ich dafür, dass dieses ausgeweitet wird auf alle Mietverhältnisse. Derzeit ist es ja so, dass nur der klassische Altbau in das Mietrechtsgesetz fällt, sprich alles, was vor 1945 errichtet worden ist. Ich spreche mich dafür aus, dass alle Bauten, wenn sie älter als 25 Jahre sind, automatisch in das Mietrechtsgesetz fallen und dass es hier eine Mietzinsobergrenze gibt, die von den VermieterInnen auch einzuhalten ist.

„Freier Markt“ contra Grundrecht auf Wohnen

von Irina Vana

Wohnen ist ein Grundbedarf und sollte ein Grundrecht sein. Unter dem Primat des „freien Wettbewerbs“, eine der zentralen Säulen der Europäischen Union und der neoliberalen Austeritätspolitik, wird Wohnen jedoch zunehmend zu einem Luxusgut und einem Wirtschaftsfeld zur Befriedigung privater Profitinteressen.

In den süd- und ost-europäischen Ländern, wo der Druck zur Durchsetzung menschenverachtender Sparpolitik besonders groß ist, haben die „Sparauflagen des europäischen Finanzimperialismus“, wie der Armutsforscher Christoph Butterwegge schreibt, in den letzten Jahren zu einem massiven Anstieg der Delogierungen und der Zahl Obdachloser geführt.

Und in Österreich? Auch hier zeigt sich, dass die Unterwerfung des Wohnraums unter die Logik neoliberalen Wirtschaftens dazu führt, dass Wohnen für Viele nicht mehr leistbar ist. Das gilt insbesondre im Mietsektor. Die Gründe dafür sind vielseitig, können aber in ihrer gemeinsamen Wirkung auf die neoliberale Politik und damit auch auf deren Festschreibung im EU-Fiskalpakt zurückgeführt werden. 

  • Das Spardiktat führt zur Verknappung leistbaren Wohnraums. Selbst in Wien wird seit Jahren nur noch wenig Geld in die Hand genommen, um leistbare Gemeindewohnungen zu errichten. Denn eine entsprechende Ausgabe würde den Rahmen des Fiskalpakts sprengen. Daher werden auch bei der Errichtung von gefördertem Wohnbau private Investoren eingeladen, sich an den Bauten zu beteiligen: Diese sind es dann auch, die die zukünftigen Mieten abschöpfen. Die Mieten bleiben deshalb auch im geförderten Wohnbau für viele unerschwinglich.
  • Mit Verweis auf das Nulldefizit wurden zudem gemeinnützig errichtete Wohnungen in der Vergangenheit zunehmend ausverkauft und den privaten Profitinteressen unterworfen. Das Beispiel der BUWOG zeigt das eindrücklich. Auch die Option der so genannten „Mietkaufpreismodelle“, die nunmehr im gemeinnützigen Wohnraum umgesetzt wird, werden durch kommunale Mittel errichtete, günstigere Wohnungen, zunehmend umgewidmet und dem Marktpreisen unterworfen.
  • Das Primat des freien Wettbewerbs, dass die Europäischen Gesetze einfordern, hilft der Immobilienwirtschaft zudem ihre Interessen gegen den sozialen Wohnbau durchzusetzen. So wurde beispielsweise in Frankreich und den Niederlanden geprüft, ob die Regelungen des sozialen Wohnraums EU-rechtskonform sind oder ob diese „wettbewerbsverzerrend“ wirken. In den Niederlanden gab der Europäische Gerichtshof den Interessen der Immobilienwirtschaft statt. Der Zugang zu sozialem Wohnbau wurde eingeschränkt.
  • Die EU-Verträge, die vorschreiben, dass auch öffentliche Dienste in hohem Maß der „freien Marktwirtschaft mit offenem Wettbewerb“ unterworfen werden, wirken zudem indirekt, über steigende Betriebskosten, auf den Anstieg der Wohnkosten. Die steigenden Betriebskosten machen einen immer höheren Anteil der Wohnkosten aus.

Durch die Verknappung des leistbaren Wohnraums steigt der Druck auf die Mieter_innen, überteuerte Wohnungen am privaten Sektor zu suchen. Und das entspricht der europäischen Politik des so genannten freien Wettbewerbs, die darauf abzieht sozialen Wohnbau zu verknappen, den Zugang zu diesem auf eine kleine Gruppe zu beschränken.

Wir fordern daher regulierte, leitbare Mieten, den Bau neuer Gemeindewohnungen und einen niederschwelligen Zugang zum leistbaren Wohnraum. Nein zum EU-Fiskalpakt! Nein zum EU-Wettbewerbsrecht. Wohnraum ist keine Ware – Wohnraum ist ein Grundrecht!

Durchmischte Stadt statt Ghettobildung!                            

von Wilhelm Langthaler

Die Regierung Kurz-Strache rühmt sich gegen sogenannte Parallelgesellschaften vorzugehen. Sie macht das durch Symbolpolitik, die das Ressentiment gegen Immigranten und Muslime benutzt und fördert. Dabei betätigt sich Schwarzblau selbst als Motor bei der sozialen und kulturellen Segregation. Die neoliberalen Maßnahmen, die auch schon von Rotschwarz betrieben wurden, vertiefen nicht nur die Spaltung zwischen Arm und Reich, sondern wollen bewusst die Lebenssituation der Flüchtlinge verschlechtern, zum Beispiel durch die Kürzung der Mindestsicherung.

In die gleiche Richtung geht die angekündigte Novelle des Mietrechts, die sich das Ziel „marktkonformer Mieten“ setzt – im Klartext: durch Deregulierung sollen die Renditen der Immobilienbesitzer gesteigert werden.

Eine zentrale Maßnahme dabei ist die Ermöglichung von Lagezuschlägen bei Neuverträgen auch in Altbauten, die bisher davor geschützt waren. In Wien trifft das die Gründerzeitviertel um den Gürtel, in denen bisher auch einkommensschwache Schichten in zentralen Lagen wohnen konnten. Nach einer Berechnung der Mietervereinigung für eine Durchschnittswohnung von 70m2 würde sich der Richtwertmietzins (inkl. Betriebskosten und USt) von jetzt Eur490.- auf Eur747.- erhöhen. Die tatsächlichen Mieten lägen dann noch höher, weil nur wenige gegen überhöhte Preise klagen. Unmittelbare Folge davon wird die Verdrängung Ärmerer in periphere Lagen am Stadtrand sein, wo der bereits heute hohe Anteil von Immigranten sich noch weiter steigern würde.

Schulen fast ohne Kinder mit deutscher Muttersprache, schlechte Infrastruktur, spärliche Einkommensmöglichkeiten, kulturelle Segregation und Diskriminierung, Perspektivlosigkeit usw. führen dann zu dem, was von Kurz-Strache Parallelgesellschaft genannt wird. Es ist jedoch ihre Politik, die für die Ghettobildung verantwortlich ist.

Dagegen fordern wir eine durchmischte Stadt mit Lebenschancen für alle. Leistbare Mieten durch Regulierung und öffentlichen Wohnbau sind dafür ein wesentliches Element.