Es ist mittlerweile ein Gemeinplatz: Wohnen wird immer teurer, Wohnen macht viele Menschen mittlerweile arm. Das hängt durchaus nicht nur mit der aktuellen Teuerung zusammen, sondern ist bereits ein langfristiger Trend. Allein zwischen 2010 und 2020 stiegen die Mieten um 44%, doppelt so stark wie die allgemeine Teuerung bzw. die Löhne. Das hängt mit mehreren strukturellen Veränderungen am Wohnungsmarkt zusammen.
Rückgang des sozialen Wohnbaus
In den letzten Jahrzehnten hat eine erhebliche Verschiebung beim Wohnungsneubau stattgefunden. In den 90er Jahren dominierte der geförderte Wohnbau gegenüber dem sog. frei finanzierten noch im Verhältnis 80:20. Mittlerweile werden ca. 55% der neu errichten Wohnungen frei finanziert. Das hat erhebliche Auswirkungen. Denn Wohnungen, die dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz unterliegen, dürfen nur nach dem Kostendeckungsprinzip vermietet. Das bedeutet, dass hier gesetzlich nur beschränkt Gewinne erzielt werden dürfen, die wiederum in Wohnbaumaßnahmen im Inland investiert werden müssen. Bei frei finanzierten Wohnungen kann verlangt werden, was der Markt hergibt. Die Gewinne können beliebig weiterverwendet werden, etwa zum Füttern der Aktionäre. Das Auseinanderdriften von gefördertem bzw. frei finanzierten Wohnbau schlägt sich mittlerweile auch in den Hauptmietverhältnissen deutlich nieder. Wohnten 2011/12 noch fast 60% der MieterInnen zur Hauptmiete in Genossenschafts- bzw. Gemeindewohnungen, so sank dieser Anteil seither kontinuierlich auf rund 56%. Entsprechend stieg der Anteil jener, die zur Hauptmiete auf den „freien Markt“ angewiesen sind (sh. Grafik 1).
Privater Wohnungssektor ist am teuersten
Die Wohnungskosten zwischen diesen Bereichen unterscheiden sich erheblich (sh. Grafik 2): Die Wohnungskosten pro qm (Miete plus Betriebskosten) lagen 2021 bei Gemeindewohnungen bei 6,9 Euro, bei Genossenschaftswohnungen bei 7,3 Euro und am privaten Wohnungsmarkt bei 9,9 Euro – also 43% über den Gemeindewohnungen und 35% über den Genossenschaftswohnungen! (1)
Befristete Mietverträge treiben Preise nach oben
Ein wichtiges Moment dabei sind die immer stärker ausufernden Befristungen der Mietverträge am privaten Wohnungsmarkt. Befristete Mietverträge geben den VermieterInnen die Möglichkeit, die MieterInnen ständig zu erpressen. Sobald die Frist abgelaufen ist, können den AltmieterInnen kräftige Preissteigerungen abverlangt werden, oder die MieterInnen stehen auf der Straße. 2021 betrugen die durchschnittlichen Wohnungskosten je Quadratmeter bei unbefristeten Mietverträgen 7,5 Euro (Miete plus Betriebskosten), für befristete Mietverträge dagegen 10,9 Euro – also gut 45% mehr (sh. Grafik 3).
Der Zusammenhang mit den Eigentumsverhältnissen liegt auf der Hand. Während Genossenschafts- und Gemeindewohnungen in der Regel unbefristet vermietet werden, sind Befristungen im privaten Wohnungsmarkt mittlerweile nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Insbesondere junge Menschen sind davon besonders betroffen. So hat das gewerkschaftsnahe Momentum-Institut berechnet, dass 58% der jungen Haushalte (Haupterwerbsperson unter 35 Jahre) im Altbau in befristeten Mietverhältnissen wohnen, beim freien Mietzins waren es sogar 65%.
Solidarische Wohnversicherung
Mietpreisbremsen sind in der aktuellen Situation sicher ein wichtiges Mittel, um den exorbitanten Preissteigerungen rasch Einhalt zu gebieten. Darüber hinaus müssen aber strukturell die Weichen neu gestellt werden:
- Eine Investitionsoffensive im sozialen Wohnbau, um ausreichend leistbaren Wohnraum zu schaffen. Die EU-Austeritätsvorgaben müssen dafür endlich ad acta gelegt werden. Es ist kein Zufall, dass seit den 90er Jahren die wohnungspolitischen Ausgaben am BIP von 2% auf unter 0,5% gesunken sind (2).
- Für den sozialen Wohnbau sind die entsprechenden Grundstücke zweckzuwidmen, um der Explosion von Grundstückpreisen entgegenzutreten.
Abschaffung der Befristungen bzw. Beschränkung auf wenige Ausnahmen (z.B. bei echtem Eigenbedarf des Vermieters an der Wohnung). - Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Mieten
In ihrem Programm bringt die Solidarwerkstatt Österreich auch die Einführung einer solidarischen Wohnversicherung in die Diskussion, um leistbares Wohnen zu einem Menschenrecht zu machen. Die Einzahlung eines Wohnbeitrags, der sich an der finanziellen Leistungskraft bzw. der Wertschöpfung orientiert, begründet das Recht für jede/n auf leistbaren Wohnraum. Dieser Wohnbeitrag tritt anstelle des derzeitigen Wohnbauförderungsbeitrags, der immer stärker zweckentfremdet wird. Durch die Ausweitung auf die gesamte Wertschöpfung würden erhebliche zusätzliche Mittel für eine soziale Wohnungspolitik frei. Damit könnte ein flächendeckender sozialer Wohnbau wiederbelebt werden. Die Organisation soll möglichstselbstverwaltet und gemeindenah (über die Kommunen bzw. Gemeindeverbände) erfolgen.
Quellen:
(1) https://www.statistik.at/fileadmin/publications/Wohnen-2021.pdf
(2) Standard, 27.4.2023