Im Vorjahr haben wir gegen die Kürzungen bei Menschen mit Beeinträchtigung demonstriert. Heute demonstrieren wir gegen den Anschlag auf kinderreiche Familien, AlleinerzieherInnen und Flüchtlinge. Gnadenlos werden diejenigen, die es ohnehin schwer im Leben haben, ins Visier genommen.
Was ist der Hintergrund dafür, dass die Sparpolitik nun immer stärker auch auf Länder und Gemeinden durchschlägt?
Was wir erleben ist, wovor viele wie z.B. der Wissenschaftler Stephan Schulmeister gewarnt haben, als 2012 der EU-Fiskalpakt im Nationalrat durchgewunken wurde. Dieser Pakt dient dazu den „Sozialstaat zu strangulieren, die Budgethoheit geht auf die EU-Kommission über“, so Stephan Schulmeister. Wie kann dieser Pakt das? Die demokratischen Parlamente im Bereich der Budgetpolitik permanent zu bevormunden, indem der EU-Kommission enorme Möglichkeiten gegeben werden, in die Budgetpolitik einzugreifen – bis hin zur Verhängung hoher Strafen. Technokratie tritt anstelle von Demokratie, um den Neoliberalismus durchzusetzen.
Der Zweck dieser Bevormundung: Er dient dazu ein neoliberales Sparregime unabhängig von Wahlausgängen und demokratischen Mehrheiten durchzusetzen. Einer der obersten Technokraten, EZB-Chef Mario Draghi hat in einem Interview mit dem Wallstreet-Journal offen zugegeben, dass der Fiskalpakt dazu dient, "den Sozialstaat zu einem Auslaufmodell zu machen“
Die Vorgaben des Paketes über einen innerösterreichischen Stabilitätspakt nun auch den Ländern und Gemeinden vorgeschrieben. OÖ muss im Jahr 2016 bereits einen Budgetüberschuss erwirtschaften, um den Vorgaben dieses Paktes gerecht zu werden. Nicht zuletzt für diese Budgetüberschuss wird nun bei den Schwächsten gekürzt. Diese Kürzungen sind für die Betroffenen eine Katastrophe – wer kann von 320,- leben, noch dazu vor dem Hintergrund immer höher Massenarbeitslosigkeit?
Fürs Budget freilich von Beträgen her noch kleine Fische. Die Angriffe auf die Mindestsicherung sind aber Türöffner für die großen Fische: Absenken der Löhne und Angriff auf die Sozialversicherung über die Absenkung der sog „Lohnnebenkosten“, Schaffung eines Niedriglohnsektors vergleichbar Hartz IV in Deutschland. Das ist in Österreich die Strategie der Industriellenvereinigung, die sich in OÖ besonders stark dafür gemacht hat, dass die FPÖ in die Regierung kommt. Das ist europaweit Strategie der EU-Kommission. In einem Strategiepapier im Jahr 2012 (Labour-Market-Development-Report) hat die EU-Kommission die Senkung der Mindestlöhne und mit ihnen die Senkung der Sozialversicherungbeiträge zum Ziel erklärt. Dafür braucht es - so wörtlich - die „die Reduktion der gewerkschaftlichen Verhandlungsmacht.“ Gewerkschaftliche Verhandlungsmacht zerstört man am besten durch Menschen, die gezwungen sind, jede Arbeit zu jedem Lohn zu machen, weil ihnen das soziale Netz vollkommen weggezogen wurde, weil sie mit 320,- monatlich ins Elend gestoßen werden. Das ist der Zweck des Angriffs auf die Mindestsicherung, deshalb sollen jetzt die Menschen – Arbeitende gegen Arbeitslose, Inländer gegen Ausländer - gnadenlos gegeneinander ausgespielt werden, um sie am Ende alle zu Verlierern zu machen.
Lassen wir uns nichts vormachen! Die Propaganda, dass wir uns den Sozialstaat nicht mehr leisten können, weil angeblich die öffentlichen Ausgaben explodiert sind, ist völlig abwegig. Tatsächlich ist der Anteil der öffentlichen Ausgaben am BIP in den letzten zwei Jahrzehnen gesunken. Was tatsächlich explodiert sind, sind die Gewinnentnahmen und Gewinnausschüttungen der Kapitalgesellschaften. Diese haben sich seit Mitte der 90er Jahren verdreifacht, ihr Anteil am BIP hat sich fast verdoppelt. Diese Umverteilung von unten nach oben müssen wir endlich stoppen und umkehren, wenn wir der Massenarbeitslosigkeit, der soziale Spaltung und Brutalisierung der Gesellschaft entgegentreten wollen. Grundvoraussetzung dafür ist freilich, dass wir uns wieder die volle demokratische Souveränität über die Budgetpolitik zurückholen und uns aus der Zwangsjacke des EU-Fiskalpakts befreien. Denn: Sozialstaat und Demokratie sind zwei Seiten einer Medaille!