Am 9. Oktober lud die Solidarwerkstatt gemeinsam mit der „Initiative psychisch erkrankter Menschen“ (IpeM) zu einem Gespräch ins Linzer Bagua, einer Einrichtung von Exit-Sozial. Der Anlass: Das Land OÖ will im Bereich der Sozialpsychiatrie (Kultur, Kommunikation, Freizeit, Sport) 30% kürzen. Begonnen wurde damit bereits 2018, bis 2022 soll das abgeschlossen sein. Das Thema des Abends lautete daher:Kürzungen des Landes OÖ bei psychisch Erkrankten: Betroffene erzählen“.


Und diese hatten tatsächlich viel zu erzählen.

Sie erzählten von der großen Bedeutung, die die Freizeiteinrichtungen z.B. von Exit sozial und Pro Mente für ihren Alltag haben:
„Die Gemeinschaft ist wie eine Familie für mich. Auf Psychotherapie musst du lange warten, aber hier ist jederzeit jemand zu einem Gespräch für dich da.“
„Die gemeinsamen Ausflüge stärken uns so. Das ist so wertvoll für die Psyche.“
„Die Bedeutung dieser Freizeitaktivitäten wird völlig unterschätzt, da können psychische Krisen oft schon am Anfang abgefangen werden. Wenn man da spart, landen die Leute im Krankenhaus. Das ist dann viel teurer.“

Sie erzählten darüber, wie sie die Einsparungen schon jetzt spüren:
„Die Öffnungszeiten am Nachmittag sind deutlich eingeschränkt worden.“
„Ein Tag ist jetzt schon gestrichen worden, beim nächsten Budget geht der nächste Tag verloren.“
„Gemeinsame Freiheitaktivitäten, wie z.B. Veranstaltungen und Wanderungen, sind gestrichen, weil man die MitarbeiterInnen dafür nicht mehr hat.“

„Professionellen BetreuerInnen sollen durch ehrenamtliche MitarbeiterInnen ersetzt werden, aber so wichtig ehrenamtliche MitarbeiterInnen sind, es gibt gerade in diesem Bereich oft kritische Situationen, wo geschultes Personal unersetzlich ist.“

Sie erzählen von ihren Ängsten:
„Für mich stürzt eine Welt ein, wenn der Tag, an dem wir gemeinsam kochen, gestrichen wird.“
„Nicht nur wir als KlientInnen sind betroffen, auch die Beschäftigten sind irrsinnig verunsichert, sie haben Angst um ihren Arbeitsplatz.“
„Ich habe noch als Berufstätiger erlebt, wie es zum Übergang von der alten zu neuen, offenen Psychiatrie gekommen ist. Da liegen Welten dazwischen, das war ein großer Fortschritt. Aber jetzt mit der Sparpolitik geht es wieder zurück.“
„Wenn diese Kürzungspolitik weitergeht, droht ein Rückfall ins finstere Mittelalter in der Psychiatrie.“

Sie erzählten von ihrem Zorn:
„Offensichtlich gibt es für das Land zwei Sorten von psychisch Erkrankten: Leute, die in ein Burn-out rutschen, die will man rasch wieder arbeitsfähig machen. Und Leute, die chronische psychische Erkrankungen haben, die nicht mehr arbeiten können. Das spart man, wo es nur geht. Alles dreht sich nur mehr um die Verwertbarkeit.“
„Bereits vor 10 Jahren wurden im Sozialbereich 30% gekürzt. Es geht jetzt völlig an die Substanz.“
„Es braucht viele Jahre, bis etwas aufgebaut wird, das Zerstören dagegen geht schnell.“

Sie erzählen von ihren Hoffnungen:
„Was von Menschen verursacht wurde, kann auch von Menschen wieder rückgängig gemacht werden.“
„Wir wollen das nicht hinnehmen, wir wehren uns.“

Tatsächlich haben sich in der „Initiative psychisch erkrankter Menschen“ Betroffene zusammengefunden, die sich schon seit einiger Zeit gegen diese Kürzungen wehren, z.B. durch eine Postkartenaktion an LH Stelzer. Wie es weitergeht, ist offen. Wer sich an der Postkartenaktion beteiligen will, wer Kontakt zur Initiative sucht, kann sich gerne an uns wenden: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Tel 0732/771094.

Siehe auch: "Weil Menschen mehr sind als nur Arbeitskräfte"