Die Pflege in Österreich ist selbst ein Pflegefall. Eine Pflegearbeiterin berichtet im neuen Online-Medium SOLiNZ-Solidarisches Linz über ihren beruflichen Alltag.

Ich habe 2012 meine Ausbildung zum Fachsozialbetreuer Schwerpunkt Altenarbeit abgeschlossen, arbeite auch seit meinem Abschluss in der Altenpflege mit einer kurzen Pause von vier Monaten. Viele Menschen arbeiten in der Pflege, weil sie den Menschen helfen wollen. Sicher nicht, weil man da viel verdient oder es eine einfache Arbeit ist.

Doch was ich alles gesehen, gehört und gefühlt habe, ist schwer in Worte zu fassen. Ich habe Menschen gesehen, die einsam gestorben sind, weil das Pflegepersonal keine Zeit hatte, um da zu sein. Menschen, die geweint haben, weil sie für zwölf Menschen, die schwer verhaltensauffällig sind, allein zuständig waren. Man weiß einfach nicht, wo man anfangen soll. Ich habe Pflegepersonal gesehen, das zu Mittag heimgefahren sind, damit es den Nachtdienst machen konnte, weil keiner sonst mehr konnte. Kollegen/innen, die sieben Tage durchgearbeitet haben - mit Tag- und Nachtschicht. Die meisten Schichten dauern zehn bis zwölf Stunden. BewohnerInnen, die mit Medikamenten ruhiggestellt werden, weil man keine Zeit hat, sich dem Menschen zu widmen. Man hatte einfach keine Zeit! Man übernimmt regelmäßig Dienste, weil jemand krank ist. Man sollte am besten Tag und Nacht, am Wochenende und an Feiertagen abrufbereit sein. Das ist manchmal eine ziemliche Belastung.

Die Arbeit, die ich mache, liebe ich, aber es gibt Tage, da komme ich weinend nach Hause. Ich habe einfach keine Energie mehr. Es ist ein sehr großer Druck, 24 Stunden bereit zu sein. Von Führungskräften hört man oft dann nur abwertende Sachen wie zum Beispiel: „Man soll sich die Zeit besser einteilen, man soll nicht so emotional sein, ja man muss Prioritäten setzten“. Das heißt im Klartext, Menschen oft in ihren eigenen Exkrementen sitzen zu lassen, um einen anderen Menschen daran hindern, auf die Straße zu laufen.

Ich würde mir wünschen, dass es mehr Pflegepersonal in den Pflegeeinrichtungen geben würde, damit die Menschen eine adäquate Pflege bekommen, damit man oft mehr Zeit mit den Menschen verbringen kann, damit sie nicht psychisch vereinsamen. Vor allem wünsche ich mir, dass der Mensch wieder als Mensch gesehen wird und nicht als Gegenstand.


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