ImageDie Katze ist aus dem Sack. SP-Kanzler und VP-Finanzminister haben das Belastungspaket der Regierung für das nächste Jahr präsentiert. Bis zu 90% der Belastungen treffen die Masse der Bevölkerung. Die nächsten dezentralen Aktionen gegen das Belastungspaket finden am 19. November statt.  Am 27. November kommt es zur gemeinsamen bundesweiten Demonstration in Wien.


Wen trifft nun das zwischen SPÖ und ÖVP ausverhandelte Belastungspaket konkret?

- Zu den Verlierern zählen sozial benachteiligte Familien bzw. Studierende: So soll die Bezugsberechtigung für die Familienbeihilfe vom 26 auf 24 Jahre gesenkt werden. Damit wird sich die soziale Lage vieler Studierenden weiter verschärfen, schon jetzt müssen 60% neben dem Studium jobben, in Zukunft werden es wohl noch mehr werden. Der Zugang zum Masterstudium wird damit noch mehr den Söhnen und Töchtern der Reichen vorbehalten bleiben. Auch die 13. Familienbeihilfe soll deutlich eingeschränkt und der Mehrkinderzuschlag gestrichen werden.

- Für die Universitäten soll es zwar 80 Millionen zusätzlich geben, angesichts einer Unterfinanzierung von einer Milliarde ist das aber ein Tropfen auf den heißen Stein. Und selbst diese Maßnahme wird noch an eine massive Ausweitung der Zugangsbeschränkungen zu den Hochschulen gekoppelt. Kräftig gespart werden soll auch im primären und sekundären Bildungssektor.

- Betroffen sind auch pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen. Der Zugang zum Pflegegeld der Stufen 1 und 2 wird erschwert. Laut Rechnungshof deckt schon jetzt der Pflegegeld nur maximal 58 Prozent der Kosten ab, in unteren Stufen mitunter nicht einmal 20 Prozent.

- Auch bei den PensionistInnen wird gespart: Die einjährige Wartefrist für Pensionserhöhungen wird wieder eingeführt, der Zugang zur Hacklerregelung erschwert, der Nachkauf von Schul- und Studienzeiten für den Zugang zur Hacklerregelung massiv teurer. 

- Treffen wird es auch die Kranken, denn die staatlichen Zuschüsse zur Krankenkassensanierung sinken von 100 auf 40 Millionen, wodurch der Druck in Richtung höherer Selbstbehalte bzw. Leistungsverschlechterungen im Gesundheitsbereich steigen wird.

- Von Einsparungen sind weiteres die Entwicklungszusammenarbeit und MigrantInnen betroffen.

Haltlos ist die Behauptung von Kanzler Faymann, dass die Banken und der Vermögensbereich zwei Drittel der Belastung zu tragen hätten. Tatsächlich verhält es sich umgekehrt: Massensteuern und Kürzungen im Sozialbereich machen zwei Drittel des rot-schwarzen Belastungspakets aus. Zieht man in Betracht, dass die Bankenabgabe an die KundInnen übergewälzt wird, dann machen die Massenbelastungen sogar bis zu 90% des Gesamtvolumens aus. Jene, die also bereits im letzten Jahrzehnt durch sinkende Lohnquoten und zunehmend prekäre Beschäftigungsverhältnisse zur Kasse gebeten wurden, werden abermals geschröpft.

Radikalisierung des Neoliberalismus durch die EU

Dieses Budget ist aber nicht nur ungerecht, es ist vor allem auch rückwärtsgewandt, weil es durch seinen Sparwahn die tiefe wirtschaftliche, soziale, demokratiepolitische und ökologische Krise verschärft, in der sich unsere Gesellschaft befindet. In der Zeit unmittelbar nach dem offenen Ausbruch der Jahrhundert-Wirtschaftskrise schien es, als ob die Ära des Neoliberalismus abgedankt hätte. Zu spektakulär war diese Wirtschaftspolitik des Marktradikalismus, der Privatisierung und des Sozialabbaus an die Wand gefahren. Doch die Machteliten in Europa haben sich nach einer Schrecksekunde rasch wieder gefangen und versuchen nun mit Hilfe des mächtigsten Hebels, der ihnen zur Verfügung steht, energisch den Rückwärtsgang einzulegen. Dieser mächtigste Hebel ist die Europäische Union, eine Ebene, wo der Konzerneinfluss ungleich stärker, der Einfluss von Gewerkschaften und demokratischer Mitbestimmung von unten ungleich schwächer ist als auf der Ebene der einzelnen Mitgliedsstaaten.

Über diese EU-Ebene wird nun – wie der WU-Ökonom Joachim Becker es bezeichnet – die „Radikalisierung des Neoliberalismus“ eingeleitet. Um gleichzeitig den Euro stahlhart zu halten, die Profite der Banken zu retten und die Absatzmärkte für die aggressiven Exportindustrien (v.a. Deutschlands aber auch Österreichs) zu sichern, wurden riesige Milliardenbeträge aus den Staatshaushalten locker gemacht. Dafür sollen nun die sozial Benachteiligten in den EU-Staaten bluten. Die EU-Kommission gibt drastische Sparziele vor und will immer direkter in die nationale Haushaltsplanung eingreifen. Der EU-Rat hat im Herbst 2010 das sog. „Europäische Semester“ beschlossen. D.h. ab 2011 soll vor der Entscheidung in den nationalen Parlamenten über das Budget ein halbjährliches Prozedere vorangestellt werden, in dem von EU-Kommission und Rat den Mitgliedsstaaten die jeweiligen Spar- und Belastungsziele „vorgeschlagen“ werden. Diese „Vorschläge“ sind in Wirklichkeit jedoch Diktate, da sich ein ansehnliches Sanktionskarussell in Bewegung zu setzen droht, wenn die Parlamente diesen „Vorschlägen“ nicht Folge leisten. Der Strafkatalog soll entsprechend ausgeweitet und im EU-Primärrecht verankert werden. Im vorauseilenden Gehorsam hat die SP/VP-Regierung in Österreich bereits Sparprogramme bis 2014 geschnürt, die zu 70% auf Kosten des Sozial- und Bildungsbereichs gehen.

Solidarstaat Österreich statt EU-Konkurrenzregime!

Wir brauchen nicht den neoliberalen „schlanken“ Staat, sondern eine Wende zu einem sozial, ökologisch und demokratisch „starken“ Staat. Österreich hat derzeit eine Staatsquote von etwas über 40%. Um die gewaltigen wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen, demokratie- und bildungspolitischen Herausforderungen der heutigen Zeit human und solidarisch bewältigen zu können, werden wir eine Erhöhung der Staatsquote (besser: Gemeinschaftsquote) von 50% und mehr brauchen. Die Europäische Zentralbank hat vor einigen Jahren Pläne entwickelt, die Staatsquote in den EU-Staaten zu halbieren. Ähnliche wilde Sparziele haben in Österreich die Industriellenvereinigung und die extreme Rechte (FPÖ) aufgestellt. Die Budgetpolitik der EU-Kommission und der Regierung zielen ebenfalls in die Richtung, die Staatsquote zu senken oder sich zumindest mit aller Kraft gegen deren Erhöhung zu stemmen. Diese Politik des „schlanken“ Staats kommt uns jedoch viel zu teuer, weil dadurch extrem ungleiche Bildungsmöglichkeiten, Arbeitslosigkeit, tiefe sozial Gräben und ökologische Desaster hervorgerufen werden. Freilich kostet eine Erhöhung der Staats-/Gemeinschaftsquote auch viel. Aber sie bringt noch viel mehr: mehr Existenzsicherheit für alle, mehr Bildung für alle, mehr Teilhabemöglichkeiten für alle, Umschwenken auf einen ökologisch nachhaltigen Pfad. Letztlich sichert sie die Grundlagen einer demokratischen Entwicklung, die im Rahmen der neoliberalen Zwangsjacke EU immer mehr unter die Räder gerät.

Hinkommen, mitmachen!!
Die nächsten Demonstrationen und Aktionen gegen das Belastungspaket

Do, 18. November 2010, Linz
Demonstration "Stoppt den Sparwahn auf Kosten von Menschen mit Behinderung!"
Abmarsch der Demonstration um 11 Uhr vom Empowerment Center der SLI OÖ (Bethlehemstraße 3,4020 Linz) zum Landhaus
Nähere Informationen hier

Fr, 19. November 2010, Linz
Demonstration "Weg mit dem Belastungspaket! Mehr Geld für Bildung und Soziales! Verteilungsgerechtigkeit!"
Treffpunkt 16 Uhr, Schillerpark, Abmarsch 16.30 Uhr
Aufruf und Ankündigungsplakat

Sa, 27. November 2010, Wien
Bundesweite Demonstration gegen das Belastungspaket!
"Kein Sparen bei Kindern, Jugend und Familien!"

Treffpunkt 13 Uhr, vor dem Finanzministerium (Nähe Urania)
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_extcalendar&Itemid=57&extmode=view&extid=365