Die Solidarwerkstatt Österreich lehnt die von Bundeskanzler Kurz geplante Abschaffung der Hacklerpension entschieden ab. Die angebliche Unfinanzierbarkeit ist ein neoliberales Ammenmärchen. Auch diesbezüglich zeigt sich die enorme Bedeutung einer ambitionierten Vollbeschäftigungspolitik.

Die Türkisen sind nun vorgeprescht, sie wollen die Hacklerregelung ab Ende kommenden Jahres beseitigen. Die Hacklerregelung, die im koalitionsfreien Raum Mitte 2019 wieder eingeführt wurde, bedeutet, dass es möglich ist, ab dem 62. Lebensjahr bei 45 Beitragsjahren (also über der Geringfügigkeit) abschlagsfrei in Pension zu gehen. Davor gab es kräftige Abschläge: 4,2 Prozent pro Jahr, bei 3 Jahren vor dem 65. Lebensjahr sind es insgesamt 12,6 Prozent (1).

Finanzminister Blümel hat bei der der Budgetrede im Oktober bereits angekündigt, dass die Regierung bald wieder in Richtung Austerität und Sozialabbau umschwenken wolle: „Kurzfristig Keynes, langfristig Hayek“ (2), so das Credo des türkisen Finanzministers. Auch die EU-Kommission hat Anfang im September in einem technischen Papier die Regierungen der EU-Staaten gebrieft, wie sie unter Ausnutzung des „EU-Wiederaufbaufonds“ möglichst effizient neoliberale „Reformen“ durchzusetzen können – insbesondere im Pensionsbereich. Gerade die „Hacklerpension“ war wiederholt von der EU-Kommission im Rahmen des „europäischen Semesters“ kritisiert worden.

Fadenscheinige Begründung

Bundeskanzler Kurz begründet den Angriff auf die Hacklerpension damit, dass diese frauenfeindlich sei, weil Frauen aufgrund des niedrigeren Pensionsantrittsalters derzeit die Hacklerregelung nicht in Anspruch nehmen können. Das ist fadenscheinig. Aufgrund der Angleichung des Pensionsantrittsalters für Frauen an das der Männer, werden in wenigen Jahre auch Frauen voll von der Hacklerregelung profitieren können. Konkret betrifft das alle Frauen, die ab dem 2.6.1968 geboren sind. Für Frauen sind 40 Arbeitsjahre erforderlich, 60 Monate Kindererziehungszeiten können angerechnet werden.

Wenn Kurz und Kogler tatsächlich eine frauenfreundliche Reform des Pensionssystem ein Anliegen ist, dann könnten sie das sofort tun, indem sie jene Verschlechterungen der Schüsselschen Pensionsreformen zurückzunehmen, durch die Frauen besonders unter die Räder kommen; insbesondere betrifft das die Ausdehnung des Durchrechnungszeitraums auf das gesamte Arbeitsleben. Zur Erinnerung: Unter den gleichen Voraussetzungen wird ein Mann in 20 Jahren rund 17% weniger Pension erhalten, eine Frau dagegen 36% weniger (3).

Vollbeschäftigung sichert solidarisches Pensionssystem

EU-Kommission, Industriellenvereinigung und ihre neoliberalen Thinktanks trommeln permanent für eine Verschlechterung des Pensionssystems. Das solidarische Pensionsversicherungssystem, das auf dem Umlageverfahren beruht, ist ihnen ein Dorn im Auge, da es einer weiteren Privatisierung der Pensionsvorsorge im Weg steht. Die neoliberalen Warnungen vor der „Unfinanzierbarkeit“ unseres solidarischen Pensionssystems sind dieser speziellen Interessenslage geschuldet. Die Drehtür zwischen privater Finanzwirtschaft und EU-Kommission rotiert bekanntermaßen besonders heftig. Dabei haben sich gerade die Experimente mit der Privatisierung der Pensionsvorsorge in den letzten Jahrzehnten in vielen Ländern als katastrophaler Fehlschlag erwiesen.

Die beste Absicherung eines solidarischen Pensionssystems gelingt durch eine ambitionierte Vollbeschäftigungspolitik. Wir brauchen Vollbeschäftigung nicht nur, um die vielen neuen Arbeitsplätze in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Pflege, Umweltschutz, öffentlicher Verkehr, sozialer Wohnbau usw. zu schaffen, die für eine ökosoziale Wende notwendig sind. Vollbeschäftigung pulverisiert auch das neoliberale Ammenmärchen, dass wir uns die Pensionen nicht mehr leisten können. Je höher die Beschäftigung, desto problemloser funktioniert das solidarische Umlageverfahren. Dazu einige Zahlen:

  • Aus einer Anfragebeantwortung aus dem Jahr 2012 (4) - jüngere Zahlen waren leider nicht zu finden - geht hervor, dass die gesamten fiskalischen Belastungen durch einen ganzjährig Arbeitslosen im Jahr 2011 bei 27.742 Euro lagen (sh. Tabelle im Anhang), pro Monat waren das 2.312 Euro.
  • Da in dieser Anfragebeantwortung auch eine Zeitreihe ab dem Jahr 2000 vorhanden ist, kann man das für 2020 hochrechnen (die Inflationsraten im ersten Jahrzehnt unterscheiden sich nicht maßgeblich von denen im zweiten). Dann käme man auf jährliche fiskalische Gesamtkosten eines Arbeitslosen von ca. 33.400 Euro (monatlich: 2.790,-) im Jahr 2020.
  • Gelänge es 200.000 Menschen zusätzlich in Arbeit zu bringen – also die derzeitige Arbeitslosigkeit in etwa zu halbieren (was noch nicht Vollbeschäftigung wäre) – so hieße das eine fiskalischen Plus von fast 6,7 Milliarden Euro. Allein die zusätzlichen Einnahmen der Pensionsversicherung würden rund 660 Millionen Euro jährlich betragen. Zum Vergleich: Die Kosten der Hacklerregelung lagen im Jahr heuer laut Sozialministerium bei rund 30 Mio. Euro, 2021 sollen sie bei 100 Mio. liegen (5).

Die Solidarwerkstatt Österreich unterstützt daher den Widerstand gegen die Abschaffung der Hacklerpension, z.B. die Petition der Gewerkschaft PROGE „45 Jahre sind genug!“. Auch die von uns mitveranstaltete Kundgebung am 17. November 2020 vor dem Nationalrat fordert neben der Erhöhung des Arbeitslosengeldes ganz klar: Hände weg von der Hacklerpension!

Quellen:

  1. Nähere Informationen: https://kompetenz-online.at/2019/09/26/faktencheck-nach-45-jahren-abschlagsfrei-in-pension/
  2. Friedrich August von Hayek ist einer der Säulenheiligen des Neoliberalismus. Der in Österreich geborene Ökonom war getrieben vom Hass auf Sozialstaat und Gewerkschaften. Daher unterstützten Hayek und seine „Chicago Boys“ auch den faschistischen Diktator Pinochet in Chile, der mit Terror die neoliberalen Ideen Hayeks verwirklichte.
  3. Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000054237952/schuessel-reform-der-pensionsschock-kommt-auf-jeden-fall).
  4. Quelle: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_11915/imfname_266881.pdf
  5. Quelle: https://kontrast.at/hacklerregelung-abschaffung-kurz-2021/