
Wohnen ist für alle Menschen ein dringendes Grundbedürfnis, ebenso wie Bildung, Freiheit und Gesundheitsversorgung, usw. Als Mensch in Österreich ohne großes Vermögen und mit durchschnittlichem Einkommen macht man zunehmend die ernüchternde Erfahrung, dass alle frommen Versprechen zur Deckung der Grundbedürfnisse in einem Sozialstaat keinerlei inhaltlichen Wert besitzen. Steht doch ein solcher Wunsch dem Gewinnstreben der Besitzenden und Vermögenden in der „freien Marktwirtschaft“ im Wege. Im Regierungsprogramm der ÖVP-SPÖ Koalition heißt es im Kapitel Wohnen explizit: „Wohnen muss leistbar und qualitativ hochwertig sein. Die Wohnbauförderung ist eines der wichtigen Instrumente, um die Wohnversorgung in Österreich sicherzustellen.” Wir meinen dazu, dass in der sozialen Verantwortung des Staates sein muss, eine aktive Wohnbaupolitik zu betreiben hat, um gesundes und leistbares Wohnen für alle Menschen zu ermöglichen. Diese Leistbarkeit ist in den Jahren des Neoliberalismus in weite Ferne gerückt und es ist leider keine Seltenheit mehr, dass Menschen 30, 40 ja auch bis oder über 50% Ihres Monatseinkommens für Wohnzwecke aufwenden müssen. Damit tauchen für viele Erinnerungen an die Zeit vor dem 1. Weltkrieg auf, in welcher ebenfalls die Marktkräfte frei agieren konnten und unbeschreibliches Wohnelend für alle Menschen ohne Vermögen hervorrief.
Die Besitzverhältnissen im Wohnungsbereich verschieben sich immer stärker von öffentlich zu privat. Gab es 1951 noch 1.347.907 (63,05%) Mietwohnungen und 761.021 (35,59%) Eigenheime bzw. Eigentumswohnungen, waren es 2001 nur noch 1.335.606 (40%) Mietwohnungen, die Eigentumswohnungen bzw. Eigenheime waren hingegen auf 1.625.887 (49%) angestiegen. Bis 2005 stieg die Zahl der Eigentumswohnungen von 356.559 auf 549.700 an und erreichte die Zahl der Eigentümer damit rund 57%.
Damit verschieben sich auch die Steuern und Fördermittel weg von Wohnraum für sozial notwendige kostengünstige Mietwohnungen hin zu den Besserverdienenden und Vermögenden, die in der Finanzierung individuellen Eigentums kein Problem sehen. Damit bekommt die Wohnbauförderung eine bedenkliche Schräglage zulasten der Geringverdienenden, der Alleinerziehenden, der Arbeitslosen, Teilzeitbeschäftigten und großen Familien, eigentlich aller wirklich Förderwürdigen. Die Schere zwischen dem Durchschnittseinkommen und dem Wohnungsaufwand klafft immer weiter auseinander. Seit 2000 sind die Mietpreise doppelt so rasch gestiegen wie die Lohneinkommen. Und dies nicht trotz Gemeinnützigen Wohnbaues und Wohnbauförderung, sondern auch darum.
Die Mentalität des Casinokapitalismus hat Österreich bei weitem nicht verschont, schon gar nicht, wenn es das Grundbedürfnis Wohnen betrifft. Haben Sie schon einmal Ihren Lohn- oder Gehaltszettel genau studiert? Zumeist scheint unter der Rubrik Sozialversicherungsabgaben keine detaillierte Aufschlüsselung auf. Sollte aber, denn dann würden Sie erkennen, das Sie eine Wohnbauumlage in Höhe von 0,5% Ihres Einkommens in Abzug bekommen. Diese Gelder dienen zur Förderung des öffentlichen und sozialen Wohnbaues, wobei wir schon feststellen mussten, dass hierbei eine Verschiebung zur höheren Förderung von Eigentum zulasten des öffentlichen Mietwohnbau stattgefunden hat. Zusätzlich wurde die Bindung dieser Wohnbauumlage ausschließlich für den Wohnbau aufgehoben und wird seit 2001 zweckentfremdet verwendet. Wir sprechen hier von einem Volumen, das schon 2008 1,78 Milliarden Euro betrug und ursprünglich zur Errichtung billiger Mietwohnungen von Gemeinnützigen gewidmet war. Das erklärt auch den Rückgang bei Fertigstellungen von neu errichtetem Wohnraum von 2007 mit 43.028 auf 38.063 Einheiten im Jahre 2009.
2001 wurden sämtliche öffentlichen Wohnungen der bundeseigenen Wohnungsgesellschaften aus der Gemeinnützigkeit entlassen. Bis 2004 verkauft die damalige ÖVP-FPÖ Regierung unter Kanzler Schüssel die öffentlichen Bundeswohnungen an Banken, Versicherungen und banknahe Immobilienfonds für einen Spottpreis: 62.000 Wohnungen, 5,1 Millionen Quadratmeter unbebaute Grundstücke, 400 Gewerbeimmobilien und 23.000 Parkplätze. Die BewohnerInnen durften sich bald über geschmalzene Preiserhöhungen freuen, da die Mieten nach einer Schonfrist frei vereinbart werden durften.
Im Jahr 2012 wurden ca. 7.000 bis 10.000 Wohnungen zu wenig errichtet um ein halbwegs stabiles Wohnungsangebot, zu gewährleisten. Um die Mietkosten zu drücken, müssten nicht nur mehr neue Wohnungen errichtet werden, sondern auch die Höhe der Mieten rigoros gedeckelt werden.
Folgende Fragen müssen in diesem Zusammenhang aufgeworfen werden:
1. Das Thema Wohnen beinhaltet nicht nur die Miete; es muss hinterfragt werden, warum die Miete nach dem Ab- und Ausbezahlen aller Darlehen und Förderungen, meistens nach 30-jähriger Laufzeit bzw. Nutzungsdauer der Wohnung, nicht gesenkt wird, sondern in voller Höhe weiter kassiert oder sogar erhöht werden darf. Das Gebäude oder die Wohnung ist abbezahlt, was wird dadurch weiterhin bezahlt? Die oft geäußerte Erklärung, eine sog. Mietzinsrückstellung für einen Zeitraum von fünf Jahren wird zur Sanierung einbehalten, mündet sehr oft in Untätigkeit. Wohin mündet die kassierte Miete?
2. Warum für ein Gebäude, das nach 40-jährigem bzw. max. 50 jährigem Bestand in der Buchhaltung auf einem Euro abgeschrieben worden ist, trotzdem hohe Mieten verlangt werden? Warum wird für abgeschrieben Gebäude grundsätzlich keine Mietobergrenze eingezogen. Die meisten Mieter renovieren die gemieteten vier Wänden selbst. Doch auch Sanierungen rechtfertigen den hohen Mietzins auf Jahrzehnte hinweg nicht.
3. Warum weisen gemeinnützige Wohnbauträger in ihren Jahresbilanzen unerhört hohe Rücklagen aus, nicht nur an Baulandreserven, sondern an diversen Vermögen auch in Veranlagungen und Barvermögen. Sind solche gemeinnützigen Wohnbauträger nicht für die Errichtung von billigem Wohnraum zuständig, oder sind es gemeine und eigennützige Sparvereine, nur für wen?
4. Warum gibt es statt des erniedrigenden bürokratischen Prozederes des jährlichen Ansuchens um Wohnbeihilfe und Wohnzuschüsse nicht ein ausreichendes Angebot an billigem Wohnraum – durch niedrige Mietzinsobergrenzen und kräftige öffentliche Förderung des Mietwohnbaues?
5. Warum ist es bei als Bauland gewidmeten Flächen für die Landwirtschaft möglich, über lange Zeiträume hinweg, diese Baulandwidmung steuerschonend ruhend zu stellen, indem jenes in Bauerwartungsland umgewidmet werden kann? Wird hier steuerschonend Spekulation zulasten hoher Grundstückspreise und späterer Wuchermieten betrieben?
Rudolf Schober
Siehe dazu auch den Beitrag in Werkstatt-Radio zum Thema Wohnen auf Radio FRO. Hier zum Nachhören http://cba.fro.at/109591