Die EU startet eine Offensive zur Privatisierung der Pensionen. Wir bringen die Erklärung der Europäischen Koordination “Raus aus dem Euro” über die Verordnung zu einem „Europaweiten privaten Altersvorsorgeprodukt“ (PEPP).

Am 4. April hat das Europäische Parlament einen Verordnungsentwurf beschlossen, der zu einer homogenen Gesetzgebung in den Mitgliedsstaaten führen soll, ein europaweites Altersvorsorgeprodukt einzuführen (PEPP, Pan-European Personal Pension Product). Dies passierte ohne öffentliche Debatte, ohne dass die wichtigsten Parteien dies je in ihren Wahlprogrammen angekündigt hätten und nur wenige Wochen vor den Neuwahlen dieses Scheinparlaments. Es ist ganz offensichtlich ein Manöver auf dem Rücken der Menschen, die man vorgibt zu vertreten, und unter dem Druck der Lobbys, die in den EU-Institutionen das tatsächliche Sagen haben. In einer überstürzten Abstimmung wurde die Initiative von der großen Mehrheit der Parlamentarier angenommen (Volkspartei und Liberale) bzw. ihre Annahme durch Stimmenthaltung ermöglicht (Sozialdemokraten).

PEPP: Druckmittel für Pensionsprivatisierung

Die Verordnung war ganz klar ein Vorschlag aus dem Finanzsektor, der mit der willfährige Unterstützung der Europäischen Kommission und des Rates rechnen konnte. Darin konzentrieren sich alle marktliberalen Konzepte in Sachen Pensionen, die man vorherrschend in den Institutionen der Union und der Mehrheit der Regierungen in den Mitgliedsstaaten findet. Und dies, ohne dass die EU Kompetenzen in der Pensionspolitik hätte, da es keine gemeinschaftliche Sozialpolitik gibt und die Mitgliedsstaaten untereinander in Wettbewerb treten sollen, um diese nach unten anzupassen. Es handelt sich bei der Verordnung um einen weiteren Schritt jener Kräfte, die das System der öffentlichen Pensionsvorsorge untergraben wollen, indem sie nun eine paneuropäische Gesetzgebung für private Pensionen vorantreiben. Die Verordnung ist eine explizite Erklärung zugunsten der privaten Vorsorge und ein Druckmittel auf die Regierungen in den Mitgliedsstaaten, um Anreize und Erleichterungen für private Pensionsvorsorgepläne zu schaffen, zu Lasten der öffentlich finanzierten Systeme.

Das zentrale Argument der Gesetzgeber ist, dass sich die arbeitende Bevölkerung im Verhältnis zur Bevölkerung im Pensionsalter verringert. Es handelt sich dabei jedoch um voreingenommene und unpräzise Schätzungen, die entscheidende Faktoren nicht berücksichtigen, wie etwa die Migration, das zunehmend spätere Pensionsantrittsalter, die Möglichkeiten einer geburtenfördernden Politik, und vor allem nicht – ein zentraler Aspekt – einer aktiven Arbeitsmarktpolitik. Es nützt gar nichts, eine größere arbeitsfähige Bevölkerung zu haben, um die Nachhaltigkeit der öffentlichen Pensionsfinanzierung zu sichern, wenn diese keine Arbeit findet oder nur prekär beschäftigt ist, ohne Chance auf einen würdige Vollzeitjob.

EU-Politik: Sozialstaat abbauen, um Finanzsektor zu fördern

Mit dem Beschluss des PEPP hat sich die EU zum Fürsprecher von zwei Interessensgruppen gemacht. Einerseits der Unternehmer, die immer widerwilliger ihren Beitrag zu den öffentlichen Pensionssystemen leisten. Andererseits des Finanzsektors, der die öffentlichen Systeme als Konkurrenz sieht und im PEPP ein hervorragendes Geschäft wittert. Alle Argumente der EU-Kommission laufen darauf hinaus, das Pensionsantrittsalter zu erhöhen und den Anteil der Pensionen im Verhältnis zu den Lohneinkommen der aktiven Bevölkerung zu senken.

Bei letzterem geht es im Grunde um die Reduktion der Pensionskosten in den öffentlichen Haushalten, einer grundlegenden Säule des Sozialstaates. Es wird davon ausgegangen, dass die Sicherung einer würdigen Altersvorsorge nicht mehr leistbar sei. Man will von dem wesentlichen Grundsatz der gemeinsamen Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern wegkommen. In diesem Zusammenhang ist es nicht verwunderlich, dass in Sachen „paneuropäischer Privatpension“ die Unternehmer nicht mehr genötigt sein würden, irgendeine Form des obligatorischen Beitrags zu leisten, der jenen ihrer Beschäftigten ergänzt.

Die Verordnung sagt es in ihrer Begründung ganz deutlich, wem sie dient. Es geht nicht darum, ein soziales Recht abzusichern, sondern das Ziel des Gesetzgebers ist es, dass das Geld, welches über ein privates Pensionsprodukt akkumuliert wird, zu Investitionskapital wird. Wie im Aktionsplan der Kommission für einen einheitlichen Finanzmarkt vom September 2015 vorgesehen, könnte „ein europäisches Produkt der privaten Altersvorsorge mit der Möglichkeit zum ‚opt in‘ ein auf einem angemessenen Verbraucherschutz basierendes Regulierungsmodell darstellen, dessen sich Altersvorsorgeanbieter beim EU-weiten Vertrieb von Produkten bedienen könnten.“ (COM (2017) 343 final).

Die Anbieter von Privatpensionen streben an, langfristige Finanzinvestitionen zu tätigen, die mit großen Risiken behaftet sind. Die Verordnung sieht vor „auf der Angebotsseite (…) es einem breiteren Spektrum von Anbietern (Banken, Versicherungsträgern, Vermögensverwaltern, betrieblichen Pensionsfonds, Investmentfirmen) [zu] ermöglichen, das PEPP anzubieten, und dabei gleiche Wettbewerbsbedingungen [zu] gewährleisten. Das PEPP könnte samt der Beratung Online angeboten werden und würde kein Filialnetz erfordern, was den Marktzugang vereinfachen würde. Dank eines Produktpasses könnten Anbieter in neue nationale Märkte eintreten. Die Standardisierung der Eckpunkte sollte zudem die Kosten für die Anbieter senken und es ihnen ermöglichen, Beiträge aus verschiedenen nationalen Märkten zu bündeln und Mittel in EU-weite Investitionen zu kanalisieren.“ (COM (2017) 343 final)

Die Pläne hinsichtlich der Privatpensionen sehen dazu auch vor, dass die Verwalter des Kapitals aus den Pensionsmitteln einen bestimmten Prozentsatz erhalten sollen. Also ein wirklich rundes Geschäft für die Anbieter. Sie übernehmen kein Risiko für ihre Investitionspläne und kassieren für ihre Serviceleistung aus einer Masse an Geld, das die Kommission dem einheitlichen europäischen Kapitalmarkt zuführen möchte, um damit ihre immer instabilere Währung zu stabilisieren.

Jenseits der Vorwände der EU ist die Wirklichkeit eine andere. Die jüngere Geschichte zeigt das Schicksal von Privatpensionen in Zeiten von Wirtschafts- und Finanzkrisen. Besonders die Beispiele aus Argentinien und Chile sind himmelschreiend. Die EU will ganz offensichtlich das öffentliche Pensionssystem weiter zurückfahren, damit die Haushalte der Mitgliedsstaaten entlastet und die Sozialbeiträge der Unternehmen gesenkt werden. Dafür schiebt man das Argument vor, dass das öffentliche Pensionssystem nicht mehr leistbar sei. Man sollte sich vor diesem Hintergrund fragen, ob ein Wirtschaftssystem, das für sein Überleben die öffentlichen Pensionen kürzen muss, noch tragbar ist.

Austeritätspolitik beeenden! Widerstand gegen EU-Pensionspläne!

Was das Pensionssystem tatsächlich unter Druck bringt, ist die Senkung der Arbeitgeberbeiträge einerseits, andererseits die niedrigen Löhne der Arbeiter, die einer brutalen inneren Abwertung unterworfen sind, wodurch ihre Beiträge sinken, sowie auch die hohe Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung. All das ist nur umkehrbar, wenn die Austeritätspolitik der EU und der EZB beendet werden.

Das Projekt der EU-Kommission geht aber noch darüber hinaus. Die PEPP-Verordnung öffnet der Privatisierung des öffentlichen Pensionssystems Tür und Tor. Das hat noch einen ganz anderen Hintergrund als die Rhetorik in dem Gesetzestext vorgibt. Da sich eine neue Wirtschaftskrise ankündigt, fürchtet das Finanzkapital, dass die Staaten, die aufgrund der Bankenrettung während der Krise 2008 heute hoch verschuldet sind, keine Mittel für eine neuerliche Rettung zu Verfügung stellen werden. Demnach sucht der Finanzsektor nach neuen Geldquellen bei den Staaten, die ja bereits jetzt über kaum mehr öffentliche Unternehmen verfügen und keine finanziellen Spielräume haben. Die teilweise oder gänzliche Abtretung der öffentlichen Pensionen kann für das Finanzkapital im Falle einer Krise eine neue Sauerstoffzufuhr bedeuten. Dieser Privatisierung der Pensionen wird durch die neue Verordnung im Vorfeld einer kommenden Krise ein Fenster geöffnet.

Die Europäische Koordination gegen den Euro ruft zum Protest gegen diese skandalöse Verordnung der EU auf, die in völliger Unkenntnis der Öffentlichkeit beschlossen wurde (außer in Ländern mit einer starken Bewegung der Pensionisten wie in Spanien), einer Öffentlichkeit die sich nicht über die weitgehende Untergrabung ihrer Rechte im Klaren ist. Dem Finanzsektor und den europäischen Oligarchien sei ganz klar gesagt, dass wir keinerlei Schulden und keines ihrer Rechte anerkennen, das sie in Zukunft von dieser illegitimen, gegen die Bevölkerung gerichteten und sozial unrechten Gesetzgebung abzuleiten gedenken.

Rom, 14, April 2019

Übersetzung aus dem Spanischen, Gernot Bodner, Personenkomitee Selbstbestimmtes Österreich

Siehe dazu auch:
Pensionen: "Das Privatisierungsexperiment ist gescheitert"