Die Regierung will hunderte Millionen bei der Unfallversicherung kürzen und zugleich hunderte Millionen in den Kauf neuer Militärhubschrauber investieren. Was haben diese beiden Entscheidungen miteinander zu tun?

Wir erleben innerhalb kurzer Zeit zwei wichtige Entscheidungen der türkis-blauen Regierung: Bei der Unfallversicherung soll um 430 Milliarden gekürzt werden. Und: Für das Bundesheer sollen 15 neue Militärhubschrauber angekauft werden. Über die Kosten des „Sonderinvestitionsbudgets“ für die Aufrüstung will man noch nicht ganz offen reden: „Ein höherer dreistelliger Millionenbetrag“ sei es, verlautbart das Verteidigungsministerium wortkarg. Was bei der Gesundheit gekürzt wird, landet also auf den Konten der Rüstungskonzerne Airbus und Sikorsky.

Gesellschaften, die von großer Ungleichheit gekennzeichnet sind, bringen immer wieder diese gleichzeitige Dynamik von Aufrüstung und Sozialabbau hervor. Je stärker die sozialen Klüfte, desto mehr setzen die Mächtigen auf die Militarisierung nach innen und außen. Und je mehr Geld in diese Militarisierung fließt, desto weniger steht für Soziales und Gesundheit zur Verfügung. Ein ebenso fataler wie empörender Teufelskreis, der sich schon oft wiederholt hat. Was in der EU jedoch einzigartig ist: Sie hat dieses Teufelskreis von Aufrüstung und Sozialabbau per Verfassung (EU-Primärrecht) rechtlich und politisch einzementiert:

EU-Fiskalpakt erzwingt Sozialabbau

Auf der einen Seite zwingt der EU-Fiskalpakt alle EU-Staaten zu einer fortwährenden antisozialen Spar- und Kürzungspolitik. Um das durchzusetzen, stattet dieser Vertrag die EU-Technokratie mit einer großen Machtfülle aus, um die nationalen Parlamente in der Budgetpolitik zu entmündigen. Der Ökonom Stephan Schulmeister hat prognostiziert, dass der EU-Fiskalpakt dazu führen werde, „die Budgethoheit auf die EU-Kommission übergehen zu lassen“ und „den Sozialstaat zu strangulieren.“ Sein Fazit: „Mit dem EU-Fiskalpakt haben christ- und sozialdemokratische Politiker ihre Selbstentmündigung rechtlich abgesichert." ( Die Presse, 13.5.2016). Mittlerweile liegt dieses Selbstentmündigungsregime in türkis-blauen Händen.

EU-Vertrag und EU-SSZ verpflichten zur Aufrüstung

Auf der anderen Seite verpflichtet der EU-Vertrag von Lissabon (2009) ausdrücklich alle EU-Staaten „schrittweise ihre militärischen Fähigkeiten zu verbessern“ (Artikel 42, Abs. 3, EUV). Diese Aufrüstungspflicht wurde ab 2017 mit der „Ständig Strukturierten Zusammenarbeit“ (EU-SSZ/Pesco) vertieft und konkretisiert: Alle EU-SSZ Staaten müssen sich dazu verpflichten, ihre Militärhaushalte permanent zu erhöhen. Mittelfristig läuft das darauf hinaus, dass die EU-SSZ-Mitglieder zumindest 2% des BIP für das Militär berappen müssen. Für Österreich bedeutet das eine Verdreifachung der Militärausgaben. Hunderte Millionen für neue Militärhubschrauber sind dafür bloß eine Ouvertüre.

"Kampfhubschrauber statt Spitäler"

Während also der Fiskalpakt die EU-Staaten zum Kürzen bei Sozialem zwingt, verpflichtet EU-Primärrecht und EU-SSZ darauf, ständig mehr Geld für Rüstung und Kriegsvorbereitung auszugeben. Rüstung rauf – Soziales runter – das ist nicht unbedingt populär. Das weiß auch das EU-Establishment. Mittels der Einrichtung eines EU-Rüstungsamtes (verschämt als „Verteidigungsagentur“ bezeichnet) hat man deshalb eine eigene Institution geschaffen, die den EU-Staaten auf die Fingern schaut bzw. ihnen gegebenenfalls darauf klopft, wenn zu wenig Rüstungselan an den Tag gelegt wird. Der damalige Chef dieses EU-Rüstungsamtes Nick Withney hat das einmal in schonungslosem Zynismus auf den Punkt gebracht: "Wenige Parlamentsabgeordnete wollen vor ihrer Wählerschaft begründen, warum deren Steuern für Kampfhubschrauber statt für das lokale Spital verwendet werden sollen ... Militärische Operationen kosten Geld und riskieren Menschenleben. ... Nur ein eiserner politischer Wille, untermauert von klarem Zielbewusstsein, kann dafür sorgen, dass sich diese strategische Orientierung gegen kurzfristige Unannehmlichkeiten durchsetzt." (1)

Witney hat das 2008 gesagt – und beschreibt damit nahezu hellseherisch, was wir derzeit in Österreich erleben. Wenn wir aus dieser ebenso fatalen wie empörenden Dynamik von Aufrüstung und Sozialabbau ausbrechen wollen, müssen wir auch aus den EU-Verträgen ausbrechen, die uns mit einem „eisernen politischen Willen“ in diesem gefährlichen Teufelskreis festzurren wollen.

Gerald Oberansmayr
(September 2018)

Hinweis: Zu diesen Themen gibt es zwei wichtige Petitione - bitte unterstützen:
"Ja zur Neutralität - Nein zur EU-SSZ!" hier online unterstützen
"Weg mit dem Deckel - Gesundheit für alle statt Zwei-Klassen-Medizin!" hier online unterstützen.

Wir schicken auch gerne Informationsmaterial und Unterschriftenlisten zu diesen beiden Petitionen in Print zu. Bestellung an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Quellen:
(1) Witney, Nick (2008); Re-energising Europe`s Security and Defence Policy, Policy Paper im Auftrag des European Council on Foreign Relations, Juli 2008