Anfang Oktober wollte der niederösterreichische Landtag eine Novelle zur bedarfsorientierten Mindestsicherung beschließen. Aufgrund heftiger Kritik von Hilfsorganisationen und Arbeiterkammer kam es vorläufig nicht dazu. Die Gesetzesvorlage hätte eine „Verbesserung“ von rund 12 Euro gebracht und gleichzeitig den Bruch der Bund-Länder-Vereinbarung zur Mindestsicherung weiter festgeschrieben.
Obwohl die Artikel 15a B-VG Vereinbarung zur BMS zweifelsfrei vorsieht, dass die Familienbeihilfe bei der Berechnung nicht als Einkommen berücksichtigt werden darf, wird die erhöhte Familienbeihilfe in Oberösterreich, Niederösterreich und Kärnten auf die bedarfsorientierte Mindestsicherung angerechnet. Die erhöhte Familienbeihilfe beträgt 138,30 Euro pro Monat und wird zusätzlich zur FB ausbezahlt. Laut Bundessozialamt wird die erhöhte FB nur gewährt, wenn der Grad der Behinderung mindestens 50 Prozent beträgt oder der Betroffene aufgrund seines „Leidens oder Gebrechens“ dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Um die erhöhte Familienbeihilfe zu bekommen, muss die Behinderung vor dem 25. Lebensjahr eingetreten sein.
Dieser Anspruch wird durch eine amtsärztliche Untersuchung festgestellt und trägt dem Umstand Rechnung, dass man als Bezieher dieser Sozialleistung höhere Ausgaben für den Lebensunterhalt hat. Therapien, orthopädische Hilfsmittel, soziale Dienste, Unterstützung im Haushalt und vieles mehr verursachen erhebliche Kosten.
Von der nicht rechtmäßigen Reduzierung der Landesleistungen in OÖ, NÖ und Kärnten sind vor allem jene Menschen betroffen, die trotz gesundheitlicher Erschwernisse ein selbständiges Leben führen wollen.
„Die Kürzung der Mindestsicherung trifft ausschließlich Personen, bei denen es sich jetzt schon hinten und vorne nicht ausgeht: Menschen mit schweren Beeinträchtigungen, die deshalb kein Erwerbseinkommen erzielen können. Personen, die chronisch krank sind und deren Gesundheitszustand sich in der Regel nicht verbessert, sondern maximal stabil gehalten werden kann. Menschen, deren Situation – ohne die entsprechende Unterstützung in gesundheitlichen Belangen – sich rasch weiter verschlechtert.“ (Zitat: Armutskonferenz). Unverständlich ist in diesem Zusammenhang, dass nur die Vertragspartner (Bund und Länder), nicht aber die davon betroffenen Menschen diesen Verstoß gegen die 15a-Vereinbarung geltend machen können.
VertretungsNetz, ein Verein für Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft und Bewohnervertretung, legte aus diesem Grund in vier Musterfällen Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ein. Dieser stellte bisher in zwei Fällen eine gleichheitswidrige Behandlung der Personen fest. Trotzdem ändern die betroffenen Bundesländer ihre diskriminierende Praxis nicht. Viele Organisationen verlangen (teilweise schon seit längerer Zeit) ein gesetzliches Verbot, die erhöhte Familienbeihilfe auf Landesleistungen anzurechnen.
Das Sozialministerium kündigte nun laut Ö1-Journal an, bei der Verlängerung der 15a-Verträge 2014 dafür zu sorgen, dass die einzelnen Länder die Regelungen rechtlich nicht mehr umgehen können.
Zusätzlich fordert die Solidar-Werkstatt die Landtagsabgeordneten von Oberösterreich, Niederösterreich und Kärnten dazu auf, sich schon jetzt dafür einzusetzen, dass die Bund-Länder-Vereinbarung zur Mindestsicherung umgehend eingehalten wird!
Susanne Müller
(Quellen: Armutskonferenz, VertretungsNetz, Standard, OÖN)