ImageWir bringen hier den Redebeitrag von Heinz Zauner (ARGE Obdachlose) bei der Demonstration "Hände weg von der Mindestsicherung" am 2. März 2016 in Linz.

 

Wir vom Verein Arge für Obdachlose betreiben 5 Integrationsprojekte für Menschen in akuter Wohnungsnot. Anhand einiger Fakten aus unserer täglichen Praxis möchte ich in fünf Punkten die Situation von Mindestsicherungsbeziehern beschreiben.

1.    Die schlechteste Einkommenssituation sehen wir bei den 280 Frauen und natürlich auch deren Kindern die im letzten Jahr in unsere Frauenberatung Arge Sie kamen. 45 Prozent ihres Einkommens müssen die Frauen für Wohnen ausgeben. Bei den Wohnbauträgern bekommt man aber nur eine Wohnung wenn, die Kosten maximal 30 Prozent des Einkommens ausmachen. Die Mindestsicherung ist meist nur einer von mehreren Einkommensteilen das aus Arbeit, Familienbeihilfe, Unterhalt, Kindergeld etc. bestehen kann. Und um alle diese Einkommensteile müssen die Frauen kämpfen. Nach dem Mindestsicherungsgesetz würden etwa Alleinerzieherinnen mit drei Kindern einen Anspruch von 1.501 Euro haben, also genau an der beabsichtigten Kürzungsgrenze liegen. Tatsächlich erhalten laut Faktencheck der Armutskonferenz diese Frauen in Oberösterreich im Schnitt nur 537 Euro Mindestsicherung, da diese ja eine Aufzahlung auf andere Einkommensteile ist, also gerade einmal ein gutes Drittel vom maximalen Anspruch. Faktum ist also dass eine existenzsichernde Mindestsicherung eigentlich schon jetzt eigentlich bedeutend höher sein müsste. Von Kürzungen ist also absolut abzuraten. 

2.    Weil ich schon von den Wohnkosten gesprochen habe möchte ich als zweiten Punkt die Lebenshaltungskosten ansprechen. Die aktuelle Sozialschmarotzerdebatte wurde unter anderem durch die vollkommen unrichtige Aussage von ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka befeuert, in Oberösterreich würden hunderte Fälle mehr als 2.000 Euro im Monat Mindestsicherung erhalten. Ein Beispiel: Nehmen wir ein Paar mit zwei Kindern. Dieses würde, wenn es daneben keine sonstigen Einkommen hat, über einen Anspruch von 1.660 Euro Mindestsicherung verfügen. Die Armutskonferenz hat unter Einbeziehung der Schuldnerberatung ein Referenzbudget erarbeitet. Das heißt, welche Kosten in einer derartigen Familie durch Wohnen, Essen, Kleidung und andere elementare Bedürfnisse  anfallen. Ein Auto ist bei diesen Kosten nicht enthalten. Die Experten kommen auf Lebenshaltungskosten von 3.368 Euro im Monat. Das ist also doppelt so viel, als die Familie in Oberösterreich maximal Mindestsicherung erhalten könnte. Selbst wenn man die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag noch dazurechnet  kommt man auf ein Einkommen von unter 2.000 Euro.  Das ist ein Loch von beinahe 1.400 Euro. Das Beispiel zeigt, dass Familien unter Mindestsicherungsbedingungen in bitterer Armut leben müssen. Von einer sozialen Hängematte kann also wirklich keine Rede sein.

3.    Nur Kurz zu der Kürzung der Mindestsicherung für Asylwerber, denn da kommen nach mir noch berufenere Redner. Von 320 Euro im Monat kann in Österreich kein Mensch leben, auch wenn die eine oder andere Sachleistungen noch dazukommen sollte. Bei der Straßenzeitung Kupfermuckn erleben wir schon vor den Kürzungen einen Andrang an Asylwerbern und Menschen mit Migrationshintergrund  der die Beschäftigungsmöglichkeiten um ein Vielfaches übersteigt. Positiv ist, dass diese Menschen ja alle arbeiten wollen, problematisch ist, dass sie schon jetzt mit ihrem Einkommen nicht auskommen können. Sollte aber die Kürzung auf 320 für Menschen nach der Grundversorgung kommen, dann sind - wie ich von Hilfsorganisationen hörte - etwa 5.000 Menschen akut von Obdachlosigkeit bedroht. Die Folgen können sie sich ja ausmalen.

4.    Mein vierter Punkt dreht sich um den grundsätzlichen Zugang zur Mindestsicherung. Sozialforscher wie Nikolaus Dimmel und Christian Stark haben mehrfach kritisiert, dass die nicht-Inanspruchnahme der Mindestsicherung, auf die ja ein Rechtsanspruch besteht, sehr hoch ist. Es ist meist die Verschämtheit in Notsituationen um Hilfe zu bitten, die Menschen vom Gang zum Sozialamt abhält. Professor Stark spricht aber in diesem Zusammenhang auch von einer „Verschuldungsvermutung“. Nämlich davon, dass Hilfesuchende auf Ämtern oft das Gefühl hätten, man würde ihnen von vorneherein unterstellen, dass sie nicht arbeitswillig oder bedürftig wären. Die „Unschuldsvermutung“ gilt also scheinbar erst ab einem gewissen sozialen Status. Alleine in unseren beiden Beschäftigungsprojekten der Kupfermuckn und dem Arge Trödlerladen, gaben im letzten Jahr 98 Personen an, dass sie neben diesem Zuverdienst über keinerlei Einkommen verfügen, also durch alle sozialen Sicherungssysteme fallen.

5.    Zum Schluss noch einmal zu den geplanten „Höhen“ der Mindestsicherung. Dass man mit 320 Euro im Monat nicht leben kann brauche ich nicht extra auszuführen. Die Mindestsicherungsgrenze von 1.500 für Familien betrifft wirklich nur einen sehr geringen Anteil der Mindestsicherungsbezieher, hier wird man also keine nennenswerten budgetären Einsparungen erzielen können. Diejenigen die sie aber in einer Höhe über 1.500 Euro brauchen, müssen auch heute weit unter der Armutsgrenze leben. Das Schlimmste dabei ist, dass die Leidtragenden großteils Kinder sind. In der Straßenzeitung Kupfermuckn schrieb eine 57 jährige Mindestsicherungsbezieherin, die zwei Kinder alleine großzog über ihr Leben am Existenzminimum. Als sie irgendwann auch ihren Job verlor machte sie über das AMS eine Ausbildung als Kindergartenhelferin, aber sie fand nur mehr prekäre Jobs, bis sie schließlich schwerkrank ganz unten in der Mindestsicherung landete. Abschließend meint sie in ihrem Artikel:

„Ich brauche keinen Flatscreen-Fernseher oder irgendwelche anderen Luxusartikel. Als Betroffene habe ich nur einen Wunsch: Endlich einmal frei von Angst leben, und die Gewissheit haben, dass ich im nächsten Monat noch alle Rechnungen bezahlen kann, ohne hungern zu müssen. Ist das zu viel verlangt?“

Danke!