Die Zahl derjenigen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, hat sich innerhalb eines Jahrzehnts mehr als verelffacht! Die Coronapandemie hat die Langzeitarbeitslosigkeit verschärft, doch in erster Linie sticht der Zusammenhang mit der EU-Austeritätspolitik hervor. Bei der Aktionskonferenz „Arbeitslosengeld rauf!“ am 6. März soll darüber diskutiert werden, wie eine Bündelung der Kräfte für eine sofortige und dauerhafte Anhebung des Arbeitslosengeldes gelingen kann.

Coronapandemie und der damit zusammenhängende Wirtschaftseinbruch haben zu einer Rekordarbeitslosigkeit geführt. Über eine halbe Million Menschen sind derzeit in Österreich arbeitslos. Schaut man sich die Entwicklung des gesamten Jahrzehnts 2011 bis 2020 an, so sieht man, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit nicht erst mit der Coronapandemie beginnt, sondern – mit gewissen Schwankungen – dauerhaft nach oben geht (sh. Grafik). Insbesondere die Langzeitarbeitslosigkeit explodierte regelrecht. Im Zeitraum 2011 bis 2020 hat die Zahl aller Arbeitslosen um 51 Prozent zugenommen, die Zahl derjenigen, die länger als ein halbes Jahr arbeitslos sind um 341 Prozent, die Zahl der länger als ein Jahr Arbeitslosen um 1.164 Prozent!

In absoluten Zahlen bedeutet das, dass 2020 knapp 139.000 Menschen länger als ein halbes Jahr, und fast 62.000 länger als ein Jahr arbeitslos waren. Bei einer dürftigen Nettoersatzrate von 55% bedeutet das für Langzeitarbeitslose zum größten Teil einen Absturz in die Armut. Kein Wunder daher, dass in einer Umfrage 8 von 10 Arbeitslosen angeben, dass sie vom Arbeitslosengeld nicht leben können.

„Neoliberale Glaubensvorstellungen“ und EU-Fiskalpakt

Wer diesen rapiden Anstieg der Arbeitslosigkeit auf die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise zurückführt, liegt nur bedingt richtig. Der dauerhafte Anstieg der Arbeitslosigkeit hängt vielmehr damit zusammen, wie auf diese Wirtschafts- und Finanzkrise reagiert wurde: mit einer verschärften Austeritätspolitik – als dem Kürzen öffentlicher Budgets. Der renommierte Ökonom Stephan Schulmeister dazu:

„In Europa hängt man viel mehr den neoliberalen Glaubensvorstellungen an, dass man den Handlungsspielraum des Staates einschränken muss. Das fing mit den Maastricht-Kriterien und den Budgetregeln 1992 an und geht bis zum EU-Fiskalpakt.“ (Quelle: www.kontrast.at)

Durch den EU-Fiskalpakt im Jahr 2012 erhielt die EU-Kommission die rechtlichen Möglichkeiten, unter Androhung von Sanktionen eine rigide Kürzungspolitik durchzusetzen. So wurde Österreich erst ab dem Zeitpunkt von der EU-Kommission aus dem Defizitverfahren erst entlassen, als eine „Deckelung“ der Gesundheitsausgaben beschlossen wurde. Die dadurch verursachten Kürzungen im Gesundheits- und Pflegebereich haben sich gerade in der Coronapandemie als fatal erwiesen.

„Ungerecht und ökonomisch absolut unsinnig“

Gerade angesichts der tiefen wirtschaftlichen Rezession braucht es nun nachfragestärkende Maßnahmen, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Neben einer ökosozialen Investitionsoffensive zählt dazu auch eine rasche Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Das wäre nicht nur eine wirksame Maßnahme zur Armutsbekämpfung, sondern auch zur wirtschaftlichen Belebung. Stephan Schulmeister:

„Die österreichische Geldspritzenpolitik schaut so aus, dass diejenigen, die größere Vermögen haben, viel mehr bekommen als diejenigen, denen es schlecht geht. Man muss nur schauen, wie viele Milliarden für die Unternehmen ausgegeben werden, wie viele Milliarden für die Angestellten, die noch nicht arbeitslos sind, sondern in Kurzarbeit – und wie wenig für die Arbeitslosen. Aber die sind am meisten betroffen. 115.000 Menschen sind in der Corona-Krise arbeitslos geworden, das sind fast ausschließlich Arbeiterinnen und Arbeiter, das wird viel zu wenig gesehen. Die Zahl der Angestellten, die arbeitslos geworden sind, ist vernachlässigbar. Bei denen greift die Kurzarbeit gut. Und das macht ein doppeltes Problem: Arbeiter verdienen an sich schon weniger als Angestellte. Jetzt werden aber fast nur Arbeiter arbeitslos und fallen auf 55 Prozent ihres Letzteinkommens zurück, während Angestellte 80 bis 90 Prozent bekommen. Das ist ungerecht und ökonomisch absolut unsinnig. Dadurch zerstört man Kaufkraft, die in Österreich ausgegeben werden könnte. Arbeitslose würden ja keinen französischen Wein importieren, sie würden etwas besseres Essen kaufen – das käme der österreichischen Wirtschaft zugute.“

Aktionskonferenz „Arbeitslosengeld rauf!“ am 6. März

Die Anhebung des Arbeitslosengeldes ist sozial- und wirtschaftspolitisch sinnvoll. Dieser sinnvollen Maßnahmen stehen allerdings bornierte Interessen im Weg, denen es darum geht, mit Hilfe hoher Arbeitslosigkeit und niedriger Arbeitslosenunterstützung Lohndumping zu betreiben und einen Niedriglohnsektor auszuweiten. Diese bornierten Interessen sind bekanntlich mit der derzeitigen Regierung eng verbandelt. Wir müssen daher großen politischen Druck entwickeln, um die Erhöhung des Arbeitslosengeldes durchzusetzen.

Um dafür alle Kräfte zu bündeln, findet am Samstag, 6. März in Wien die Aktionskonferenz „Arbeitslosengeld rauf!“ statt, bei der unter anderem über die Einleitung eines Volksbegehrens entschieden werden soll. Die Einladenden zu dieser Aktionskonferenz sind ein Kreis von mittlerweile über 70 ProponentInnen, die aus Betriebsräten, Wissenschaft, Arbeitslosen- und anderen Initiativen der Zivilgesellschaft kommen. Alle Interessierten sind herzlich dazu eingeladen.