ImageNorbert Bauer, stv. Vorsitzender der FCG-Vida spricht sich gegen die Kürzung der Mindestsicherung aus und fordert die FCG-Führung auf, die KollegInnen in OÖ bei ihrem Kampf gegen die Kürzung der Mindestsicherung zu unterstützen.






Norbert Bauer
Stv. Vorsitzender der FCG-Vida u. Betriebsratsvorsitzender 

An den
Bundesvorstand d. FCG


Wien, 11. 4.2016

Werte KollegInnen,

leider ist mir erst mit Übermittlung der Unterlagen zu unserer letzten Bundesvorstandssitzung bzw. den medialen Berichten zur Resolution des ÖGB-Bundesvorstands deutlich geworden, dass ich Positionen und Stimmverhalten der FCG in dieser Frage nicht teilen kann. Ich ersuche daher dringend um eine neuerliche inhaltliche Debatte in diesen Fragen und sehe mich auch gezwungen meine abweichende persönliche Meinung bis zu einer neuerlichen, unseren christlichen Grundwerten entsprechenden, Positionsfindung öffentlich zu kommunizieren.

Mein Hauptkritikpunkt ist die Forderung, wonach die Mindestsicherung erst nach drei Jahren Beschäftigung bzw. Selbständigkeit in Österreich gewährt werden soll. Die Verknüpfung der Anspruchsberechtigung auf Mindestsicherung mit der Bedingung, dass mindestens 3 Jahre Sozialversicherungsbeiträge geleistet wurden, widerspricht dem Grundgedanken der Mindestsicherung. Wie ihr Name schon sagt, soll sie eben dazu beitragen, dass Menschen, die noch keine sonstigen Ansprüche auf Leistungen aus dem Sozialsystem erworben haben, nicht in völlige Existenzarmut gestoßen werden. Es ist nicht argumentierbar, dass Ansprüche auf Versicherungsleistungen, wie das Arbeitslosengeld oder die Notstandshilfe bereits viel früher erworben werden, als der Anspruch auf Mindestsicherung. Würde man diese Forderung tatsächlich so umsetzen, würden tausende junge Menschen oder etwa Geschiedene, die mangels an Arbeitsplätzen noch keine Gelegenheit hatten ins Sozialsystem einzuzahlen, aus dem Begünstigtenkreis ausgeschlossen. Beschränkt man die Forderung auf Asylberechtigte bewegen wir uns im Fahrwasser der rechtsextremen FPÖ, die schon länger immer wieder ein Zweiklassen-Sozialsystem fordert.

Mit der Forderung, den so Ausgeschlossenen eine "Integrationsunterstützung", die an "bestimmte Integrationsleistungen geknüpft" ist, übernehmen wir in Wahrheit - bloß mit etwas anderen Worten - die Konzepte der oberösterreichischen Landesregierung, bei denen höchst fraglich ist, ob sie überhaupt verfassungskonform sind. Der Bezug der Mindestsicherung ist bereits jetzt an einige Voraussetzungen geknüpft, u. a. die Bereitschaft eine Arbeit aufzunehmen. Es gibt keinen Grund sie ständig mit neuen Bedingungen zu verknüpfen. Ebenso erachte ich die Verbindung der Gewährung von Mindestsicherung mit der "Einhaltung der Grund- und Freiheitsrechte"  irreführend, weil Grund- und Freiheitsrechte zuvorderst Rechte sind, die der Staat den seinem Wirkungsbereich unterworfenen Menschen gewährt.

Würden diese Positionen so umgesetzt, würden wir damit zur Spaltung der Gesellschaft beitragen. Das kann nicht in unserem Interesse als GewerkschafterInnen sein. Vor diesem Hintergrund bin ich nun auch eigentlich nicht damit einverstanden, dass der Resolution des ÖGB-Bundesvorstands in diesem Punkt von unserer Seite die Zustimmung verweigert wurde.

Aus diesen Gründen ersuche ich euch diese Positionen zu überdenken und stattdessen z. B. die KollegInnen in OÖ bei ihrem Kampf gegen die Kürzung der Mindestsicherung zu unterstützen.

Norbert Bauer, e.h.

Weitere Informationen zu diesem Thema siehe auch Solidarwerkstatt-Dossier "Hände weg von der Mindestsicherung!"