Die Budgetprognose 2022 bis 2027 offenbart eine bemerkenswerte gegengleiche Entwicklung: Die Gesundheitsausgaben des Bundes sollen in diesem Zeitraum um 2,9 Milliarden sinken (minus 52%), die Ausgaben für das Militär um 2,3 Milliarden (plus 85%) steigen.


Die Diskussion um die Gesundheitsreform war ein bestimmendes Thema der österreichischen Innenpolitik im ausgehenden Jahr 2023. Wir werden dazu noch ausführlicher Stellung nehmen. Ein nicht ganz unwesentlicher Punkt hinsichtlich der Budgetpolitik, der weder in den Nationalratsdebatten noch der Berichterstattung eine Rolle spielte, sei vorweggenommen. Die Regierung rühmt sich, dass die Ausgaben des Bundes für Gesundheit von 2023 auf 2024 um fast 14 Prozent wachsen. Richtig. Was ist aber verschweigt: gegenüber 2022 sinken diese Ausgaben um mehr als 42 Prozent. Und in der längerfristigen Budgetprognose 2022 bis 2027 sollen die Gesundheitsausgaben des Bundes für unsere Gesundheit gar um 52% zurückgehen.

Nun mag man einwenden, dass die Ausgaben des Bundes für Gesundheit im Jahr 2022 aufgrund der Covid-Pandemie sehr hoch waren und dass die Bundesausgaben in diesem Bereich klein im Vergleich zu den diesbezüglichen Budgets der Länder bzw. der Sozialversicherung sind. Was aber hätte angesichts eines offensichtlichen Gesundheitsnotstandes dagegengesprochen, die Ausgaben des Bundes für Gesundheit auf dem Corona-Niveau zu belassen bzw. über den Finanzausgleich an die Länder in einem Ausmaß weiterzuverteilen, der dem Notstand in unseren Spitälern und im niedergelassenen Bereich angemessen ist? Zwar wurde beim Finanzausgleich etwas nachgelegt, aber keiner geht davon aus, dass das auch nur annähernd reichen wird, den Mangel an Gesundheitspersonal und die wachsende Zwei-Klassen-Medizin wirklich zu bekämpfen.

Gesundheit: Minus 2,9 Milliarden – Militär: plus 2,3 Milliarden

Diese Frage ist umso drängender, weil es am fehlenden Geld dezidiert nicht liegen kann: Denn während der Bund bei den Gesundheitsausgaben kürzt wird, wird fast im selben Ausmaß über dem Militär und Aufrüstung das Füllhorn ausgeschüttet. Die Militärausgaben sollen in Österreich von 2022 bis 2027 um sage und schreiben 85% nach oben rauschen. Ein Plus von 2,3 Milliarden Euro für Rüstung, die Gesundheitsausgaben des Bundes sinken im selben Zeitraum um 2,9 Milliarden (sh. Grafik).

„Eiserner politischer Wille“

Diese beiden Zahlen liegen nicht nur quantitativ nah beieinander, auch die Gleichzeitigkeit von Knausrigkeit bei der Gesundheit und vollen Spendierhosen bei Panzer und Raketen ist nicht zufällig. Seit 2012 gibt es einen Deckel für Gesundheitsausgaben, der diese einer technokratischen Ausgabenkontrolle unterwirft. Hintergrund dafür waren die seinerzeitigen Vorgaben des EU-Fiskalpakts und der EU-Kommission, die Österreich damals erst nach Beschlussfassung dieser „Gesundheitsdeckels“ auf dem Defizitverfahren entließ. Auf der anderen Seite ist Österreich seit 2018 bei der „Ständig Strukturierten Zusammenarbeit“ der EU (EU-SSZ/Pesco) im Boot, die bei Militärausgaben budgetpolitisch das glatte Gegenteil verlangt, nämlich ein ambitioniertes Wachstum, das von einem eigenen EU-Rüstungsamt überwacht wird.

Nick Witney, ein früherer Chef diese EU-Rüstungsamtes, offenbarte vor geraumer Zeit ungeniert, warum sich die EU gerade in diesem Bereich so massiv in die nationale Budgetpolitik einmischt: „Wenige Abgeordnete wollen vor ihrer Wählerschaft begründen, warum deren Steuern für Kampfhubschrauber statt für Spitäler verwendet werden soll … Militärische Operationen kosten Geld und riskieren Menschenleben. … Nur ein eiserner politischer Wille, untermauert von klarem Zielbewusstsein, kann dafür sorgen, dass sich diese strategische Orientierung gegen kurzfristige Unannehmlichkeiten durchsetzt.“

Schweigen im österreichischen Parlament

Das Schaubild mit den entgegengesetzten Verläufen von Gesundheits- und Militärausgaben ist die in Zahlen gegossene Politik, die die Machteliten auf EU-Ebene vereinbart haben, um sie auf nationaler Ebene dem demokratischen Meinungsstreit zu entziehen. Die Abgeordneten im österreichischen Parlament ordnen sich diesem „eisernen politischen Willen“ duckmäuserisch unter.

Und zwar alle. Von allen Parteien.

Als die Solidarwerkstatt Österreich bei Einführung der EU-SSZ-Aufrüstungspflicht (2017/18) in einem Offenen Brief die Nationalrats-Abgeordneten fragte, warum sie es sich gefallen lassen, bei dieser tiefgreifenden Entscheidung von der Regierung nicht einmal gefragt zu werden, kam von 183 Nationalrats- und 60 Bundesrats-Abgeordneten keine einzige Rückmeldung. Als wir Ende 2023 in einem Offenen Brief wiederum alle Abgeordneten aufriefen, die Deckelung der Gesundheitsausgaben im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen endlich zu beenden und um Rückmeldung ersuchten, ob bzw. was sie in dieser Frage zu tun gedächten, kam von allen Parlamentariern ebenfalls nur ohrenbetäubendes Schweigen. Man ist fast geneigt, den berühmten Ausspruch des Philosophen Ludwig Wittgenstein „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“ für unsere schwarzen, grünen, roten, blauen und pinken VolksvertreterInnen abzuwandeln: Was die EU vorgegeben hat, darüber hat Herr/Frau Abgeordnete das Maul zu halten.

Wir werden das umso weniger tun.

Gerald Oberansmayr
(Jänner 2024)