Die Solidarwerkstatt hat eine Unterschriftenaktion gegen die Streichung der Investitionsförderung für Studierendenheime gestartet. Rudi Schober hat auch Kanzler Faymann und Wissenschaftsminister Töchterle einen Brief geschrieben, in dem er auf die fatalen Folgen dieser kurzsichtigen Sparpolitik aufmerksam macht. Töchterle übt sich in Schweigen, Faymann lässt durch sein in der Sache überfordertes "Bürgerservice" die Antwort "erledigen", die Rudi Schober ebenfalls nicht unbeantwortet lässt. Hier der Briefwechsel.
Heimträger dürfen keine Investitionsrücklagen bilden
Da der politisch eingeläutete Selektionsprozess an den Österreichischen Hochschulen nicth unmittelbar an direkte finanzielle Belastungen geknüpft ist, sondern perfider Weise über Umwege die elitenfernen bildungswilligen Schichten versucht aus dem universitären Bereich hinauszudrängen, wirkt sich der bei einer Regierungsklausur im Herbst 2010 zwischen Wissenschaftsministerin und Finanzminister ausgemauschelte Meuchelmord am Investitionsbudget der Studierendenheime umso direkter in den Geldbörsen der Studierenden und deren Eltern in Zukunft aus. Für jenen Teil der 273.542 Studierenden in Österreich, welche einen Wohnbedarf am Studienort dringend benötigen, weil dieser nicht Ihr Heimatort ist, stehen bundesweit an den Unistandorten 30.507 Studierendenheimplätze in 215 Heimen von 20 Heimträgern zur Verfügung. Diese 20 Heimträger sind traditionell den Parteien, dem Klerus und anderen „mildtätigen“ Organisationen nahestehenden Vereine, welche es sich mehr oder weniger zum Ziel gesetzt haben, Wohnmöglichkeiten für Studierende, manche sogar zu sozial vertretbaren Preisen, zur Verfügung zu stellen. Für alle diese Heimträger gibt es ein eigenes Studentenheimgesetz (Letzte Fassung BGBL.1 Nr. 24/1999), welches die Modalitäten für die Heimträger und die Studierenden genau regelt. Über Rechte und Pflichten beider Seiten, über Heimbewohnervertretungen welche in so manchen reaktionären Heimen nach der Wahl rausgeschmissen werden, und über kaufmännische Belange für die Heimbetreiber, welche in Zukunft für die Katz sind. Es schreibt zu Beispiel im §13 Absatz 1 vor: Der Heimträger kann von den Heimbewohnern ein Benützerentgeld verlangen. Das Benützerentgeld ist durch den Heimträger nach Anhörung der Heimvertreter unter Bedachtsame auf den Grundsatz der Kostendeckung festzulegen.Durch diese Gesetzeslage wurde es auch zwingend notwendig, den Heimträgern bei Neubauten aber im Speziellen bei Sanierungsmaßnahmen der in die Jahre gekommenen Wohnheime, mit Förderungen für deren Sanierung finanziell nicht unerheblich unter die Arme zu greifen, da keinerlei Investitionsrücklagen für einen Erhaltungs-und Investitionsfond gebildet werden durften. Dieses System der Bundeszuschüsse für Heimsanierungen funktionierte je nach politischer Nähe der Förderwerber zum Fördergeber mehr oder weniger üppig oder gerade ausreichend. Der zunehmende Sparwahn seit dem EU-Beitritt lies diese Fördergelder immer spärlicher in Sanierungsmaßnahmen fließen. Gepaart mit dem immer spürbarer wirkenden Bolognaprozess wird dadurch die Lebensrealität für Studierende immer prekärer.
Fördermittel werden budgetiert aber nicht ausgezahlt - Heimpreise könnten bis zu einem Drittel steigen
Doch im Herbst 2010 hat die vom marktradikalen Sparwahn durchdrungene Bundesregierung in Person von Wissenschaftsministerin Beatrix Karl und Finanzminister Josef Pröll einen Paradigmenbruch begangen, welcher die schon jetzt zum Großteil unsozialen Bedingungen für wohnungssuchende Studierende dramatisch verschärft. Ohne die Heimträger zu informieren, wurde von der Bundesregierung der - an sich schon lächerlich kleine - Fördertopf für Sanierungsmaßnahmen in Höhe von 11 Mill. Euro für ALLE Heimträger, schlagartig auf sage und schreibe NULL reduziert. Dies, obwohl diese Summe im Budget 2011 bereitgestellt ist. Für das Jahr 2012 sind abermals 8,7 Mill. Euro für Investitionsförderungen in Studierendenheime präliminiert, doch ausgeschüttet wird nichts. Maastricht lässt grüßen. Zu dieser Information kommt der Heimbetreiber aber erst, wenn jetzt eine - in den geforderten Vierjahresvorplanungen projektierten Sanierungsschritte - umgesetzt werden soll und die Fördergelder im Wissenschaftsministerium flüssiggemacht werden sollen. Die Überraschung ist groß und die Aufregung darüber wird noch größer werden, wenn erst einmal durchgesickert ist, was das bedeutet. Ab jetzt müssen alle Studentenheime, gleich welcher Träger es betreibt, sämtliche Sanierungsschritte und Instandhaltungen an Gebäude, Technik, Sicherheit und Einrichtung Ihrer Heime eigenfinanzieren. Da es keinerlei Rücklagen für Erneuerung und Instandhaltung, bzw. Investitionsfond laut gültigem Gesetz geben darf, muss bei allen Investitionen an Fremdmittelfinanzierung gedacht werden. Einfacher ausgedrückt, ein Kredit bei einem Bankinstitut muss aufgenommen werden.
Die derzeitigen Preise pro Heimplatz bewegen sich um die 245 Euro und für eine Studentenwohnung 325 Euro im Monat durchschnittlich und divergieren im Einzelnen gewaltig. Durch den ministeriellen Förderausfall werden sich die prognostizierten Mehrkosten laut ÖH-Sozialreferat zwischen 60 und 90 Euro pro Monat und Heimplatz bewegen(1). Weniger optimistisch Rechnende prognostizieren eine Steigerung von mind. einem Drittel der derzeitigen Heimpreise. Somit werden Heimplatzpreise von 400 Euro und Studentenwohnpreise ab 500 Euro zur bitteren Realität und für Viele unfinanzierbar werden.
Jene Heime also, welche in die Jahre gekommen sind und noch keinerlei Sanierungen getätigt haben, werden es sich überlegen müssen, ob sie die Sanierung durch Kreditmittel finanzieren und damit den Heimpreis ins Astronomische steigen lassen, oder gleich das Heim zusperren, weil bei den neu zu kalkulierenden Heimpreisen eine große Nähe zu Preisen am freien Wohnungsmarkt entsteht. Doch über kurz oder lang werden alle Heimträger Opfer dieses neoliberalen Dramas sein, den auch die neueren Wohnheime bekommen Sanierungsbedarf und früher oder später wird sich eine solche Kalkulation nicht vermeiden lassen; außer der derzeitige Sparwahn weicht einer Politik, welche weniger das privatwirtschaftliche Agieren in den Vordergrund stellt sondern vielmehr die Bedürfnisse der vildungshungrigen Schichten in solidarischer Gemeinsamkeit befriedigt.
"Es muss Schluss sein mit dem Eurozentrierten Sparwahn, welcher nicht nur der Bildung, dieser aber im Speziellen die Grundlage ihrer Aufgabe entzieht und das auf verschiedensten Ebenen."
20.6.2011, Rudi Schober
(1) www.Wirtschaftsblatt.at/home/oesterreich/wirtschaftspolitik/15.06.2011Rudi Schober hat einen gleichlautenden Brief auch an Bundeskanzler Faymann und Wissenschaftsminister Töchterle geschickt. Töchterle schwieg bis heute, Faymann ließ seinem Bürgerservice die Antwort "erledigen".
Antwort des Bürgerserive
Der Herr Bundeskanzler dankt für Ihr Schreiben und hat sein Bürgerinnen- und Bürgerservice mit der weiteren Erledigung beauftragt.
Bedingt durch die Wirtschaftskrise mussten im Zuge der Budgetkonsolidierung im Dezember 2010 alle Bundesministerien große Anstrengungen unternehmen, um dazu ihren Beitrag leisten zu können. Diese Einsparungen sollen natürlich nicht schon geplante Projekte gefährden. Von Seiten des Wissenschafts- und Forschungsministeriums wurde uns versichert, dass die bereits bewilligten Generalsanierungsprojekte noch bis Ende 2014 gefördert und ausfinanziert werden.
Ebenfalls wurde uns mitgeteilt, dass die angeführten 11 Millionen Euro Förderung für das Jahr 2011 bereits budgetiert sind und deshalb auch zur Verfügung stehen, allerdings nur für bereits laufende Projekte und keine neuen Sanierungen. Für das Jahr 2012 wird es zu einer leichten Kürzung dieses Budgetpostens kommen. Dies liegt im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung.
Laut Studierendensozialerhebung hat sich die Wohnsituation von Studierenden in den letzten Jahren dahingehend verändert, dass vor allem StudienanfängerInnen Wohnheime in Anspruch nehmen, wobei diese Zahl in den letzten Jahren gesunken ist. Nur 19% der jungen Studierenden leben in Wohnheimen, im Durchschnitt sind es nur mehr rund 10%. Laut der Erhebung zeigen sich auch kaum Unterschiede im Vergleich der sozialen Schichten bezüglich der gewählten Wohnformen.
Trotz allem ist es der Bundesregierung unter Bundeskanzler Werner Faymann ein großes Anliegen, besonders Studierende aus sozial schwächeren Schichten weiterhin zu unterstützen.
Wir hoffen, dass wir Ihnen mit diesen Informationen dienlich sein konnten.
Mit freundlichen Grüßen
Bürgerinnen - und Bürgerservice
Bundeskanzleramt Österreich
Bundespressedienst
Hier Rudi Schobers Antwort auf die Antwort des Faymann`schen Bürgerservice: An den Bundeskanzler Werner Faymann
Betreff: Ich sehe die Streichung der Investitionsfödermittel nicht als „Erledigt“ an
Ich danke Ihnen Hr. Bundeskanzler Faymann für das Antwortschreiben auf meinen Brief zur Rücknahme der Streichung von Investitionsförderungen für Studentenheime, seitens des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung.
Aus Ihrer Antwort entnehme ich mit Staunen, das nicht Sie selbst oder der zuständige Fachminister, sonder Ihr Bürgerservice „mit der weitern Erledigung“ des offenbar für Sie lästigen Thema, von Ihnen beauftragt wurde . Wie dieser weiteren „Erledigung“ zu entnehmen ist, haben Sie durch Ihr unerschöpfliches Engagement zur Rettung der Vermögensumverteilung von uns Lohnabhängigen in Richtung Banken und Konzerne („Erweiterter Stabilitätspakt“) leider keine Zeit, sich dieser für uns Wähler/Innen so wichtigem Fehlentscheidung, selbst die Sachlage zu prüfen.
Ich muss dieser „Erledigung“ dahingehend widersprechen, dass für alle Sanierungsvorhaben von Studentenheimen eine vierjährige Voranmeldungspflicht bestand, welche auch eingehalten wurde. Diese Investitionsvorhaben sind fast immer unabdingbare Teilschritte von Generalsanierungen, da es sehr selten möglich und in der Praxis wenig dienlich ist, ein Studierendenheim über einen längeren Zeitraum gänzlich den Wohnbedürfnissen der Studierenden zu entziehen. Es ist auch nicht wirklich notwendig mir zu bestätigen, das die „nicht mehr“ Fördermittelmittel für 2011 über 11 Mill. Euro und für 2012 über 8,7 Mill. Euro budgetiert sind. Es widerspricht jedoch unserer Wahrnehmung bzw. der Auskunft des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung, dass diese Mittel auch allen 20 Heimträgern zur Verfügung stehen, weder für laufende, noch für dringendste Sanierungsschritte in den zum Teil erheblich in die Jahre gekommenen Heimen.
Die Zuständigkeit des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung ist uns nicht entgangen, doch Ihr zuständiger Fachminister, Karl Heinz Töchterle, scheint aufgrund seiner Nichtbeantwortung meines gleichen Schreibens an ihn, schon am Anfang seiner Politikerkarriere mit seinem Latein am Ende zu sein. Es ist für die - durch Ihre Sparmaßnahmen - äußerst schwierige Situation für alle 20 Heimträger und natürlich auch für die 30.507 Heimplatzbenützer/Innen wenig erhellend, wenn Sie uns die Prozentzahlen von Studierendenheimbenützer/Innen mitteilen. Bei steigenden Inskriptionswilligen muss das leider stagnierende Heimplatzangebot dadurch im Durchschnitt prozentuell geringer werden. Rechnen gehört zu den Grundfächern der Grundschule und damit besitze auch ich diese Fähigkeit, diese den Medien entnommen Zahlen zu interpretieren. Doch Ihnen muss ich unterstellen, die Bedürfnisse der Heimträger und Ihrer Benützer/Innen nicht zu kennen. Sie würden sonst nicht diese brisante Angelegenheit, die sich massiv preistreibend auf alle Heimplätze auswirken wird, von Ihrem Bürgerservice „erledigen“ lassen. Der Verlust vieler Heimplätze, Arbeitsplätze bei den Heimträgern bzw. bei den Sanierungen ausführenden Betrieben werden besonders Studierende und Werktätige aus sozial schwächeren Schichten besonders hart spüren. Der Applaus der exportorientierten Wirtschaft, den erweiterten Europäischen Stabilitätspakt mit harten Maßnahmen gegen die Interessen der Österreicher/Innen umzusetzen, ist Ihnen sicher, genauso ein schönes Pöstchen oder Ämtchen nach Ihrer Politikerkarriere im hohen Rang mit viel Geld, um sich sanieren zu können.
08.10. 2011, Schober Rudolf
Ottensheim
Daher nicht vergessen: Unterschriftenaktion gegen Streichung des Investitionsförderung für Studierendenheime unterschreiben: http://www.solidarwerkstatt.at/Forum/Heime.php