Wie stark sich mittlerweile Arbeitslosigkeit in den Alltag der Menschen in Österreich eingebrannt hat, zeigen die Zahlen der Statistik Austria über die von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen. Diese ist im Jahr 2020 zum ersten Mal über eine Million gestiegen.

Genau 1.002.505 Menschen waren in diesem Jahr von Arbeitslosigkeit betroffen. Das entspricht mehr als einem Viertel der unselbständig Erwerbstätigen. Klarerweise ist diese Betroffenheit unterschiedlich, je nach dem ob es sich um einige Tage der Sucharbeitslosigkeit oder um Langzeitarbeitslosigkeit handelt. Die durchschnittliche Länge der Arbeitslosigkeit betrug immerhin 148 Tage, also fast fünf Monate. Schaut man sich die Entwicklung seit dem Jahr 2004 an (ab diesem Jahr sind die Daten der Statistik Austria öffentlich zugänglich), so fällt ins Auge:

  • Das Corona-Jahr 2020 hat klarerweise sowohl die Zahl der von Arbeitslosigkeit Betroffenen als auch die Länge der Arbeitslosigkeit massiv anwachsen lassen. Andererseits wird auch ersichtlich, dass Arbeitslosigkeit über einen längeren Zeitraum gesehen – mit einigen Schwankungen – kontinuierlich anwächst.
  • Ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit setzte insbesondere ab 2011 ein. Seit damals stieg die Zahl der von Arbeitslosigkeit Betroffenen um 20%, die Länge ihrer Arbeitslosigkeit um 33%. Multipliziert man die von Arbeitslosigkeit Betroffenen mit der durchschnittlichen Länge ihrer Arbeitslosentage, dann sind diese in diesem Zeitraum um 60% gestiegen: Von rund 92 Millionen auf über 148 Millionen Tage der Arbeitslosigkeit.

Der Hintergrund für diesen Anstieg der Arbeitslosigkeit im letzten Jahrzehnt sind nicht zuletzt die Austeritätsprogramme der Europäischen Union, die zwischen 2010 und 2012 (EU-Sixpack, EU-Twopack, EU-Fiskalpakt) implementiert wurden. Der WIFO-Ökonom Stephan Schulmeister warnte seinerzeit, dass der EU-Fiskalpakt „die Budgethoheit auf die EU-Kommission verlagert“ und „Wirtschaft und Sozialstaat zu strangulieren“ werde (1). Die seither deutlich angestiegene Arbeitslosigkeit bestätigt diese Prognose. Unter dem Druck der EU-Spardiktate fielen die öffentlichen Nettoinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt 2009 und 2015 fast auf die Hälfte (2).

Niedriges Arbeitslosengeld = hoher Druck auf die Löhne

Je höher die Arbeitslosigkeit, desto leichter fällt es den Unternehmen, Druck auf die ArbeitnehmerInnen, ihre Löhne und Arbeitsbedingungen auszuüben. Parallel zur steigenden Arbeitslosigkeit sanken daher die Realeinkommen insbesondere der unteren Einkommensgruppen. Zwischen 2006 bis 2016 gingen die Nettorealeinkommen des unteren Einkommensviertels um 7% zurück. In Österreich wird dieser Druck auf Löhne und Gehälter dadurch verschärft, dass die Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes mit 55% des letzten Netto-Lohnes besonders niedrig ist. Hohe Arbeitslosigkeit und niedriges Arbeitslosengeld sind daher eine Kampfansage an alle ArbeitnehmerInnen und die Gewerkschaften. Das vom türkisen Arbeitsminister Kocher in Aussicht gestellte „degressive Arbeitslosengeld“ würde diesen Druck weiter verschärfen. Denn degressives Arbeitslosengeld bedeutet: je länger jemand arbeitslos ist, desto niedriger wird das Arbeitslosengeld. Gerade die wachsende Zahl der Langzeitarbeitslosen kann damit zu Lohndrückern instrumentalisiert werden.

Volksbegehren „Arbeitslosengeld rauf!“ in Vorbereitung

Die dauerhafte Anhebung des Arbeitslosengeldes ist daher ein wichtiger Hebel, um sowohl der Armut der Arbeitslosen als auch dem Druck auf die Beschäftigten wirksam entgegenzutreten. Damit wir das durchsetzen können, brauchen wir breite gesellschaftliche Allianzen. Das Volksbegehren „Arbeitslosengeld rauf!“, das derzeit von einem ProponentInnen-Komitee aus BetriebsrätInnen, zivilgesellschaftlichen AktivistInnen, WissenschaftlerInnen und Arbeitsloseninitiativen vorbereitet wird, hat sich genau das zum Ziel gesetzt. Wer dieses Volksbegehren aktiv unterstützen möchte, ist herzlich eingeladen, zum Kreis der ProponentInnen dazuzustoßen. Bei einem Treffen am 15. Mai in Salzburg sollen die nächsten Schritte zum Start des Volksbegehrens geklärt werden.

Gerald Oberansmayr
(20.4.2021)

Bundesweites Treffen zur Vorbereitung des Volksbegehrens Arbeitslosengeld rauf! 
Samstag, 15. Mai 2021, 13:00 Uhr
Ort: Salzburg-Lehen, Stadtbibliothek-Flugdach
Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
www.arbeitslosengeld-rauf.at
 

Quellen:
(1) https://stephanschulmeister.wifo-pens.at/fileadmin/pdf/Fiskalpakt_Misere__end_04_12.pdf
(2) WIFO-Studie, 2017: Stefan Ederer, Privater Konsum und öffentliche Investitionen in Österreich