Die Entscheidung am Wahlsonntag fiel überraschend eindeutig aus: 60% sprachen sich für die Beibehaltung der Wehrpflicht aus, nur 40% stimmten für ein Berufsheer. Das Referendum endete mit einem Debakel für die Sozialdemokratie, die Boulevardpresse stieß an die Grenzen des Volkswillens. Dem bestehenden Bundesheer wurde Funktionsfähigkeit in puncto Katastrophenschutz und Verteidigung der (Rest-)Neutralität attestiert, Kommodifizierung und Verkleinerung des Zivildienstes erhielten eine deutliche Abfuhr.
Parteipolitisch darf sich die konservative ÖVP über das Ergebnis der Volksbefragung freuen. Sie war geschlossen – wenn auch erst seit wenigen Jahren – für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht aufgetreten, während beim Koalitionspartner SPÖ nur die Spitzen der Bundespartei – aber dafür vehement – für ein Berufsheer agitierten. Sozialdemokratische Landeshauptleute, exponierte Antifaschisten und die Sozialistische Jugend sprachen sich gegen die Aufstellung einer Söldnertruppe aus. Die befürchtete Beschädigung des Zivildienstes, der von stellungspflichtigen Männern als Ersatz zum Wehrdienst frei gewählt werden kann, war ebenso ein Grund für die Beibehaltung des Status quo wie die berechtigte Angst, sich mit einer ausschließlichen Berufsarmee bald an der Seite Deutschlands und Frankreichs in sogenannten Anti-Terroreinsätzen wiederzufinden. Die Grünen scheuten in ihrer Argumentation genau davor nicht zurück und bissen sich geradezu am Argument der „professionalisierten Auslandseinsätze“ fest. Gemeinsam mit der SPÖ-Spitze lecken sie nun die Wunden, die ihnen die direktdemokratische Entscheidung zugefügt hat. Als einziges von neun Bundesländern hat Wien mehrheitlich – mit 54% - für ein Berufsheer gestimmt. Auch ganz junge WählerInnen lehnten die Wehrpflicht ab, was angesichts des Wahlalters von 16 Jahren wenig überraschend ist, stehen doch diese jungen Männer vor ihrem Einrückungstermin.
Eine demokratiepolitische Lektion der besonderen Art musste die österreichische Boulevardpresse einstecken. Sämtliche diesbezüglichen Zeitungen, übrigens gemeinsam mit dem als Qualitätsmedium apostrophierten „Standard“, kampagnisierten die Wochen vor dem Urnengang gegen den „Zwangsdienst“, wie sie die Wehrpflicht nannten. Als Hauptargumente mussten angeblich alternativlos bevorstehende Auslandseinsätze sowie das deutsche Beispiel herhalten. Es ist das erste Mal in der Geschichte der „Kronenzeitung“, dass ein nicht zuletzt von ihr zusammen mit der Wiener SPÖ mitinitiiertes Referendum dermaßen grandios scheiterte. Erklärungen dafür wie „das Herz hätte über das Hirn gesiegt“ nehmen ein weiteres Mal die Realität nicht zur Kenntnis. Denn die überwiegende Mehrheit votierte sehr wohl aus Vernunftgründen: Man will funktionierende Systeme wie den Zivildienst und den Katastrophenschutz des Bundesheeres nicht mutwillig aufs Spiel setzen, zumal sich jeder leicht ausrechnen konnte, dass eine Profitruppe teurer als die allgemeine Wehrpflicht kommen würde.
Und: Österreichs Neutralität, so bescheiden sie seit der Mitgliedschaft in der Europäischen Union geworden ist, wird gedanklich mit einem Volksheer verbunden. In alle Welt entsendbare Profi-Soldaten würden diesem Image schaden. Diese Sichtweise ist – entgegen der Propaganda der meisten Medien – tief im Volk verankert; genauso wie die Überzeugung, dass sechs bis neun Monate „Dienst an der Gemeinschaft“ noch keinem geschadet hätten. Eine über 50% liegende Wahlbeteiligung unterstreicht die Klarheit, mit der die Menschen der allgemeinen Wehrpflicht den Vorzug vor einem Berufsheer gegeben haben.
Hannes Hofbauer