Intensivpflegerin, 45, aus einem Spital in Oberösterreich

Die Patienten, die zu uns auf die Covid-Intensiv kommen, atmen nicht mehr, sie hecheln nur noch. Bei uns wurden bereits alle Beatmungsgeräte, die möglich sind, aufgestellt, und wir erwarten das Schlimmste. Die Option der Therapiebegrenzung, also dass nicht alle medizinischen Maßnahmen gesetzt werden, die möglich sind, wird jetzt öfter verwendet als vorigen Winter…
Vor einigen Tagen mussten wir einen Mann mitten in der Nacht intubieren. Er hat noch eine Abschieds-SMS an seine Frau geschrieben. Denn fürs Telefonieren war er zu schwach. Stellen Sie sich vor, wie furchtbar es sein muss, wenn Sie als Ehefrau um Mitternacht so eine SMS kriegen?
Natürlich haben wir fast nur Ungeimpfte auf unserer Station. Ein älterer Mann hat uns geschimpft und Herbert Kickl hochleben lassen, weil er hat ja nur einen Schnupfen. Bis er völlig fertig am Beatmungsgerät hing. Der hat überraschend überlebt, und wir konnten ihn extubieren. Vor kurzem hat er beim Umlagern plötzlich meine Hand genommen und Danke gesagt.
So wie die Infektionszahlen sich entwickeln, haben wir bald doppelt so viele Intensivpatienten. Dabei sind wir nur ein kleines Provinzspital. Aber ich bin auf die Ungeimpften nicht böse. Wütend bin ich auf die Politik. Wir alle auf der Station fühlen uns von der Politik verarscht. Seit Jahren wird das Gesundheitssystem kaputtgespart.
Jetzt müssen wir wie verrückt Überstunden machen. Jeden Tag muss einer von uns zuhause in Bereitschaft sein und darf das Handy nicht abdrehen. Dafür kriegt man keinen Cent. Aber wir haben auch Familie, wir wollen auch unsere Freunde treffen, wir wollen auch ein Leben haben.
(gekürzt, zitiert aus: Falter, 17.11.2021)