Hans Wallner über die Neuerscheinung von Rutger Bregman: "Im Grunde gut. Eine neue Geschichte der Menschheit".

Ein Buch, das mich sogleich in seinen Bann gezogen hat, weil es lehrt, optimistisch zu denken und hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken. Denn Bregman zeigt uns überraschende, manchmal provokante Erkenntnisse. Lange Zeit galt die Lehrmeinung, Konkurrenz, Egoismus, „Jeder gegen Jeden“ hätten die Entwicklung der Menschheit befördert. Und Zivilisation hätte uns gezähmt. Z. B. vertritt S. Pinker in seinem Werk von 2011 „Gewalt: eine Geschichte der Menschheit“, die Erfindung von Landwirtschaft, Schrift und Staatswesen hätten dazu beigetragen, unsere aggressiven Züge in Zaum zu halten. Bregman hält dem entgegen unter Berufung auf zahlreiche neuere Erkenntnisse aus Psychologie, Ökonomie, Biologie, Geschichte und Archäologie: „ Nicht die Stärksten haben die Menschheitschichte überlebt sondern die Freundlichsten.“ Die Erfolgsgeschichte der Menschheit ist gekennzeichnet durch Kooperation und nicht durch den Krieg Aller gegen Alle. Unsere Vor-Vorfahren hassten Ungleichheit. Erst mit dem Ende des Nomadendaseins, mit dem Beginn des Ackerbaues, der Sesshaftwerdung und der Zivilisation vor ca. 10.000 Jahren trat ein Wandel ein. Bregman: „So entstand das, was wir Zivilisation nennen. Um es jetzt mal ganz schroff auszudrücken: Diese Zivilisation hat sich eigentlich im Wesentlichen als ein einzigartiges großes Unglück herausgestellt.“ (B. in einem Interview, Deutschlandradio, 5.4.2020)

Mit der Sesshaftwerdung und dem Entstehen von Eigentum hat Gewalt zugenommen, sind Kriege erst entstanden. Dennoch blieben und bleiben die Grundeigenschaften der Menschen, Freundlichkeit und Kooperation bestehen. Sie stehen zwar im Widerstreit zu unseren dunklen Seiten (dies wird im Teil 3 des Buches „Warum gute Menschen böse Dinge tun“ untersucht).

Wesentlich für unser Zusammenleben und Fortbestehen sind Freundlichkeit und Kooperation. Bregman belegt dies an zahlreichen Beispielen aus der Vergangenheit und Gegenwart. Besonders beeindruckt mich, wie Bregman durch Nachforschungen zeigt, dass psychologische Experimente erst durch Manipulation der Teilnehmer zu den bekannten Ergebnissen führten, Menschen seien im Grunde gewalttätig und egoistisch (167 f.). Ebenso beeindrucken mich die Beispiele von Hilfsbereitschaft und Kooperation in Situationen von Gefahr, Not und Bedrängnis. Diese Beispiele belegen, Menschen sind im Grunde gut. Im vierten Teil des Buches „Ein neuer Realismus“ und fünften Teil, „Die andere Wange“ zeigt uns Bregman, was notwendig ist für eine optimistische Entwicklungsrichtung unserer Welt. Eindrückliche Beispiele (z. B. von dem niederländischen Pflegedienst Buurtzorg – Nachbarschaftsbetreuung) lassen erkennen, wie Motivation ohne Hierarchie und Bevormundung entstehen kann. Es sind anregende Modelle, darüber nachzudenken, was wirklich wichtig ist. Nachzudenken, welche Arbeiten gesellschaftlich relevant sind und welche nicht. Nachzudenken, wieviel wir arbeiten und wie wir in einer guten Gesellschaft miteinander leben wollen.

Es fällt mir schwer, die Fülle der Informationen, Gedanken und Anregungen dieses Buches kurz zusammen zu fassen. Ich hoffe, es gelingt mir, neugierig zu machen und das Buch selbst zu lesen.

Anmerkung: Dies ist keine klassische Rezension, dazu fühle ich mich nicht berufen. Der Text drückt meine Begeisterung über das Buch aus und soll anregen, es zu lesen. Deshalb die ich-Form.

Hans Wallner, Regensburg

Rutger Bregman:
"Im Grunde gut. Eine neue Geschichte der Menschheit".
Rowohlt Verlag, 2020 (deutsche Ausgabe)