Gerhard Hertenberger, Umweltaktivist und Wissenschaftsjournalist, fordert in einem Offenen Brief Werner Kogler und die Grünen auf, auf einem Stopp der großen Autobahnprojekte in den türkis-grünen Koalitionsverhandlungen zu beharren.

Sehr geehrte Grüne im Parlament!
Sehr geehrter Herr Kogler!

Falls es tatsächlich zu Koalitionsverhandlungen mit dem "Türkisen" von Herrn Kurz kommt (was ich sehr misstrauisch sehe, da die Weltanschauungen und Programme noch viel inkompatibler sind als jene von rot und grün in Wien, wo sich die Grünen schon sehr "verbogen" und ihre Grundwerte verleugnet haben), würde ich dringendst empfehlen, unbedingt auf einer Streichung der "sechsten Donauquerung" ("Lobauautobahn S1") und der "Marchfeldautobahn S8" aus dem BMVIT Ausbauplan zu bestehen, und unbedingt die Aufnahme des Baues einer "Waldviertel-Autobahn/Schnellstraße" ins Koalitionsabkommen zu verhindern.

Erläuterung:

Das gigantomanische Projekt eines Lobautunnels würde eine Kostenexplosion um das Mehrfache erleben, angesichts dessen die Kostensteigerungen beim Krankenhaus Nord und beim Bau des AKH im Vergleich ein "Lercherlschaß" wären. Überdies würde der Nordosten Wiens einen massiven Shift des Modal Split von den Öffis hin zur Straße verursachen, sozusagen eine Maßnahme zur effizienten Förderung des Klimawandels und der Schadstoffanreicherung der Luft im Nordosten Wiens.

Es war schon schlimm genug, dass Maria Vassilakou sich im Koalitionsabkommen von 2015 dazu hinreißen ließ, die grünen Grundwerte zu verraten und die Notwendigkeit der Lobauautobahn im Abkommen festzuschreiben. Wenn nun in einer türkis-grünen Koalition dieses monströse Projekt gebaut würde, würden die Grünen für die Wienwahl 2020 jegliche Glaubwürdigkeit bei ihren Wählern verlieren.

Und bitte nicht argumentieren, dass beim Lobautunnel "halt schon alle politischen und auch behördlichen Entscheidungen und Verfahren abgeschlossen" seien. Auch beim Kraftwerk Hainburg gab es eine fertige Baubewilligung, und bei Zwentendorf war das AKW sogar schon fertig gebaut. Das AKW Zwentendorf oder das Kraftwerk Hainburg würden Sie ja auch nicht in Betrieb nehmen bzw. bauen lassen, nur "weil halt die behördliche Bewilligung schon rechtskräftig ist".

Und bei der von der NÖ Volkspartei und der Baulobby gepushten "Waldviertelautobahn" stehen wir vor der Situation, dass das Land NÖ gemeinsam mit den ÖBB sämtliche Seitenäste der Franz Josephs Bahn stillgelegt hat (insbesondere auch vertragsbrüchig die Thayatalbahn, deren Ausbau mit Tschechien fix vereinbart war), sodass der Bau einer Schnellstraße/Autobahn in diese Region den Modal Split endgültig ("klimawandel-fördernd") in Richtung Straße (LKW-Verkehr, PKW-Verkehr, Pendler!) verschieben würde.

Mit besten Grüßen,

Gerhard Hertenberger, Biologe, 1120 Wien
(29.10.2019)