Gespräch mit dem politisch engagierten Musiker, Komponisten und Schriftsteller Herwig Strobl. Er veranstaltet antifaschistische musikalische Wanderungen “Durchs jüdische und braune Linz” und spielt bei "11 saiten OSTGEFÄLLE".
WERKSTATT-Blatt: Du hast Dich 1982 entschieden, selbständiger Musiker zu werden, kein leichter Schritt.
Herwig Strobl: 20 Jahre HS-Lehrer-Hierarchieknute reichten. Die zwei Jahre als Musikschulleiter unter Preiss waren mindestens ebenso schädlich und lehrreich. Musik lebten wir in unserer Familie: Eltern, vier Brüder. Ich musste ab 9 Geige üben. Meine Musik-Begabung war meine Überlebenschance in der autoritär geführten Familie. Dennoch bin ich Vater dankbar. Seine Begeisterung, seine Musizierfreude, sein Wissen waren ein tolles Fundament. Dass er jedoch auch Gewalt und Nazigedanken, inkl. blinden Antisemitismus, mitgab, erfuhr ich schmerzhaft. Diese subkutane Prägung ist schwer abzuwerfen. Zitzerlweise fraß ich mich durch einen Berg von Fragen und Tabus hindurch. Lebenslanges Lernen war angesagt. Als Zentrum erquickte mich immer die Musik.
Wie siehst Du die Verbindung zwischen Deinem politischen und Deinem künstlerischen Engagement?
Ich war ursprünglich ein unpolitisches Würstel, bis ich merkte, wie die österreichische Realität gestrickt ist und wird. Die künstlerischen Projekte – z.B. 1500 Auftritte unseres Ensembles „10 saiten 1 bogen“ brachten Reisen, Begegnungen, genug Lese- und Denkstoff. Musik war für mich ein großartiges Transportmittel für Erinnerungsarbeit. Bisher 5 veröffentlichte Bücher und viele MCDLP-Produktionen … sind Spuren meiner Umtriebigkeit. Das jetzige Ensemble „11 saiten OSTGEFÄLLE“ beweist, dass mir der politische Humor gut tut, von den jetzigen musikalischen Höhenflügen gar nicht zu reden.
Du machst seit vielen Jahren viel beachtete musikalische Wanderungen durch das jüdische und „braune“ Linz. Gibt es einen besonderen Bezugspunkt, den Du dazu hast?
Ich bin in Linz, Spittelwiese 6, aufgewachsen – ohne zu wissen, dass unser Haus (jetzt Arkade) während der Hitlerzeit das Gaupropagandazentrum war. Ich saß im Zentrum des Spinnennetzes: 5 Minuten Gehzeit zur damals demolierten Synagoge und gleich weit zu Adolf Eichmanns Wohnhaus. Dieser persönliche Zugang ermöglichte mir – zusammen mit Musik und Literatur – und der Erkenntnis, dass Tabus dazu da sind, gebrochen zu werden …einen umfassenden Einblick in wichtige Aspekte von Linz. Eine historische Stadtführung im herkömmlichen Sinn wäre mir zu wenig gewesen. Kunst muss berühren.
Was sind Deine/Eure nächsten künstlerischen bzw. politischen Projekte?
Die Produktion eines Filmes über diesen Rundgang ist angedacht. Musikprojekte in Schulen, bei Konzerten, bei Festen – freuen mich immer noch – trotz des ins Herz eingebrannten Jahrganges 1940. Wie Großprojekte ohne Lobby funktionieren, kann sich jeder ausmalen, der freischaffend gelebt hat seit fast 40 Jahren. Aber ich hab mich am Licht orientiert und nicht an der Dämmerung.
Alle Termine auf www.11saiten-ostgefaelle.at