Eine demokratische Gesellschaft braucht Werkzeuge, um Extremismen aller Art, Gewalt und staatsfeindliche Umtriebe einzudämmen oder gar zu verhindern. Diese Werkzeuge standen schon vor dem blutigen Terroranschlag vom 2. November 2020 zu Verfügung. Es ist schon bisher gesetzlich geregelt, was auch sanktioniert werden muss: Verhetzung, Aufruf zur und Ankündigung von Gewalt oder auch Gutheißen von strafbaren Handlungen.

Der vorliegende Gesetzesentwurf zum Verbot des religiös motivierten Extremismus als Teil des Antiterrorpakets richtet sich aber gegen eine bestimmte Religionsgemeinschaft, nämlich gegen den Islam. Aus den Erläuterungen zum Gesetz geht das zweifelsfrei hervor, wenn dort der unsägliche Terminus „Politischer Islam“ auftaucht. Da fühle ich mich als Vertreter einer Religionsgemeinschaft betroffen. Entweder handelt es sich um eine Ungleichbehandlung zwischen dem Islam und anderen Religionen, das wäre verwerflich, undemokratisch und abzulehnen, oder das Gesetz sieht vor, dass Religionen nicht politisch sein und agieren dürfen. Das wäre aber eine massive Einschränkung der Religionsfreiheit. Ich verstehe mich als politischer Christ. Ich komme aus einer christlichen Tradition, in der Christinnen und Christen sich gesellschaftspolitisch engagieren. Kirchen setzen sich seit Jahrzehnten für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung ein. Das ist hochpolitisch. Und ich möchte als Christ und als Bürger die Gesellschaft mitgestalten und auf Entscheidungen des öffentlichen Lebens Einfluss nehmen. Aber selbst die Betreiber dieses Gesetzes agieren religiös und politisch. In der interreligiösen Adventfeier im Parlament, die den Namen nicht verdient, weil dort einer der zahlmäßig größten Religionsgemeinschaften, Vertreter des Islams, gar nicht eingeladen wurden, war der politische Katholizismus sehr präsent.

So ein Gesetz dient nicht dem Frieden und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern treibt Spaltung und Polarisierung in der Gesellschaft voran. So ein Gesetz gefährdet die Grund-,und Freiheitsrechte, weil der Tatbestand gar nicht genau definiert wird. Die Erhaltung dieser Grundrechte, nicht die Beschneidung und Missachtung, wäre die Pflicht der Staatsdienerinnen und Staatsdiener, die ihren Dienst zum Wohl aller Bürgerinnen und Bürger und aller in unserem Land wohnhaften Menschen ausüben sollten.

Pfarrer Thomas Hennefeld

Landessuperintendent der Evangelischen Kirche H.B. Wien, 19.1.2021