ImageDer Verein Dar-al-Janub fordert die Innenministerin auf, den Vertrag mit dem Konzern G4S Secure Solutions AG (G4S) als Generalunternehmer im Schubgefängnis Vordernberg ersatzlos zu kündigen.
 

Seit dem Ende der 80er Jahre verfolgt die österreichische Regierung eine repressive und menschenverachtende Flüchtlingspolitik und folgt damit der generellen EU-Politik zur Asyl- und Flüchtlingsfrage. Der Anstieg der Migration von Menschen aus den armen Ländern des Südens nach Europa ist nicht zuletzt eine unmittelbare Folge der globalen, aber eben auch europäischen neokolonialen und neoliberalen Zuspitzungen der letzten 30 Jahre. Kriege zur Absicherung von Ressourcen, profitmaximierender und ungerechter Handel und die Zerstörung lokaler Märkte durch subventionierte Exporte, schaffen nicht nur lokale Konflikte, bedingen nicht nur Hunger und Tod in den Ländern des Südens, sie zwingen Menschen in die Flucht und auf einen ungewissen und gefährlichen Weg in die reichen Länder der EU.

Die (Außen)Politik der EU-Länder zerstört die Lebensgrundlage der Menschen in ihren Heimatländern und verwehrt ihnen damit die Teilhabe am Wohlstand in den Ländern, die sie um ihrer politischen, ökonomischen und sozialen Grundlagen beraubt haben. In Europa werden die Flüchtlinge wiederum illegalisiert und kriminalisiert - im Wissen aller Beteiligten, dass es keinen offiziellen und legalen Weg zur Flucht gibt. Längst vergessen scheinen die Schicksale der Menschen, die während des Faschismus fliehen mussten, hohl erscheint die Mahnung aus der Vergangenheit Lehren zu ziehen, wenn gleichzeitig Männer, Frauen und Kinder unter Anwendung von Gewalt in Schubhaftgefängnissen und -lagern festgehalten werden und schließlich mittels europäischer Fluggesellschaften deportiert werden.

Diese Politik steht in keinem europäischen Parlament zur Diskussion. Die Regierungen Europas sind politisch zu einer extremistischen Mitte zusammengeschmolzen, in der es keine Opposition zu dieser menschenverachtenden Politik gibt. Eine extremistische Mitte, die nicht vor Kriegen (wie z.B. Afghanistan) zurückschreckt. In der perfiden Logik des Neoliberalismus wird aus dem Leid und aus den Folgen dieser Politik noch ein Geschäft: Die Privatisierung von Inhaftierung und Bewachung der Flüchtlinge und die Überantwortung ihres Schicksals an sogenannte „Sicherheitsfirmen“ wie G4S.

Aktuell sollen diese Folgen von Krieg, ungerechtem Handel und Rüstungsexporten im Schubhaftgefängnis Vordernberg in der Steiermark Jobs schaffen und einen reibungslosen Ablauf der Deportationen (Anbindung Autobahn und Flughafen) garantieren. Abgesehen von einer umstrittenen Ausschreibung für diesen Auftrag und dem Naheverhältnis von ÖVP-Politiker_innen zum „Sicherheitskonzern G4S [1], scheint auch die praktische Erfahrung des Konzerns G4S im Umgang mit Gefangenen eine Rolle bei der Auswahl von G4S zu spielen.

G4S ist aus der Fusion der „Sicherheitsfirmen“ Group 4 Falck und Securicor im Jahre 2004 [2] entstanden, verweist aber gerne verharmlosend auf ihren Ursprung als Firma für Nachtwächter. Ihre praktischen Erfahrungen auf dem Gebiet der Bewachung von Gefangenen sammelte G4S seit 2007 in Israel/ Palästina. Der Konzern beteiligt sich dort lukrativ an der völkerrechtlich illegalen Besatzungspolitik, indem sie Sicherheits- und Wachaufgaben in israelischen/jüdischen Siedlungen auf palästinensischen Gebiet übernimmt, Checkpoints in der Westbank betreibt und palästinensische Gefangene in israelischer Administrativhaft (unbegrenzte Haft ohne zivilen Prozess) bewacht. Dabei ist auch die Inhaftierung von Kindern inkludiert.

G4S steht symbolträchtig für einen modernen europäischen Trend, der aus der israelischen Praxis und Vorgehensweise mit unerwünschten und „überflüssigen“ Bevölkerungsgruppen lernen will. G4S profitiert unmittelbar aus der israelischen Besatzung. Die palästinensische Bevölkerung gilt Israel nur als Bedrohung, eine Bevölkerungsgruppe, die bewacht und kontrolliert oder idealerweise überhaupt deportiert werden soll. Für den israelischen Staat ist die palästinensische Bevölkerung „überflüssig“, sie wird weder für die israelische wirtschaftlich Verwertung benötigt, noch hat der israelische Staat Interesse daran, dieser Gesellschaft eine eigene Perspektive zu lassen.

Die nach Europa geflohenen Menschen sind ebenso „nutzlos“ für den hiesigen, europäischen Arbeitsmarkt, der Zuzug wird der Logik des Kapitals folgend über Qualifikationen gesteuert, nicht etwa an Fragen von Moral und Humanität gemessen. Und da die Existenz der Refugees praktisch keine Verwertungsmerkale besitzt – ihre Existenz dieser Logik zufolge „unwert“ ist – überantwortet die Regierung sie Konzernen wie G4S.

G4S betreut Sicherheitssysteme in den, durch Folter und Mord bekannten, israelischen Gefängnissen und Lagern Ketziot, Damon, Megiddo, al-Moskobiyeh, Kishon, Rimonim, Ofer, u.a. [3]

Dort werden Sicherheits-, Kontroll, -und Überwachungssysteme betrieben, dort wird gefoltert und immer wieder werden Gefangene ermordet (Arafat Jaradat 2013) [4]. Und ebenso, wie nahezu niemals israelisches Personal für die Taten zur Rechenschaft gezogen wird, konnte auch niemals eine direkte Verantwortung von G4S nachgewiesen werden. Das Kotroll- und Verwahrungssystem ist in sich geschlossen.

In sich geschlossen, wie der Umgang mit Flüchtlingen und ihrer Gefangennahme in Vordernberg. Korrupte Politiker_innen, eine Flüchtlingspolitik die nur Haft und Abschiebung kennt, Regierungen, die sich mit ihrem Verweis auf eine Gefahr von Rechtsextremismus in Europa selbst am rassistischen Umgang mit Flüchtlingen übt, Architekten[5], die baulich die Brutalität weißwaschen und Konzerne wie G4S, die bereit stehen, in rechtsfreien Räumen Menschen zu bewachen. Ganz obenauf in diesem System der Abwicklung der „Flüchtlingsproblematik“ stehen NGOs, die Flüchtlinge „beraten“: „Rückkehrberatung“ nennt sich diese Hilfe. Der Kreis schließt sich dort, wo G4S seine soziale Verantwortung - den Normen moderner Konzernführung entsprechend – öffentlich platzieren will, wenn sie mit „Young Caritas“ eine Charity Event sponsort [6]. Wir fordern daher:

- Die Annullierung der Verträge mit der „Sicherheitsfirma“ G4S, die sich an der völkerrechtswidrigen Besatzung in Palästina und der Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung beteiligt

- die Nicht-Inbetriebnahme des Schubgefängnisses Vordernberg

- Bewegungsfreiheit für Refugees in Europa

- Und von NGOs: die Aufkündigung ihrer Kooperation mit dem Bundesministerium für Inneres

[1] http://www.profil.at/articles/1345/560/369169/justiz-sicherheitsdienstleister-g4s

[2] http://www.corporatewatch.org/?lid=337

[3] http://www.corporatewatch.org/?lid=4360

[4] http://maannews.net/eng/ViewDetails.aspx?ID=568699

[5] http://www.sue-architekten.at/sites/default/files/press/vordernberg_gespraech_fabian_faltin_sue.pdf

[6] http://www.g4s.co.at/de-AT/Presse/News/2013/12/02/G4S%20unterstuetzt%20Young%20Caritas/


Brief an das Innenministerium:

Bundesministerium für Inneres
Herrengasse 7
1014 Wien
Betreff: Schubhaftgefängnis Vordernberg

Sehr geehrte
Frau Innenministerin Mikl-Leitner,

wir fordern Sie dringend auf den Vertrag mit dem Konzern G4S Secure Solutions AG (G4S) als Generalunternehmer im Schubgefängnis Vordernberg ersatzlos zu kündigen.

Bereits im Jahre 2011 hat das Europäische Parlament eine Anfrage an die Kommission gestellt (E-003873/2011), in der die Beteiligung des Unternehmens G4S an Menschenrechtsverletzungen geprüft werden sollte. Es ist eine Tatsache, dass G4S Israel (zu 91% in Besitz von G4S) Sicherheitsausrüstung und Dienstleistungen in Gefängnissen in Israel und dem völkerrechtswidrig besetzten Westjordanland stellt. Außerdem stellt G4S Sicherheitsdienstleistungen und Personal in israelisch/jüdischen Siedlungen, die illegal auf palästinensischen Boden errichtet sind. G4S liefert zudem Sicherheitssysteme an das israelische Polizeipräsidium im Westjordanland, stellt Ausrüstung für militärische Kontrollpunkte im Westjordanland und hat dort Wartungsdienstleistungen übernommen.

Alle diese Beteiligungen durch das weltweit agierende Unternehmen G4S sind laut der Vierten Genfer Konvention unrechtmäßig. Auch die auf palästinensischem Gebiet errichteten Kontrollpunkte sind laut einem Gutachten des internationalen Gerichtshofs vom 9. Juli 2004 gesetzeswidrig und verstoßen gegen das internationale Völkerrecht. An allen Beteiligungen von G4S in Israel und dem besetzen Palästina kommt es fortlaufend zu schweren Menschenrechtsverletzungen, wie Folter, Mord, Administrativhaft, Inhaftierung von Minderjährigen.

Aus diesen Gründen ist es inakzeptabel, wenn schutzbedürftige Personen in die Obhut eines anrüchigen Konzerns wie G4S überantwortet werden, einem Konzern der Völkerrecht missachtet und an Menschenrechtsverstößen beteiligt ist. Darüberhinaus fordern wir eine Überprüfung der Geschäfte von G4S in Österreich durch das Innenministerium und die Auflösung aller Verträge der mit diesem Konzern.

In einem mutigen Schritt aktiver Humanität hat die Universität von Oslo im Sommer 2013 ihre Verträge mit G4S wegen der Beteiligung an der israelischen Besetzung Palästinas gekündigt.

Zeigen Sie auch diesen Mut.

Wir bitten um eine rasche Beantwortung unseres Anliegens.

Mit freundlichen Grüßen

Dar al Janub - Verein für antirassistische und friedenspolitische Initiative
Kleistgasse 8/3
1030 Wien
Austria