ImageDas Kollegium des Bundesrealgymnasiums Viktring (Kärnten) protestiert in einem Offenen Brief gegen die Postdemokratie in Schule und Gesellschaft.

 

OFFENER BRIEF

Als LehrerInnen an einer öffentlichen Schule protestieren wir gegenüber postdemokratischen Tendenzen in Institutionen und Betrieben unserer Gesellschaft. Wir leben in einer technokratischen und bürokratischen Welt, in der alles quantitativ gemessen, gerankt, bewertet und überreglementiert wird. Dies schwappt auch immer mehr auf Schulen über und bestimmt unseren Alltag. Kommunikation hauptsächlich übers Internet, täglich dreimaliges Checken des elektronischen Klassenbuches, Kompetenzen evaluieren, Worte und Zeichen zählen, Zentralmatura verwalten, Leistungsstandards-Tests durchführen und so weiter. Wenn uns vorgeschrieben wird, mit welchen Farben wir korrigieren sollen, welchen Stoff wir in welchem Semester unterrichten dürfen (Semestrierung) und welche Worte (Operatoren) wir verwenden sollen, so ist das Ausdruck einer Überreglementierung, die zu wenig Gestaltungsspielraum für Menschen im Betrieb zulässt. Technokratische und bürokratische Verfahren haben zum Ziel, Untertanen für den Staat zu erzeugen und nicht mündige und emanzipierte BürgerInnen einer demokratischen Gesellschaft.

Als kritische und qualifizierte ProfessorInnen, denen Bildung ein Anliegen ist, schmerzt uns diese Entwicklung. Eine demokratische und kreative Schule braucht keine an Bürokratie und an die Vorgaben von Bildungsexperten angepassten Pädagoginnen und Pädagogen. Schule und Bildung benötigt SchülerInnen und LehrerInnen, die in dem engen Rahmen, der ihnen noch bleibt, möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich arbeiten können und dürfen und motiviert sind, weil gerade dieses ihnen zugestanden wird und sie dafür geschätzt werden. Motivation entsteht aus Gestaltungsspielraum und freier Selbstbestimmung.

Ein Zuviel an Bürokratie, Regeln und Einschränkungen lähmt, demotiviert und tut nicht gut. Wir sprechen uns für eine lebendige, kreative Schule und demokratische Institutionen und Betriebe in einer offenen Gesellschaft aus, in der Transparenz herrscht, in der ehrlich miteinander geredet wird, in der aktiver Gedankenaustausch stattfindet, in der Inhalte und nicht nur Pseudokompetenzen eine Rolle spielen und in der wir uns nicht „zu Tode fürchten“, weil wir nicht immer der Norm entsprechen oder etwas falsch machen könnten.

Wir wollen mit diesem Brief anregen, erneut einen offenen Dialog über den Abbau von Bürokratie und Technokratie und die Stärkung von Demokratie in der Schule und anderen Betrieben zu führen.

Das Kollegium des Bundesrealgymnasiums Viktring, Kärnten