In Hinblick auf die Volksbefragung am 20. Jänner gibt es auch Stimmen, die die Frage Wehrpflicht oder Berufsheer als nebensächlich betrachten und dazu aufrufen, ungültig zu stimmen. Im Sinne einer transparenten Debatte veröffentlichen wir folgenden Meinungsaustausch zwischen KPÖ OÖ und Solidarwerkstatt.


Von
KPÖ OÖ

An
Solidar-Werkstatt Österreich

Liebe KollegInnen!

Wie wir dem Werkstatt-Rundbrief entnehmen findet am 9.1.2013 im Jugendzentrum Stuwe eine Podiumsdiskussion zum Thema Bundesheer Statt. Mit Barbara Blaha, Herbert Tumpl, Eduard Paulus und Boris Lechthaler sind dabei aber leider nur ExponentInnen für Berufsheer oder Wehrpflicht am Podium vertreten.

Nicht nur wir als KPÖ vermissen dabei eine Vertretung der „Variante drei“, nämlich jener Position die nicht nur das Berufsheer ablehnt, sondern für die Abschaffung des Bundesheeres eintritt, bei dieser Diskussion. Auch wenn, wie ich annehme, keine direkten ParteivertreterInnen vorgesehen sind (auch wenn bei Bedarf gerne jemand von der KPÖ dafür zur Verfügung stehen würde), gibt es Gruppen wie der Versöhnungsbund oder die ARGE Zivildienst, welche die fehlende Position ausreichend vertreten können.

Wir ersuchen Euch daher im Sinne der Objektivität der verschiedenen Positionen jemand zu dieser Podiumsdiskussion einzuladen, die oder der die Position für die Abschaffung des Bundesheeres dort vertritt. Wir denken, dass es dem Image einer sich friedenspolitisch verstehenden Organisation abträglich wäre, wenn bei einer solchen Veranstaltung nur ExponentInnen pro Bundesheer, egal ob als Berufsheer oder mit Wehrpflicht, nicht aber grundsätzliche AbrüstungsbefürworterInnen vertreten sind.

Mit freundlichen Grüßen!
Leo Furtlehner, Landessprecher KPÖ OÖ

 

Solidarwerkstatt Österreich
Waltherstraße 15
4020 Linz

An
Kommunistische Partei Österreich
Melicharstraße 8
4020 Linz

Wien, am 16. Dezember 2012

Euer Mail vom 4. 12.2012, Podiumsdiskussion: Friedens- und sicherheitspolitische Zukunft Österreichs - Neutralität oder EU-Armee? Wehrpflicht oder Berufsheer? – 9.1.2013, Linz

Liebe KollegInnen, Hallo Leo,

Danke für das Interesse an unserer Veranstaltung am 9. Jänner 2013. Eurem Ansinnen, Euch direkt als KPÖ oder indirekt (Versöhnungsbund oder ARGE Zivildienst) aufs Podium hineinzureklamieren, können wir jedoch nicht nachkommen.  Ihr vermisst eine Vertretung der „Variante drei“, .. . die nicht nur das Berufsheer ablehnt, sondern für die Abschaffung des Bundesheeres eintritt, bei dieser Diskussion.“ Wir haben diese Variante deshalb nicht berücksichtigt, weil es sie faktisch nicht gibt.

Es ist ein Bewegungsprinzip der Friedensbewegung immer den breitest möglichen Konsens gegen den nächsten konkreten Schritt gewaltförmiger Eskalation des Eliteninteresses von unten her herzustellen, um diesem entgegenzutreten und ihn zu verhindern.  In diesem Sinne wurde z. B. in den 1980’er Jahren gegen die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen durch die Nato mobilisiert, oder vor 10 Jahren gegen die US-Aggression gegen den Irak. Differenzen hinsichtlich der Frage, wie jemand grundsätzlich zur atomaren Bewaffnung oder bewaffneter Verteidigung steht, wurden dabei hintangestellt. Vielfach wurde die Unterstützung der Friedensbewegung durch aktive Militärs in diesen Auseinandersetzungen als besonders wertvoll erachtet. Von oben wurde immer wieder versucht, diesen Konsens, dieses Bewegungsprinzip, aufzubrechen, indem scheinbar grundsätzliche Fragen vor die konkreten Entscheidungen geschoben wurden. Weil man grundsätzlich gegen Nuklearwaffen sei, habe es keinen Sinn gegen die konkrete Stationierung von Cruise Missiles und Pershing II Raketen einzutreteten, weil man grundsätzlich gegen Krieg sei, habe es keinen Sinn gegen den Angriff auf den Irak einzutreten. In Hinblick auf die Volksbefragung am 20. Jänner 2013 mündet der Versuch zur Spaltung einer breiten Bewegung von unten gegen die Unterordnung unter die EU-Militarisierung in der Forderung nach Abschaffung des Bundesheeres. Weil man grundsätzlich gegen bewaffnete Verteidigung sei, wäre die Frage Allgemeine Wehrpflicht oder Berufsheer nebensächlich.

Die Solidarwerkstatt bemüht sich Teil und Motor eines breiten Bündnisses gegen die weitere Einbindung Österreichs in den EU-Militarismus, für die Wiedergewinnung aktiver Neutralitätspolitik zu sein. Die Fragen, wie stehst Du zum Bundesheer oder wie stehst Du grundsätzlich zur bewaffneten Verteidigung, wird von uns dabei bewusst in den Hintergrund geschoben, weil es u. E. eben darum geht, das breitest mögliche Bündnis gegen den EU-Militarismus herzustellen.

Dass dies keine abstrakte Nebenfrage ist, wurde unmittelbar auch in der Vorbereitung zu dieser Veranstaltung deutlich. Bevor wir eine Zusage von AK-Präsidenten Tumpel als Repräsentanten des Personenkomitees „Pro Berufsheer“ bekamen, erhielten wir einige Absagen aktiver Militärs, z. B. von Brigadier Thomas Starlinger. Er „…. befinde (sich) gerade in Hamburg auf einem Kurs zur Vorbereitung auf (seine) nächste Verwendung im Kommando Operative Führung (Ulm). (Er) würde natürlich gerne an (unserer) Diskussion am 9. Jän 2013 teilnehmen, leider befinde (er sich) aber zu diesem Zeitpunkt bereits in Ulm und muss (uns) daher eine Absage erteilen.“ Die Vorsitzende der EU-Aufrüstungsagentur, France-Claude Arnould, bringt es auf den Punkt: „Man kann keine Außenpolitik machen ohne Sicherheitspolitik mit militärischen Kräften, die man auch entsenden kann!“ (Der Standard, 15. 12.2012). Die Fraktion sozialdemokratischer GewerkschafterInnen in der AK-OÖ formuliert in diesem Sinne ebenfalls unmissverständlich und in diametralem Widerspruch zum Programm des ÖGB: „Zur Bewältigung der einsatzwahrscheinlichsten Herausforderungen bedarf es einsatzbereiter und reaktionsschneller Truppen.“

Diese Einsetzbarkeit für globale Interventionen wollen und müssen wir verhindern. Wir wollen die Volksbefragung am 20. Jänner 2013 zu einer Abstimmung über aktive Neutralität oder Einbindung in die EU-Militarisierung machen. Freilich wissen wir, dass wenn die Befragung mehrheitlich pro Allgemeine Wehrpflicht ausgeht, diese Auseinandersetzung noch lange nicht entschieden ist. Wie obiges Beispiel zeigt, werden gerade unter einem sozialdemokratischen Minister auch jetzt bereits Teile des Heeres in aggressive deutsche Verbände integriert. Die Voraussetzungen, dem entgegenzutreten, würden sich jedoch bei einer Mehrheit für eine neutralitätskonforme Sicherheitspolitik deutlich verbessern.

Eine dritte Option sehen wir hier nicht. Die Frage nach „Abschaffung des Bundesheeres“ jetzt zu spielen, hieße zu empfehlen, dass AntimilitaristInnen entweder gar nicht zur Abstimmung gehen oder ungültig votieren und das wäre ein Geschenk an die EuromilitaristInnen.

Freilich wissen wir, dass mit der Volksbefragung am 20. Jänner 2013, auch wenn sie für die Aufrechterhaltung der Allgemeinen Wehrpflicht ausgehen sollte, der Kampf gegen den EU-Militarismus nicht beendet ist. In diesem Sinne haben wir bereits vor Wochen eine Einladung an alle politischen Kräfte ausgesprochen, die gegen die weitere vollständige Integration Österreichs in den EU-Militarismus mobilisieren wollen, ausgesprochen. Eine Einladung, die bisher unbeantwortet blieb. (siehe: http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&view=article&id=747&Itemid=39)

Sinnvoll kann über das Bundesheer u. E. erst entschieden werden, wenn Österreich aus dem Militärpakt EU ausgetreten ist. Die EU-Eliten sind gerade dabei ein historisch einmaliges sozialreaktionäres Programm durchzuziehen. Wir sind in der ganzen Breite mit Angriffen auf Kollektivverträge, das Lohnniveau, die Pensionen, das Gesundheitssystem, den offenen Bildungszugang, die öffentlichen und sozialen Kassen konfrontiert. Alle gesellschaftlichen Bereiche sollen den Interessen der aggressivsten Teile des Monopolkapitals in ihrem Bestreben nach Waren- und Kapitalexport untergeordnet werden. Diese Bestrebungen werden innere und äußere Konflikte aggressiv aufladen.

Mehr als unser „Image“ kümmert uns die Frage, ob wir unserer Verantwortung zur Verhinderung des weiteren Aufbaus militärischer Gewaltmittel zur Durchsetzung dieser Interessen gerecht werden.

Der Vorstand am 16.12.2012