Werner Lang, ein Leser des WERKSTATT-Blatts, hat uns einen Beitrag zur "andauernd neuen Sozialdemokratie" geschickt, in dem er sich kritisch mit "New Labour" auseinandersetzt.
Die Sozialdemokratie wirft nach Kreisky andauernd Berufspolitiker in den herrschenden Politikermarkt und sieht dann, wie oder was für eine Politik dabei herauskommt, so scheint es auf den ersten Blick. Im neoliberalen Zeitabschnitt will man eben als Sozialdemokrat der bessere neoliberale Politiker sein, was auch Schröder und Blair bewiesen. Was lässt aber diese Sozialdemokraten auf einem Pferd reiten, das schon längst durchgegangen ist, also niemand mehr beherrscht, auch nicht einmal mehr das Pferd sich selber, das mit dem Namen Neoliberalismus gerufen wird. Die Freude kann ja nur mehr darin bestehen, dass man sich als sozialdemokratischer Politiker länger im Sattel gehalten hat als alle anderen, egal was man dabei sozialpolitisch anrichtet. Persönliche Karriere von einigen Persönlichkeiten wäre eine Erklärung dafür. Sonst fällt mir als Arbeiter nichts mehr dazu ein.Mithilfe der unten angeführten Literatur habe ich herauszufinden versucht, worin sich die real existierende Sozialdemokratie noch von einem beinharten Neoliberalismus unterscheidet. Wohl auch durch die Illusion, die Opfer des Kapitalismus dem Kapitalismus anzupassen zu können, nicht durchschauend, dass eben der Kapitalismus von den Aufopferungen der arbeitenden Menschen für diese Gesellschaft lebt. Wenn man von einer neoliberalen Grundlage aus etwas für Arbeiter herausholen will, vergisst man, dass man sich darin in eine zum Teil weltfremde Ideologie begibt, die nichts mit der Realität zu tun hat. (Von der Grenznutzentheorie angefangen bis zu einer menschenverachteten Wirtschaftsideologie eines Hayek oder Friedman.). Das Anliegen der früheren Sozialdemokratie war es noch, die Arbeiter mächtiger und dadurch das kapitalistische System kompromissbereiter für die Anliegen der Lohnabhängigen zu machen.
Seit mit dieser Linie keine Mehrheit mehr zu erringen ist, ging man zur Marke Clinton/Blair über. Das heißt, sie sehen noch die Verantwortung des öffentlichen Sektors für die Folgen eines reinen Laissez-faire-Kapitalismus, aber sie sehen das eigentliche Problem nicht mehr. Das eigentliche Problem für eine Arbeiterpartei ist der Laissez-faire-Kapitalismus selbst. In diesem etwas „machen“ zu wollen, heißt für ihn zu arbeiten und nicht gegen ihn. Auch wenn sie versuchen, die Exklusion zu verhindern und die Ausgeschiedenen wieder auf den Arbeitsmarkt zurückzubringen. Die Sozialdemokratie ist heute eine neoliberale Partei. Schröder/Blair behaupteten, den Neoliberalismus müsse man von seinem sozialkonservativen Ballast befreien und ihn mit einem Diskurs der Modernität ausstatten. Das nannte Giddens „Dritter Weg“. Was dabei herauskam, hat uns Blair und Schröder vorgeführt.
In Österreich sahen sich schon in den 1980er Jahren die Regierungen Sinowatz und Vranitzky „gezwungen“, so hieß es, „im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft eine neoliberale Reform nach der anderen umzusetzen“. Das Ergebnis war, dass die Lohnquote seit 1981 kontinuierlich sank. Was ein neoliberaler Politiker ist, zeigte uns Viktor Klima. Er ließ sich die ÖMV – Pension bar auszahlen (730 000 Euro) schied unrühmlich aus der Politik aus und wurde Konzernmanager. Klima war keine Ausnahme, auch Streicher u.a. strichen Millionen ein. Es scheint so, als wäre für sozialdemokratische Politiker die Politik nur ein Karrieresprung in die Wirtschaft. Warum sollten solche Politiker die Interessen von Lohnabhängigen vertreten? Nach dem Abgang von Klima setzte Gusenbauer das Schröder/Blair Modell in Österreich fort. Das hat damit nichts zu tun ob Gusenbauer das Modell kannte oder nicht, seine Politik entsprach dem Modell, zum Beispiel, wenn wir die „Grundsicherung“ betrachten, so war das tatsächlich nur ein Instrument zur Zwangsintegrierung von Erwerbslosen in unterbezahlte Lohnarbeit.
Der sozialpolitische Kahlschlag, so wie von der Wirtschaftskammer seit Jahren gefordert, wurde auch nach Schwarz/Blau weiter durchgeführt. Auf die heutige in der Regierung sitzende Sozialdemokratie fällt mir nicht mehr ein als das Wort „Korruptionsausschuss“. Von der hochgepriesenen Gleichheit der alten Sozialdemokratie verblieb theoretisch nur mehr von all dem „die Gleichheit bei den Startbedingungen“, die sich praktisch bei Arbeiter und Angestellten gar nicht durchführen lässt. Was eigentlich als Gleichheit aus der Sicht der Unternehmer bezeichnet werden könnte, wird auf Lohnabhängige umgemünzt. Das Bereitstellen von fairen Startpositionen braucht nämlich eine immer wachsende Anzahl von Arbeitsplätzen. Die Unternehmer stellen aber die Arbeitsplätze bereit. Die Logik daraus: Diejenigen, die Arbeitsplätze schaffen können, dürfen nicht benachteiligt werden. Die Risiken, die für die Bereitstellung von neuen Arbeitsplätzen entstehen (Standortsicherung), müssen kompensiert werden durch leichtere Kündigungsmöglichkeiten, Senkung der Reallöhne, Senkung von Lohnnebenkosten usw. Nur wenn die Interessen der Unternehmer berücksichtigt werden, sind diese bereit, mehr Arbeit anzubieten und das führt auch letztendlich zu einer Besserstellung der Benachteiligten, heißt es. Neoliberal ausgedrückt heißt das: Wenn sich Reichtum vermehrt, werden schon ein paar Brocken davon unten ankommen. Der Unterschied liegt nur mehr darin, dass man die menschenfeindliche Ideologie des Neoliberalismus in eine soziale Sprache verpackt, wie es Giddens in seinem Buch „Der dritte Weg“ vorgemacht hat. Es scheint, das ist es, was von der Propaganda der Sozialdemokratie heute bleibt, die einmal von einer Überwindung der kapitalistischen Gesellschaftsform sprach, da diese immer wieder in soziale Katastrophen führe. (Siehe: Hainfelder Parteiprogramm).
Die neoliberale Politik der Sozialdemokratie weist eine an Absurdität nicht mehr zu überbietende Logik aus. Sozial gerecht soll sein, was Wachstum schafft, aber gesellschaftliche Ungleichheit wird dabei als Motor für ökonomische Produktivitätssteigerung begriffen, also ist soziale Ungleichheit sozial gerecht. Was bleibt ist, dass man jedem Lohnabhängigen letztendlich einen Job aufzwingen muss, auch wenn die nicht mehr davon leben können. Wenn eine solche Politik betrieben wird, nimmt man die Entstehung einer demotivierten Unterschicht billigend in Kauf. Wer es noch nicht weiß, wird es durch die neuen Angriffe auf die sozialen Leistungen, die eine Sozialdemokratie durchzieht, am eigenen Leib früher oder später erfahren. (Pensionsraub, Lohnerhöhungen unter der Teuerungsrate usw.). Die Sozialdemokratie, so wie sie als staatstragende Partei zurzeit fungiert, ist keine Partei der Lohnabhängigen mehr. Damit haben sie sich sogar den Weg zurück zu Keynes verbaut, der für einen „Vernünftigen Kapitalismus“ gestanden ist und mit deren Hilfe ein Roosevelt in den 1930er Jahren eine ganz andere Krisenpolitik durchgezogen hat als die jetzige einseitige Belastungspolitik der Regierenden heute.
Literaturunterstützung
Die Hinweise auf Zitate, aus dieser hier angeführten Literatur, wurden, um den Text leserlich zu erhalten, weggelassen.
Benjamin Opratko; „Quo Vadis, Sozialdemokratie?“, Perspektive, Magazin für linke Theorie und Praxis, 2007
Ton Veerkamp, „Der Gott der Liberalen“, Argument Verlag, 2. Auflage 2007
Giddens, Anthony; „Der Dritte Weg. Die Erneuerung der sozialen Demokratie“ Frankfurt 1998SPÖ; Das Grundsatzprogramm, 1998. (Darin wird „Teilhabegerecht“ als Gegenentwurf zur Verteilungsgerechtigkeit ins Spiel gebracht)
Wolf Dieter Narr, Claus Offe, „Wohlfahrtsstaat und Massenloyalität“, Kiepenhauer und Witsch, Köln, 1975
Zeitschrift NEWS, Verlagsgruppe NEWS GmbH 12.Febr. 2001 (geschätzte 1o Millionen Schilling lies sich Klima die ÖMV - Pension auszahlen. Das war so üblich.)
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