Der Psychotherapeut Karl Auer aus Innsbruck hat einen Offenen Brief an Medien und Entscheidungsträger gerichtet, der von rund 180 Menschen mitunterzeichnet wurde. Die Entscheidungsträger werden aufgerufen, in der Coronakrise die BürgerInnen wieder als mündigen Souverän zu erachten, von den Medien eine  diversifizierte und differenzierte Berichterstattung gefordert.


Mag. Karl Auer
Psychotherapeut, Supervisor, Coach
Claudiastraße 16
6020  Innsbruck

Innsbruck, am 19.4.2020


OFFENER BRIEF

Betreff: Aufforderung, BürgerInnen wieder als mündigen Souverän zu erachten sowie  Aufforderung zu einer diversifizierten und differenzierten Berichterstattung

Sehr geehrte Damen und Herren,
 

wir befinden uns in einer gesellschaftlichen Ausnahmesituation, in der Bilder des Schreckens und angsterregende Zahlen der Covid-19 Ausbreitung eine Kette von Reaktionen in Gang gesetzt haben, die zu immer rigoroseren Maßnahmen führten und unser vertrautes Alltagsleben in vielen Bereichen zum Erliegen brachten.
Dramatische Bilder und Berichterstattung wirken auf die menschliche Wahrnehmung und in der Folge auf die persönliche Urteilsbildung unmittelbarer ein, als rationale Fakten. Dieser im wörtlichen Sinne sehr entscheidende Faktor stellt auch in der vorherrschenden Situation einen zentralen Aspekt dar. Die nahegehenden Bilder rufen unseres Erachtens ein so hohes Maß an Betroffenheit bzw. Angst hervor, dass  besonnene Bezugnahmen auf fundierte Daten und daraus abgeleitete Appelle zur sorgfältigen, vergleichenden Diskussion im Prozess der Gefahren-Einschätzung abgewehrt werden und unerhört bleiben.

• Ausgewiesene Wissenschaftler, welche in vergangenen Epidemien noch als Referenz-Experten zu Rate gezogen wurden und sich heute relativierend zu Wort melden, werden verleugnet und diffamiert.
• Menschen, die dazu auffordern, die Verhältnismäßigkeit der verhängten Maßnahmen einer differenzierten Prüfung zu unterziehen, werden hingestellt als welche, die verantwortungslos die Gefährdung anderer in Kauf nehmen.
• Das Verhältnis von verantwortungsbewusstem Verhalten und Schutz wurde umgekehrt, sodass gesundheitsförderndes Verhalten (Wandern, Jogging, Radfahren)  kriminalisiert und mit Strafe belegt wurde. (Tirol)

Ist das  Mißtrauen seitens politischer Entscheidungsträger in Bezug auf Selbstverantwortung und  Mündigkeit – ironischer Weise jenen gegenüber, deren Reife zum Zeitpunkt von Wahlen stets hervorgehoben wird -  tatsächlich so groß, dass Maßnahmen der rigorosen Beschränkungen vor solche der Aufklärung und Mündigkeit gereiht  werden müssen? Drastische Einschränkungen elementarer Grundwerte werden unter dem Deckmantel von Schutz als General-Argument eingesetzt und als einzig adäquates Mittel propagiert. Dies erscheint uns demokratiepolitisch mehr als besorgniserregend. Die Folgen der Isolations-Maßnahmen dürfen in deren psychischen Dimension sowie in deren Auswirkungen auf das soziale Miteinander nicht länger unterschätzt werden. Psychische Belastungen - gleich wie schwere Beeinträchtigungen der sozialen Beziehungen - schwächen das menschliche Immunsystem signifikant.

Die ursprüngliche Intention - nämlich Schutz vor Infektion bzw. möglicher Überlastung der Patientenversorgung  - mündete in Maßnahmen der Einschränkungen und Repression. Als könnte man gesundheitliche Gefährdung einzig dadurch abwenden, indem man möglichst große Teile der Gesamtbevölkerung isoliert.

Der Verfasser sowie die UnterstützerInnen dieses Schreibens fordern
 
• ...Sie als politischen Entscheidungsträger auf, dem Souverän - entsprechend seiner Mündigkeit und Fähigkeit zu verantwortungsvollem Handeln - wieder zu vertrauen. Unterstützen Sie die Menschen in Ihren Möglichkeiten zur gesundheitlichen Selbstfürsorge sowie in deren Fürsorge gegenüber ihrer Nächsten. Bevormundende Maßnahmen stellen das Gegenteil her.
• ...Sie als relevantes Medienunternehmen dazu auf, zu einer differenzierten und diskursiven Berichterstattung zurück zu kehren. Gerade in Zeiten von Krisen ist eine kritische Medienberichterstattung - aus demokratiepolitischer Sicht als Gegengewicht zu überschwemmenden,  strategischen Informationen - von besonderer Bedeutung.
• ...Ihr bisheriges Vorgehen betreffend Gefahreneinschätzung und daraus abgeleiteter Maßnahmen bzw. der vorwiegend gleichlautenden Berichterstattung einer selbstkritischen Reflexion zu unterziehen.

Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Karl Auer

Dieser Offene Brief wird von rund 180 Menschen unterstützt. Er ergeht an
• Büro des Landeshauptmann von Tirol
• Grüner Klub Tirol
• Grüner Klub Innsbruck
• Parlamentsklub der Grünen
• Parlamentsklub ÖVP
• Klub ÖVP-Tirol
• ORF-Tirol
•ORF-Wien
• Tiroler Tageszeitung

Sowie zur Kenntnis an:
• Parlamentsklub SPÖ
• Parlamentsklub Neos
• Klub SPÖ-Tirol
• Klub Neos-Tirol