
Am 20. Januar 2013 findet eine österreichweite Volksbefragung statt, bei der wir vor die Wahl gestellt werden, ob wir
· für die Einführung eines Berufsheeres und eines bezahlten freiwilligen Sozialjahres
oder aber
· für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes sind.
Genauso gut – oder besser gesagt: genauso schlecht könnte die Fragestellung lauten:
„Sind Sie für die Pest oder für die Cholera?“, oder:
„Möchten Sie lieber einen Schlag ins Gesicht oder einen Tritt in den Hintern?“, oder auch:
„Was wäre Ihnen denn lieber: Ein Knollenblätterpilzragout mit Nockerln oder ein Rhizinussupperl mit frischen Salmonellen?“
Was ich damit sagen möchte, ist, dass wir am 20. Januar 2013 gezwungen sein werden, uns in Ermangelung einer echten Alternative zwischen zwei großen Übeln zu entscheiden.
Was mich betrifft, so bin ich als Pazifist schon seit meiner Jugend ein engagierter Gegner der allgemeinen Wehrpflicht, weil es für unsere jungen Männer erheblich wichtigere und konstruktivere Dinge zu erlernen gibt als verschiedene Methoden, andere Menschen umzubringen, und da Österreich mittlerweile ausschließlich von befreundeten Nationen umgeben ist, wäre es heute auch kein Sicherheitsrisiko mehr, das Bundesheer komplett abzuschaffen und durch eine unbewaffnete Katastropheneinsatztruppe zu ersetzen.
Die Beseitigung der Wehrpflicht zugunsten eines allzeit kampfbereiten, auf EU-verfassungskonforme ‚friedenssichernde Präventivschläge‘ gedrillten Berufsheeres wäre allerdings ein fataler, unkorrigierbarer Schritt in die falsche Richtung, weil damit zugleich auch das endgültige Ende unserer – von unseren Fehlentscheidungsträgern in künstlichen Tiefschlaf versetzen, aber erstaunlich todesstoßresistenten – Neutralität besiegelt wäre.
Laut Hannes Androsch, seines Zeichens ehemaliger Finanzminister, Leider-Nein-Millionär und Steuerhinterzieher in Personalunion und neuerdings Leiter des ‚Personenkomitees für die Abschaffung der Wehrpflicht‘ hat das Bundesheer die Aufgabe, „im europäischen Verbund in Zusammenarbeit mit der NATO einsatzbereit zu sein, die Rohstoff- und Energiequellen zu verteidigen, die Transportwege, Seewege und Pipelines. Dazu kommt das Flüchtlingsproblem, Terrorismus und Cyberwar.“
In der 2009 publizierten EU-Militärstudie ‚What Ambitions for European defence in 2020‘ (Welche Ziele hat die europäische Verteidigung bis 2020?) heißt es unter anderem:
„Die OECD-Staaten, das sind die EU-Staaten, USA, Kanada, Australien und Japan, müssen mit den transnationalen Konzernen, das sind die 1.000 größten Vermögen, eine symbiotische Beziehung finden… Die Nr. 1-Priorität der EU ist der Schutz des globalen … ökonomischen Flusses … Sie muss den Fluss der transnationalen Ströme sichern und gegenüber den Staaten, die sich dem entgegenstellen, kann es zur direkten militärischen Konfrontation kommen…“
Dass einem Großindustriellen wie Hannes Androsch die Verteidigung des Zugangs zu Rohstoffen und Energiequellen mit militärischen Mitteln ein wichtiges persönliches Anliegen ist, versteht sich von selbst. Für ein dazu befähigtes Heer würde man natürlich, so Androsch in einem Interview im Juni 2012, „viel mehr Geld“ benötigen, um kurz darauf, noch während des gleichen Interviews, die enormen Kosten des „riesigen Sozialbereichs“ anzuprangern. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…
Darüber hinaus wäre ein Berufssoldat auch viel eher als ein Grundwehrdiener dazu bereit, im Falle von kapitalfeindlichen Unruhen im eigenen Land den von seinem Vorgesetzten erteilten Schießbefehl auch tatsächlich zu vollstrecken, weil das bedingungslose Befolgen von Befehlen nun einmal zu seinen fundamentalsten Pflichten gehört. Dass diese Behauptung mehr ist als nur die Ausgeburt einer paranoiden Phantasie, belegt nicht zuletzt eine von EU-Kommissionspräsident Barroso an die Gewerkschaften in südeuropäischen Staaten gerichtete Drohung, „dass sie als Demokratien, wie wir sie bisher kennen, verschwinden könnten, wenn sie nicht bereit sind, die Sparpakete durchzuführen.“ (Daily Mail, 15.6.2010)
Ein Berufsheer wäre folglich also nicht nur ein wirksames Instrument für rohstoffmotivierte, als humanitäre Aktionen getarnte Angriffskriege, sondern auch eines zur Bekämpfung missliebiger inländischer Oppositionsströme gegen die von symbiotischen, multikorrupten Politikern verordnete Umverteilungspolitik zu Lasten der Arbeitenden, der Besitzlosen, der Alten, der Kranken und der Jugend.
An dieser Stelle ist es für mich an der Zeit, zu gestehen, dass ich anfangs über die perfide Fragestellung dieser Volksabstimmung so empört war, dass ich mich eigentlich gar nicht daran beteiligen wollte. Je gründlicher ich mich allerdings darüber informierte, desto mehr wurde mir bewusst, dass es hier eben nicht nur um die Frage ‚Berufsheer oder Wehrpflicht‘ geht, sondern um etwas ungleich Wichtigeres, nämlich um die Frage ‚Berufsheer oder Neutralität‘.
Der Preis, den wir für die Rettung der Neutralität zu bezahlen haben, ist die Beibehaltung der Wehrpflicht. Und auch wenn ich diesen Preis nur zähneknirschend und mit großem Widerwillen bezahle, so gibt es doch für mich – zumindest bei dieser Volksbefragung - keine Alternative dazu.
Daher bitte ich alle, denen an unserer Neutralität noch etwas liegt, am 20. Januar 2013 an der Volksbefragung teilzunehmen und für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht zu stimmen – auch wenn es uns nach dem Hinunterwürgen des Rhizinussupperls eine ganze Weile lang ziemlich beschissen gehen wird.
(Quellen: Gewerkschafter/innen gegen Atomenergie und Krieg, Solidarwerkstatt Linz, Oberösterreichische Nachrichten, ISS European Union)
Dietmar Füssel, Ried im Innkreis (OÖ)