Image Buch des Osteuropaexperten Hannes Hofbauer über die Umwandlung des Kosovo in eine EU-Kolonie.

Promedia-Verlag (2008), EUR 17,90 (exkl. Versand).

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Am 17. Februar 2008 hat das Parlament in Prishtine die Unabhängigkeit des Kosovo ausgerufen. Der 47. Staat in Europa spaltet damit nicht nur Serbien, sondern auch die internationale Gemeinschaft. Die Gegner der Sezession berufen sich auf das Völkerrecht, die KSZE-Akte von Helsinki und die UN-Resolution 1244 aus dem Jahr 1999, die eine territoriale Integrität Jugoslawiens garantiert hatte. Die Befürworter der Unabhängigkeit argumentieren mit von Serbien verletzten Menschenrechten gegen die kosovarische Mehrheitsbevölkerung vor dem NATO-Angriff und dem Recht des Stärkeren danach. Als Präzedenzfall einer einseitig deklarierten Grenzverschiebung setzt die Entwicklung im Kosovo einen völkerrechtlichen und politischen Schlussstrich unter die europäische Nachkriegsentwicklung.

Kosovo startet als „gescheiterter Staat“ in eine neue Epoche. Die Kernelemente seiner Wirtschaft funktionieren nicht, sozialer Aufstieg spielt sich zwischen Schwarzmarkt und Massenemigration ab und seine politische Elite folgt äußerem Druck. Dies in Rechnung stellend war von Seiten Washingtons und Brüssels niemals an eine echte Selbstbestimmung gedacht. Der von der UNO verworfene und gleichwohl von den USA und der EU in Kraft gesetzte Ahtisaari-Plan schreibt eine überwachte Unabhängigkeit vor, die sowohl Legislative als auch Exekutive in fremde Hände legt. Militärisch herrscht die von den USA geführte KFOR-Truppe, zivil wird das Land mittels allerlei Kürzeln von der Europäischen Union verwaltet.

Der Übergang vom UN-Protektorat zur EU-Kolonie passiert schleichend. Eine „Koalition der Willigen“ abseits der UNO bestimmt über das Schicksal des kleinen, knapp zwei Millionen EinwohnerInnen zählenden Landes. Von der Rechtsprechung über politische Verwaltung bis zur polizeilichen und militärischen Exekutive öffnet sich ein weites Experimentierfeld für hauptsächlich westeuropäische und nordamerikanische Institutionen. Gesellschaftliche Abläufe jenseits bürgerlicher Gewaltenteilung und demokratischer Selbstbestimmung können nach erfolgreichen Probeläufen im Kosovo später anderswo, nötigenfalls auch in Kerneuropa, Platz greifen.

Zum besseren Verständnis der aktuellen Situation zeichnet Hannes Hofbauer die Geschichte des Kosovo von der 500 Jahre dauernden osmanischen Fremdherrschaft über die verschiedenen Befreiungsansätze bis zur serbisch-nationalen Epoche im 20. Jahrhundert nach. Der Eingliederung des Kosovo in das titoistische Jugoslawien sowie dessen katastrophales, von Bürgerkriegen gezeichnetes Ende wird im Buch ebenso behandelt wie die hinter der kosovarischen Unabhängigkeitsbestrebung stehende „albanische Frage“.

Der Autor: Hannes Hofbauer, Jahrgang 1955, hat Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien studiert. Er arbeitet als Journalist und Publizist. Seit 1989 bereist er die Länder Osteuropas. Zuletzt ist von ihm im Promedia Verlag der Titel “EU-Osterweiterung. Historische Basis – ökonomische Triebkräfte – soziale Folgen“ (Wien 2007) erschienen. Sein Buch „Balkankrieg. Zehn Jahre Zerstörung Jugoslawiens“ erlebte mehrere Auflagen.