Interview mit dem Solidarwerkstatt-Aktivisten Rudi Schober über seinen neuen Film „Globocnik – Vollstrecker der Aktion Reinhardt“.

Werkstatt-Blatt: Du hast ein Dokumentations-Video über Odilo Globocnik gemacht. Vielen ist heute Globocnik überhaupt nicht bekannt. Wer war dieser Odilo Globocnik?

Rudi: Odilo Globocnik wurde 1904 in Triest, das damals zu Österreich-Ungarn gehörte, geboren. Er war Österreicher, der keiner sein wollte. Er war deutschnationaler Burschenschafter und illegale Nazi. Nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland erlebt er einen raschen Aufstieg zum Gauleiter von Wien und schließlich zum Leiter der „Aktion Reinhardt“ im Generalgouvernement Ost. Dort leitete er den millionenfachen Massenmord, den Holocaust, an Juden und Roma in Polen und der Ukraine ein. Als die Befreier nahten, wurde Globocnik in seine Geburtsstadt Triest versetzt. Im Mai 1945 versuchte er noch zu fliehen, wurde von einem britischen Kommando gefangen genommen und beging schließlich Selbstmord. Obwohl Globocnik einer der Hauptorganisatoren des NS-Massenmords war, ist er tatsächlich bei uns kaum bekannt.

Wie bist du selbst auf Globocnik gestoßen?

Ich bin bei einem Aufenthalt in Triest zufällig auf ihn gestoßen. Triest war ja die letzte Station seiner Tötungsmaschinerie. Er ließ dort in der Risiera San Saba, einer ehemaligen Reismühle, das einzige KZ in Italien errichten, in dem er tausende Juden und Partisanen inhaftieren, quälen und ermorden ließ.

Wie hast du versucht, die Geschichte dieses Massenmörders im Film nachzuzeichnen?

Ich bin mit meiner Frau zu den Originalschauplätzen gefahren und dort haben wir auch gedreht. Wir waren in Auschwitz, Majdanek, Treblinka. Wir waren an seiner damaligen Wohnadresse in Lubin, die es heute noch gibt. Wir waren in jenem Waisenheim in den Nähe von Lubin, wo alle jüdischen Kinder von der SS mit Genickschuss ermordet wurden. An all diesen Orten haben meine Frau und ich Texte eingesprochen, die die jeweiligen historischen Begebenheiten und die historischen Hintergründe näher ausleuchten, sich aber auch mit der Person Globocnik auseinandersetzen. Denn auch die menschlichen Abgründe dieser Figur machen schaudern. Odilo Globocnik, ein völkischer Eiferer, zerfressen von Ehrgeiz und Karrieredrang, ein eiskalter Organisator des industriellen Massenmords, wird im persönlichen Umgang als jovial und freundlich beschrieben.

Das Video zu Globcnik ist dein vierter Film, in dem du dich mit der NS-Zeit auseinandersetzt. Davor hast du Dokumentationen zum Widerstand im Salzkammergut, zur sog. „Mühlviertler Hasenjagd“ und über Ernst Kaltenbrunner, ebenfalls einem Organisator des NS-Massenmordes, gedreht. Woher kommt deine Motivation?

Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht beurteilen. Natürlich kann die heutige Zeit nicht mit damals gleichgesetzt werden, aber es gibt Alarmsignale, die wir ernst nehmen müssen: Faschismus und Neoliberalismus haben eine gemeinsame ideologische Wurzel im menschenverachtenden Sozialdarwinismus, wo sich der Starke rücksichtslos gegen den Schwächeren durchsetzen darf. Dieser Neoliberalismus ist in der EU-Verfassung verankert. Die EU selbst entwickelt sich immer stärker zu einer imperialen Macht, die wieder nach Osten drängt und in der Ukraine neofaschistische und antisemitische Kräfte unterstützte, um einen Regime-Change in Kiew zu erzwingen. Es wird nur zu rasch vergessen, dass auch die Nazis sich als Bannträger eines „europäischen Imperiums“ sahen. Dass das EU-Parlament anlässlich des 80. Jahrestages des Beginns des 2. Weltkriegs mit großer Mehrheit eine Resolution beschließt, in der die Kriegsschuld der Nazis relativiert und die Schlächter und die Befreier von Auschwitz auf eine Stufe gestellt werden, macht mich fassungslos. Es zeigt, wie wichtig es ist, solche Filme zu machen, um dieser Geschichtsfälschung entgegenzutreten.

(November 2019)


Das Dokumentations-Video über Odilo Globocnik kann hier bestellt bestellt werden.

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