Den wahlwerbenden Parteien wurden drei Fragen zur Einführung von Smart Metern gestellt. Die Antworten werfen eine gravierende Frage auf.

 Der österreichische Rechnungshof hat nicht nur die Vorgänge der Einführung des elektronischen Stromzählers Smart Meter in Österreich unter seine Lupe genommen. Die Ergebnisse der obersten Prüfinstanz wurden im Jänner 2019 veröffentlicht. (1) Ein wahres „Sittenbild der Verkommenheit“ (Kurier 11.1.2019) zwischen Politik und Wirtschaft ist damit der Öffentlichkeit präsentiert worden.

Wenige Wochen später im Mai 2019 zeigt ein Österreichweit bekanntes Video aus Ibiza beispielhaft auf, wie dieses Sittenbild der Verkommenheit, nochmals präzisiert, funktionieren kann. Aufgrund dieses Videos folgen Nationalratswahlen am 29. September 2019. Diese anstehenden Wahlen nehmen wir zum Anlass, den Wahlwerbenden drei Fragen zu stellen. Drei Fragen, welche sich als  Conclusio aus dem desaströsen Rechnungshofbericht und den unerfreulichen Erfahrung von Stromkonsumentinnen zu Smart Meter ergeben.

Angesichts der bevorstehenden Wahlen im September 2019 ersuche ich Sie daher um die Beantwortung folgender drei Fragen:

  1. Wie gedenken Sie mit dem Ergebnis des Prüfberichts des Rechnungshofes umzugehen?
  2. Sind Sie angesichts des vernichtenden Befundes des Rechnungshofes bereit, das Roll out der Smart Meter zu stoppen - um die wirklichen Kosten und Risiken von Smart Metern in einem nicht von Lobbyinteressen verfälschten Prozess bewerten zu können?
  3. Sind Sie bereit, den KonsumentInnen eine echte Wahlmöglichkeit einzuräumen, d.h. die Möglichkeit eines Strommessgeräts, das über keine Schnittstelle für eine Fernauslese verfügt (und daher Schutz vor Elektrosmog, Überwachung und Fernmanipulation bietet).

Diese drei Fragen ergingen am 10. Juli 2019 an die Kontaktmailadressen von ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne, NEOS und Liste Pilz mit dem Hinweis, welches Prüfungsergebnis der Rechnungshof im Jänner 2019 zum Thema Smart Meter veröffentlichte.

Bis einschließlich 15. September 2019 kamen zwei Antwortschreiben retour, von der ÖVP/Liste Kurz und den Neos. Die weiteren vier wahlwerbenden Listen haben entweder kein politisches Interesse oder keine fachliche Kompetenz, Stellung zu diesen, für Konsumentinnen sehr wichtigen Fragen zu nehmen.

„Ignoranz oder Bosheit – das ist hier die Frage“

Das Antwortschreiben der Liste ÖVP bzw. Liste Kurz ist besonders erwähnenswert, da es im Besonderen den Umgang mit Konsumentinnen und entsprechenden thematischen Wissen aufhorchen lässt.

Wir Zitieren auszugsweise den streckenweise wiederholenden Antworttext der ÖVP bzw. Liste Kurz:

Wir nehmen Ihre Kritik selbstverständlich ernst. Bereits im Jahr 2009 haben alle EU-Staaten gemeinsam beschlossen, dass intelligente Messgeräte – die sogenannten Smart Meter – bis 2020 in Europa flächendeckend eingeführt werden.“

Hier soll eine Unwahrheit, kurz zur Wahrheit umgedeutet werden. Richtig ist zwar, dass eine EU-Richtlinie die Einführung von Smart Meter fordert, allerdings unter der Vorgabe, dass vor einer positiven Entscheidung der Einzelstaaten eine unabhängige Kosten- Nutzenrechnung einen wesentlichen Kostenvorteil zugunsten der Smart Meter ausweisen kann. 80% aller Stromanschlüsse sollen dann von Smart Metern erfasst sein.

Doch genau hier setzt die massive Kritik des Rechnungshofes an. Denn die Studie, die in Österreich zu einem positiven wirtschaftlichen Ergebnis kam, wurde von PriceWaterHouse Cooper erstellt, einem Unternehmen, das alles andere als „unabhängig“ ist, sondern selbst eng mit der Smart Meter-Lobby verbandelt ist. Entsprechend unseriös – so der Rechnungshof – waren die Ergebnisse dieser Studie: Formalfehler, inhaltlich falsche Angaben bis hin zur formellen Beeinflussung der Auftraggeber wie E-Control, führten zum manipulierten Ergebnis der Zwangseinführung von Smart Metern.

Weiter im Antwortschreiben der ÖVP:

Österreich hat sein Gesetz 2012 erlassen, 2017 wurde es novelliert. Die Novelle brachte vor allem Abänderungen, die dem Kunden dienen, weil sie Unklarheiten beseitigt und diverse Vorteile einleitet.“

Die zuständige erlassende Behörde E-Control kann keine Gesetze erlassen, sondern maximal  Verordnungen erlassen. Im Dezember 2017 wurde die IMO 2017 (Intelligente Messgeräte Verordnung 2017) erlassen. Diese brachte für die Konsumentinnen gravierende Nachteile. Unter anderem jenen, dass der damalige Minister Mahrer mit der IMO 2017 alle Möglichkeiten eines wirklichen Opt Out für Stromkunden/Innen, folglich eine Ablehnung des Smart Meter, verunmöglicht hat. Noch im § 83 EIWOG vom Juli 2013  ist ein Ablehnen des Smart Meter rechtlich gedeckt gewesen. Welche die zitierten „diversen Vorteile“ sein sollten, müssen wir bei der Industriellenvereinigung erst erfragen.

Weiter im Antwortschreiben:

„Mit der Verordnung wird diese Frist verlängert (spätestens 2022), um mehr Zeit für die Umstellung zu erhalten. Das Feedback während der Begutachtung ist vielfach positiv gewesen, aber auch die kritischen Einwände wurden gewissenhaft geprüft. Die Novelle ist in Kraft.“

Zu dieser Aussage fehlen uns einfach die Worte! Es ist nicht erfassbar, ob vorgetäuschte Unwissenheit oder grundlegende Bosheit in diesem Teil der Antwort zu unseren drei Fragen vorherrscht.

Weiter im Schreiben:

„Das Umwelt- und Energiebewusstsein wird gefördert, das Stromsparen erleichtert und damit dem Geldbörserl geholfen. Studien der EU-Kommission zeigen, dass durch den Einsatz von Smart Metern bis zu 10% Strom- sowie 10% CO2-Einsparungen möglich sind.“

Das unabhängige und renommierte Fraunhofer Institut in Deutschland hat eindeutig festgestellt, dass mit Smart Meter bei Normalverbrauchern maximal 3% des individuellen Stromverbrauches, mit hohem Willen dazu, eingespart werden kann. In Eurobeträgen fürs „Geldbörserl“ sind das 3 bis 7 Euro, pro Jahr! Maximal! Da neuzeitlich CO2 in aller Munde ist, wird eine „10% CO2-Einsparungen möglich“ behauptet, was sich seriös keineswegs belegen lässt. Außerdem keine Erwähnung, dass Smart Meter – im Unterschied zu Ferraris-Stromzählern – auch selbst Strom für ihren Betrieb verbrauchen. Keine Erwähnung, dass die Smart Meter aufgrund ihrer kurzen Lebensdauer – rd. 8 bis 10 Jahre (Ferraris: 50 Jahre und länger!) – massive ökologische Probleme durch Elektroschrott erzeugen. Keine Erwähnung, dass über „kreative Stromtarife“, wie sie mit Smart Meter möglich werden, eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung für viele StromkundInnen ins Haus steht.

Den Rest des Antwortschreibens der ÖVP bzw. Liste Kurz, das ständige Wiederholen sinnentleerter Phrasen, ersparen wir uns. Und merken an: Die ÖVP hat jene Ministerien besetzt, welche maßgeblich zur Einführung der Smart Meter - unter den vom Rechnungshof massiv kritisierten Umständen - beigetragen haben.

Das Antwortschreiben der NEOS ist etwas differenzierter. Der Wahlsituation entsprechend wird „Freunderlwirtschaft, Postenschacher, Misswirtschaft und Intransparenz“ angeprangert. Es wird angemerkt, dass die NEOS aufgrund des Rechnungshofberichtes eine parlamentarische Anfrage stellten. Das angefragte Bundesministerium habe daraufhin versichert, dass „seitens des Ministeriums umfassend auf den Rechnungshofbericht reagiert wurde“ und „sich die rechtlichen Rahmenbedingungen seither verbessert haben“. Deshalb kommen die NEOS zum Schluss: „Wir sind natürlich über die hier beschriebenen Fortschritte der Situation glücklich, welche natürlich auch zu einem großen Teil dem Engagement kritischer Bürger zu verdanken sind.“

Hier ergeht es uns so, wie bei der ÖVP. Ist Ignoranz oder Bosheit gegenüber den Stromkundinnen die politische Triebfeder allen Handelns? Die Rahmenbedingungen haben sich nicht verbessert, im Gegenteil: Eine echte Wahlmöglichkeit (wie sie das Gesetz eigentlich vorsieht) wurde per Verordnung unterbunden; manchen StromkundInnen, die ein echtes Opting Out verlangen, wird mittlerweile schon von den Netzbetreibern der Strom abgedreht.

Viele Menschen wollen Antworten auf diese drei Fragen. Denn Diktate, so wie sie bei der Smart-Meter-Einführung angewendet werden, sind nicht beliebt. Am Wahltag ist Zahltag, auch für alle die Zwangseinführung des Smart Meters befürwortenden Parteien.

Rudolf Schober
(15.9.2019)

Anmerkungen:
(1) https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/Smart_Meter.pdf

Weitere Informationen zu diesem Thema:
Solidarwerkstatt-Dossier zum Thema Smart Meter