Grüne und ÖVP haben im Nationalrat den Beschluss eines Antrags verhindert, der  ausdrücklich die Freilassung von Julian Assange forderte. Es greift wohl zu kurz, darin nur eine grüne Verbeugung vor den Türkisen zu sehen.

 

Die Solidarwerkstatt hat vor einem Monat einen Offenen Brief an alle Abgeordneten im Parlament geschickt, sich für die sofortige Freilassung von Julian Assange einzusetzen. Erfreulicherweise hat es nun tatsächlich einen Antrag der SPÖ gegeben, in dem die österreichische Regierung aufgefordert wird, sich bei der britischen Regierung für die Freilassung von Assange und die Nicht-Auslieferung an die USA einzusetzen. Gescheitert ist dieser Antrag den Gegenstimmen von ÖVP und Grünen. Letztlich wurde zwar ein Antrag von allen Parteien angenommen, der aber deutlich vager ist und die österreichische Regierung letztlich zu nichts verpflichtet, weil die Verantwortung "auf die europäische Ebene" abgeschoben wird (sh. Anhang).

Assange drohen in den USA bis zu 175 Jahre Haft, nicht weil er etwas verbrochen hätte, sondern, weil er die Kriegsverbrechen der USA an die Öffentlichkeit gebracht hat, indem er Whistleblowern wie z.B. Chelsea Manning mit Wikileaks eine Plattform zur Veröffentlichung verschaffte. Viele halten das Abstimmungsverhalten im Nationalrat nun für einen „Verrat“ der Grünen Parteiführung bzw. Mandatare. Man sollte das vielleicht anders sehen: Die Grünen haben damit einen Kurs konsequent fortgesetzt, den sie vor 20 Jahren mit der Zustimmung zum NATO-Krieg gegen die BR Jugoslawien eingeschlagen haben: den der Befürwortung von EU- und NATO-Militärintervention zur Durchsetzung von geopolitischen und ökonomischen Interessen der westlichen Großmächte. Die spezielle Aufgabe des grünen Führungspersonals war es, diesen Kriegen – manchmal gegen erheblichen Widerstand in den eigenen Reihen - ein humanitäres Feigenblatt umzuhängen. So trommelten die grünen Frontmänner- und -frauen in Österreich auch für den Krieg gegen Afghanistan, Libyen, Syrien und genierten sich keineswegs, neofaschistische Kräfte beim Pro-EU-Regime-Change in der Ukraine zu unterstützen.

Wäre es anders gewesen, würden sie heute nicht in der Regierung sitzen. Diese bellizistische Wende war auch in Deutschland der Passierschein für die Grünen zum Eintritt in die Regierung.

Leute wie Assange widerlegen die grüne Fabel von den „humanitären Kriegen“

Leute wie Julian Assange sind für Kogler, Lunacek & Co ein Ärgernis. Denn sie enthüllen, dass die grüne Erzählung von den „humanitären Kriegen“ des Westens von Anfang an eine perfide Fabel war, um die Friedensbewegung zu schwächen und den grünen Frontmännern und -frauen den Weg zu Ministerämtern zu ebnen. So hat Wikileaks auch Mails enthüllt, die belegen, dass keine „humanitären“ Motive, sondern knallharte Vormachts- und Erdölinteressen Frankreichs hinter dem Krieg gegen Libyen standen. Gerade für den Libyenkrieg hatten sich Van der Bellen, Lunacek und Pilz massiv in die Bresche geworfen. Das grüne Abstimmungsverhalten ist daher keineswegs nur eine Verbeugung vor dem türkisen Regierungspartner, sondern auch die Fortsetzung des spätestens seit Ende der 90er Jahre eingeschlagenen bellizistischen Weges der Grünen.

Friedensbewegung jetzt umso wichtiger!

Die türkis-grüne Regierung setzt den Kurs der Vorgängerregierungen in Richtung volle Teilhabe an der EU-Militarisierung fort und beschleunigt diesen noch. Die Bereitschaft, österreichische SoldatInnen in EU-Militärmissionen zu schicken, findet sich ebenso im türkis-grünen Regierungsprogramm wie die Bereitschaft zur völligen Zerstörung der österreichischen Neutralität, indem türkis-grün die Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzips in der EU-Außenpolitik verlangt.

Wir brauchen eine starke Friedensbewegung, um dagegen Widerstand zu leisten. Jede und jeder, der/dem das ein Anliegen ist, ist herzlich eingeladen, sich am Solidarwerkstatt-Workshop „Gemeinsame Herausforderungen der Friedens- und Klimabewegung?“ zu beteiligen. Dieser findet im Rahmen der 3. Rosa Luxemburg-Konferenz am Freitag, 13. März 2020 statt (16 Uhr, VHS Hietzing, Kursraum 9).

(28.2.2020)


ANHANG

Hier der Oppositionsantrag, der von ÖVP und Grünen niedergestimmt wurde:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich ungeachtet der Vorwürfe, die Julian Assange gemacht werden, sich gegenüber der britischen Regierung aus menschenrechtlichen und medizinischen Gründen für eine umgehende Entlassung von Julian Assange aus der Haft einzusetzen, damit er unter fachärztlicher Aufsicht genesen und seine Grundrechte ungehindert ausüben kann.
Weiteres wird die Bundesregierung aufgefordert, sich gegenüber der britischen Regierung dafür einzusetzen, das Julian Assange nicht an die USA ausgeliefert wird.
Schließlich wird die österreichische Bundesregierung aufgefordert, im Rahmen der EU aktiv um Unterstützung für dieses Anliegen zu suchen."

Hier der Antrag der Regierungsparteien, der schließlich von allen Parteien unterstützt wurde:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich weiterhin aktiv für die Sicherheit von investigativen Journalistinnen und Journalisten, Menschenrechtsktivistinnen und Menschenrechtsaktivisten in Europa und weltweit einzusetzen.
Weiters wird die Bundesregierung ersucht, sich auf europäischer Ebene für die Umsetzung der Empfehlungen der parlamentarichen Versammlung des Europarats sowie des UN-Sonderberichterstatters über Folter im Zusammenhang mit dem Fall Julian Assange einzusetzen.“

Grüne Abgeordnete rechtfertigen ihr Abstimmungsverhalten damit, dass der Regierungsantragg ohnehin inhaltlich dasselbe fordern würde, wie der Oppositionsantrag. Das wirft natürlich die Frage auf, warum sie dann der ausdrücklichen Forderung nach Freilassung und Nicht-Auslieferung von Assange nicht zugestimmt haben. Der Grund liegt darin, dass die beiden Anträge inhaltlich keineswegs identisch sind: Der VP-G-Antrag beinhaltet die Formulierung "Empfehlungen des Europarat" und nicht "Resolution des Europarats". In letzterer wäre tatsächlich klar die Freilassung und Nicht-Auslieferung von Assange gefordert worden, in den "Empfehlungen des Europa-Rats" findet man dagegen nur sehr allgemein gehaltene Empfehlungen, der Name Assange kommt darin nicht einmal vor. Auch die "Empfehlungen" von UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer (wir nehmen an, es ist der Brief an die britische Regierung von Ende Oktober 2019 gemeint) erwägen durchaus die Option, die Haft von Assange in Form eines Hausarrests fortzusetzen, sollte die Entlassung "nicht möglich sein."

Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Anträgen ist vielleicht noch wesentlicher. Im Antrag der Opposition heißt es, die Regierung soll GEGENÜBER DER BRITISCHEN REGIERUNG tätig werden. Das könnte die Regierung sofort tun, das ist für die Öffentlichkeit überprüfbar, die Botschaft kommt sofort in UK an, sprich man kann öffentlich Druck machen. Im Antrag der Regierungsparteien heißt es dagegen, die österreichische Regierung soll sich AUF EUROPÄISCHER EBENE einsetzen. Was die Regierung hinter den verschlossenen EU-Türen tut, ist (1) für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar, (2) mit größter Wahrscheinlichkeit aufgrund der dortigen Abstimmungsmodalitäten und Kräfteverhältnisse völlig irrelevant. Unter dem Strich wird wahrscheinlich nichts vom dem Beschluss im Nationalrat in UK ankommen, schon gar nicht rasch. Die Forderung, sich "auf europäischer Ebene" dafür einzusetzen, kommt daher einer Placebo-Forderung gleich, mit der die Grünen ihr Gesicht retten wollen und das VP-Außenministerium letztlich zu nichts verpflichtet wird. Forderungen "auf die europäische Ebene" zu heben, ist ein beliebter Trick, um Forderungen ins Leere laufen zu lassen und trotzdem Aktivität zu simulieren.