ImageDie „Transeuropäischen Netze“ (TEN) der EU sollen mit hunderten Milliarden Euro den Kontinent in ein Fließband für den „freien Warenverkehr“ verwandeln. Österreich liegt im Fadenkreuz von vier der neun TEN-Korridoren. Für den TEN-„Lückenschluss“ in Österreich – Megastraßen im Großraum Linz, Lobauautobahn in Wien, Schnellstraße Fürstenfeld – sind sechs Milliarden Euro vorgesehen. Doch überall rührt sich Widerstand.

ImageIm TEN-Plan 2014 – 2020 sollen 600 Milliarden Euro in den Ausbau der Verkehrswege investiert werden: in hochrangige Straßen, Eisenbahnlinien, 300 Flughäfen und 580 See- und Binnenhäfen. Der Löwenanteil der Gelder soll von den Nationalstaaten kommen. Bis 2030 soll ein „Kernnetz“ von 75.000 km hochrangiger Straßen und 78.000 km Schiene existieren. Auf den ersten Blick wirkt das fast bahnfreundlich. Die EU-Kommission verspricht sogar, 30% des LKW-Verkehrs von über 300 km auf die Bahn zu verlagern. Ein genauerer Blick auf die TEN-Pläne zeigt jedoch, dass der Weg in die Klima- und Umweltkatastrophe eher beschleunigt zu werden droht.

  • Die Schiene soll nur auf den Hauptstrecken – als Verbindung zwischen den Metropolen und als Verbindung zwischen den Flughäfen - ausgebaut werden. Auch der ökologisch besonders schädliche Lufttransport soll im Rahmen der TEN gefördert werden. In der Fläche droht der Eisenbahn mit der forcierten Liberalisierungs- und Privatisierungspolitik dagegen ein weiterer Kahlschlag. Mit dem 4. Eisenbahnpaket könnte sich das nochmals verschärfen, denn durch die rigide Trennung von Schienennetz und Verkehrsunternehmen geht die Eisenbahn als kooperativer Gesamtbetrieb völlig verloren. Die Folge: kein Verlustausgleich zwischen profitablen Hauptstrecken und verlustbringenden – aber volks- und regionalwirtschaftlich höchst sinnvollen – Nebenbahnen. Private konzentrieren sich auf das „Rosinenpicken“, die staatlichen Unternehmen machen es ihnen nach oder gehen unter. Auf der Strecke bleibt der Bahnbetrieb in der Fläche. Die Bahn wird zum den LKW-Transit ergänzenden Güterfließband zwischen den Flughäfen und zunehmend zum Luxustransportmittel im Personenverkehr zwischen den großen Städten. Damit droht die Fortsetzung einer fatalen Entwicklung, für die für den Zeitraum 2000 bis 2007 exakte Zahlen vorliegen. In diesem Zeitraum wurde in der EU das Autobahnnetz um 1.306 km jährlich ausgebaut, während das Schienennetz jährlich um 563 km schrumpfte (1).
  • Bis 2050 dieses „Kernnetz“ ergänzt werden um ein Netz an Zubringerstraßen, das auf rund das Zehnfache des Straßenkernnetzes geschätzt wird. Das ambitionierte Ziel: „Die allermeisten EU-Bürger und Unternehmen sollen bis 2050 nicht  mehr als 30 Minuten benötigen, um zu diesem Gesamtnetz zu gelangen“. Die Straßenbauwut geht also weit über das „Kernnetz“ hinaus.
  • Auch die Ansage der EU-Kommission, im Rahmen der TEN 30% des LKW-Verkehrs von über 300 km auf die Schiene zu verlagern, entpuppt sich unter diesen Rahmenbedingungen als dürftig. Der LKW-Verkehr über 300 km macht laut „LKW - Friends on the road“ (Wirtschaftskammer) rd. 4% des gesamten LKW-Verkehrs aus; 30% von 4% sind schlappe 1,2%. Angesichts dessen, dass gleichzeitig auf eine massive Förderung der Infrastrukturen für den LKW- und Flugverkehr orientiert wird, bleibt unter dem Strich eine enorme Mehrbelastung für Umwelt und Klima.

Schienennetz minus 15% Autobahnnetz: plus 15%

Diese Entwicklung zeigt sich auch in Österreich: Die Gelder für den Bahnausbau fließen vor allem in sündteure Tunnelprojekte (Koralmtunnel, Brennerbasistunnel, Semmeringtunnel) oder in hypertrophe Flughafenanbindungen (z.B. die geplante viergleisige Westbahnverschwenkung zum Flughafen Hörsching bei Linz), während die Schiene in der Fläche immer mehr verkommt. Seit 1997 ist das Schienennetz in Österreich um 15% geschrumpft, während das Autobahn- und Schnellstraßennetz um 15% anwuchs (sh. Werkstatt-Blatt 4/2015). Die ÖBB-Railcargo hat 10% der Güterverladestellen zugesperrt. Während die Eisenbahn zwischen Linz und Graz im Dornröschenschlaf schlummert, wird die Pyhrnautobahn immer weiter ausgebaut, denn diese Straße ist eine ausgewiesene TEN-Strecke, die Pyhrnbahn jedoch nicht. Während das untere Mühlviertel streckenweise in eine Mondlandschaft verwandelt wurde, um die S10-Schnellstraße bis Ende 2015 aus dem Boden zu stampfen, wurde mit dem Ausbau der Summerauer-Bahn noch nicht einmal begonnen. Die S10 ist eine TEN-Strecke, der Ausbau der Summerauer scheitert laut Auskunft des damaligen OÖ-Verkehrslandesrates an den strengen Vorgaben des EU-Fiskalpakts. Kommentar überflüssig.

Transeuropäisch überrollt

ImageDie ASFINAG plant den „Lückenschluss“ und „Ausbau“ der TEN-Netze: „Aufgrund der geografischen Lage Österreichs sind fast alle Autobahnen dem TEN-Netz zuzuordnen. Auf diesen in der Generalverkehrsplanung großzügig gehaltenen Korridoren sollen international annähernd ähnliche Bedingungen im Hochleistungsstraßennetz geschaffen werden. Grenzüberschreitende Verbindungen schaffen, Schwachstellen innerhalb der nationalen Netze beseitigen und Randregionen anbinden sind einige Entwicklungsziele, die stark auf Lückenschluss oder Ausbau abzielen“ (3). Österreich liegt richtiggehend im Fadenkreuz von vier der neun EU-TEN-Korridore: dem Ostsee-Adria-Korridor, dem Nordsee-Mittelmeer-Korridor, Rhein-Donau-Korridor und dem Korridor Orient/östliches Mittelmeer. Alle großen Straßenbauprojekte in Österreich liegen an den „Nadelöhren“ dieser TEN-Korridore: die geplanten Megastraßen und Transitrouten im oberösterreichischen Zentralraum, die Lobau-Autobahn in Wien und die S7 Schnellstraße Fürstenfeld zwischen der A2-Autobahn bei Graz und der M8-Autobahn in Ungarn. Trotz Sparwut an allen Ecken und Ende sollen für diese drei TEN-„Lückenschlüsse“ über sechs Milliarden Euro verbetoniert werden.

Doch schon Hölderin wusste „Wächst die Not, so wächst das Rettende auch“. Gegen alle diese Megastraßen gibt es wachsenden Widerstand aus der Bevölkerung. Wenn sich der Widerstand der Bevölkerung vor Ort mit der Klimaschutz- und globalisierungskritischen Bewegung verbindet, können wir gehörig Sand ins Getriebe der TEN streuen.

Gerald Oberansmayr
März 2016


Quellen:

(1) Winfried Wolf, in: Verkehrspolitisches Zirkular der Fraktion „Die Linke im Bundestag“, 6/2016
(2) Presseerklärung der EU-Kommission, 11.9.2014
(3) ASFINAG, Das Autobahnnetz in Österreich – 30 Jahre ASFINAG, 2012