Die Europäische Union hat mittlerweile mit über 100 Staaten Freihandelsabkommen abgeschlossen bzw. „vorläufig angewendet“ oder verhandelt gerade mit ihnen darüber - mit teils verheerenden Auswirkungen für die Länder des Südens. Hier ein Überblick.

Die Europäische Union erweist sich als Motor des neoliberalen Freihandels. Der Überblick auf dieser Seite zeigt, dass die EU mittlerweile mit rund 100 Staaten solche Freihandelsabkommen abgeschlossen hat, derzeit verhandelt oder „vorläufig angewendet“ hat – d.h. in Kraft gesetzt hat, ohne dass die Parlamente der EU-Staaten dem zugestimmt haben (sh. „Vorläufig angewendet – dauerhaft entmündigt“). Besonders fatal sind diese EU-Freihandelsabkommen für die Länder des Südens (sh. Vortrag Boniface Mabanza). Dass die EU-Kommission permanent Druck für neue Freihandelsverträge macht, ist kein Zufall. Der EU-Vertrag von Lissabon verpflichtet Kommission und Mitgliedsstaaten nicht nur nach innen zu einer „offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“, sondern fordert auch nach außen den „Abbau internationaler Handelshemmnisse“ (Art. 21, VEU), die „Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr und bei den ausländischen Direktinvestitionen“ (Art. 206, VAEU).
Durch dieses EU-Freihandelsdogma werden Sozialstaat und Demokratie immer mehr ausgehöhlt, während die Macht der Konzerne rasant wächst. Brandgefährlich ist auch der EU-Vorstoß, einen multilateralen Investitionsgerichtshof einzurichten. Ein solcher Weltgerichtshof würde die exklusiven Rechte von Auslandsinvestoren zur globalen Norm erheben - unter der Dominanz der westlichen Großmächte. Wir müssen die Notbremse ziehen: Verpflichtende Volksabstimmungen in Österreich über Freihandelsverträge!

EU Freihandeslabkommen Tab2017


Zerstörung junger Industrien

mabanzaAm 15. November 2017 fand in der Arbeiterkammer Linz die Veranstaltung „Die EU-Freihandelspolitik in Afrika & mögliche Alternativen“ statt, bei der auch die Solidarwerkstatt mitveranstaltete. In diesem Zusammenhang referierte Dr. Boniface Mabanza zum umstrittenen Freihandelsabkommen EPA (Economic Partnership Agreement). Hier einige Auszüge aus seinem Referat.
„Zweifellos hat Afrika eine große geostrategische Bedeutung für Europa, da der Wohlstand in Europa von der Öffnung der Märkte und der Rohstoffversorgung aus Afrika abhängig ist. Durch die Strukturanpassungsprogramme wurden afrikanische Länder und deren noch junge Industrien zerstört.

Afrika hat nun schon 30 Jahre Erfahrung mit Freihandel und deshalb gibt es aus breiten Schichten der Bevölkerung massiven Widerstand gegen EPA. Nigeria und Tansania haben sich bislang dem EPA(s) verweigert. Einer der Hauptgründe dafür ist, dass deren noch junge Industrien der Konkurrenz aus der EU nicht standhalten können. Benin, der nördliche Anrainerstaat von Nigeria, war wirtschaftlich gesehen ein Transitland, um Waren weiter in den Süden zu transportieren. Nun stauen sich Berge von Hendln aus der EU in Benin, die dort tonnenweise verbrannt werden müssen, weil kein Mensch jeden Tag so viel Hühnerfleisch essen könnte.

In Ghana wurde die Tomatenproduktion ruiniert. In Kamerun sind die Konsequenzen ebenfalls schon spürbar. Zudem fehlen den Staatshaushalten die wichtigen Zolleinnahmen. So nehmen durch die Folgen dieser aggressiven Freihandelspolitik der EU auch die Spannungen zwischen den afrikanischen Ländern zu. Der Widerstand gegen dieses EU-Freihandelsabkommen geht quer durch die afrikanische Gesellschaft.“

Dr. Mabanza wurde im Anschluss an seinen Vortrag gefragt, wie er die Auswirkungen der Handelsbeziehungen zwischen Afrika und China bewertet. Er antwortete, dass es unterschiedliche Erfahrungen in den afrikanischen Ländern gibt, aber in Summe für Afrika die Vorteile überwiegen. China hat eine große Anpassungsfähigkeit bezüglich der Rahmenbedingungen, die von den afrikanischen Regierungen gestellt werden. Im Gegensatz zur EU investiert China sehr oft direkt in die Infrastruktur und diese Gegenleistungen (Straßen, Krankenhäuser, Schulen usf.) sind dann deutlich sichtbar.

Johanna Weichselbaumer
(Jänner 2018)


„Vorläufig angewendet“
- dauerhaft entmündigt

Der EU-Vertrag von Lissabon sorgt dafür, dass die nationale Mitbestimmung bei Freihandelsverträgen, die von der EU-Kommission ausverhandelt worden sind, nur eingeschränkt möglich ist. Es gibt „reine Freihandelsverträge“, bei denen die nationalen Parlamente gar nicht mehr gefragt werden müssen, und sog. „gemischte“ Verträge. Was ein „gemischter“ Vertrag ist – also über reine Handelsagenden hinausgeht – ist oft nicht eindeutig. Die grundsätzliche Entscheidungskompetenz darüber liegt bei der EU-Kommission, allenfalls beim EUGH.

Gründe für die Einordnung eines Handelsabkommens als gemischten Vertrag können etwa Vereinbarungen zum Investitionsschutz (umstritten), zum Arbeitsschutz, zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen etc. sein.

Für das Inkrafttreten eines gemischten Vertrags bedarf es der Einstimmigkeit im Rat (die 27 Handels-/Wirtschaftsminister der EU) sowie der Zustimmung des EU-Parlaments. Anschließend muss der gesamte Vertrag von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert werden, d.h. die Parlamente aller Mitgliedsstaaten müssen dem Vertrag zustimmen. Dies dauert Jahre, deshalb können die Teile eines gemischten Vertrags, die der ausschließlichen EU-Kompetenz unterliegen, aufgrund eines Beschlusses des Rates bereits „vorläufig angewendet“ werden. Die “Vorläufige Anwendung“ schafft Fakten auf kurzem Wege: Das Abkommen ist nicht vollständig ratifiziert, die betreffenden Vertragsteile sind jedoch rechtsgültig. Es wird dabei nichts darüber ausgesagt, was passiert, wenn dieser Ratifikationsprozess scheitert, weil nationale Parlamente die Zustimmung ablehnen. In Deutschland wurde der wissenschaftliche Dienst des Bundestages angefragt, was die Nichtratifizierung durch nationale Parlamente für völkerrechtliche Verträge bedeuten würde, die durch die EU „vorläufig angewendet“ werden. Die Antwort: Gar nichts. Dann wird das Abkommen auf unbestimmte Zeit „vorläufig angewendet“, also die Parlamentarier dauerhaft entmündigt.

Susanne Müller
(Jänner 2018)


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