Das Kepler-Uni-Klinikum Linz (KUK) ist in den letzten Wochen aufgrund massiver Personalengpässe in die Schlagzeilen gekommen ist. Das Werkstatt-Blatt sprach mit dem Zentralbetriebsratsvorsitzenden Branko Novakovic.

 

Werkstatt-Blatt: In den letzten Wochen sind Berichte an die Öffentlichkeit gelangt, dass es einen massiven Personalmangel im KUK gibt, der bereits für die Patienten gefährlich sei. Wie siehst du die Personalsituation im Unternehmen? Welche Auswirkungen hat das für die Beschäftigten und die Patienten?

Branko Novakovic: Wir sprechen von unseren Gesundheitssystem als einem der besten der Welt. Wenn man sich die Pflegepersonalausstattung anschaut, kann das keineswegs stimmen. Mit dem sogenannten „Nurse to Patient Ratio“ können wir mit vielen Länder wie z.B. Norwegen, Irland, Schweden, Schweiz oder USA, nicht einmal annähernd mithalten. Nicht nur im KUK gibt es zu wenig Personal, ich glaube dass alle Spitäler betroffen sind. Derzeit verfolgen die Geschäftsführungen sowie die Verantwortlichen in der Politik eine interessante Strategie, die den Beschäftigten und den BetriebsrätInnen suggeriert: „Wenn ihr die Wahrheit über die Personalausstattung und Arbeitsbedingungen erzählt, dann wird keiner in der Pflege arbeiten wollen, und dann wird es uns noch schlechter gehen.“  Viele sind dadurch sehr verunsichert und trauen sich nicht offen zu diskutieren. Dabei wissen wir, dass die Personalausstattung einen direkten Einfluss auf das Wohl der Patientinnen hat. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Anzahl der Pflegefachkräfte und Sterblichkeit wurde in mehreren Studien nachgewiesen. (z.B. British Medical Journal Quality and Safety (2018; doi: 10.1136/bmjqs-2018-008043). Konfrontiert mit den Belastungen, hervorgerufen durch niedrige Personalausstattung, flüchten die Mitarbeiter in die Teilzeit, bewerben sich in Richtung der Spitäler oder Abteilungen, wo sie eine niedrigere Belastung zu finden glauben, oder verlassen den Beruf.

WB: Welche Maßnahmen sind notwendig, um diese Personalnot zu überwinden?

Branko Novakovic: Ich bin überzeugt dass der Weg, welchen der AK Präsident vorgeschlagen, hat der Richtige ist. Eine Strategierunde, in der Landes- und Gemeindepolitik gemeinsam mit den Geschäftsführungen und Arbeitnehmervertretungen sowie Arbeiterkammer und Ärztekammer das ganze System der Gesundheits- und Pflegeversorgung diskutieren und neu ordnen. Jeder Tag, der tatenlos vergeht, bringt uns ein bisschen näher einem ersten Zwischenfall, wo alle danach behaupten werden, nicht davon gewusst zu haben, wie ernst die Lage ist und dass sie alle gesetzlichen Auflagen erfüllt haben und es somit keinen Organisationsverschulden gibt. Eine dringende Personalaufstockung um 20% ist aus meiner Sicht unumgänglich. Folgende konkrete Maßnahmen fallen mir spontan ein:

  • Transparenz durch Veröffentlichung „Nurse to Patient Ratios“ für jede Abteilung in jedem Spital
  • Dringende Anpassung der Gehälter in der Pflege an Österreichischer Durchschnitt (derzeit sind wir Schlusslicht)
  • Ein Sonderbudget des Landes für die Personalaufstockung schon für das Jahr 2019 für die Abteilungen mit der größten
      Personalnot
  • Festlegung der Ziele/Vision für das Jahr 2025 bzw. 2030

WB: Eine Studie der Arbeiterkammer OÖ zeigt, dass die Beschäftigten in vielen Spitälern unzufrieden sind. Siehst du einen Zusammenhang zwischen dem Personalmangel und den verschiedenen Gesundheits- und Spitalsreformen" der letzten Jahre?

Branko Novakovic: Wenn es einen Zusammenhang zwischen den Personalmangel und Spitalsreform gibt, dann nur indirekt. Die Bewerberzahlen für die Pflegeausbildungen sind niedrig, der eine oder andere Lehrgang musste abgesagt werden. Daran sind die Spitalsreformen nur insofern schuld, weil sie diesen wichtigen Aspekt nicht berücksichtigt haben. Eine positive Wirkung ist nicht nur mir, sondern auch allen Beschäftigten bisher verborgen geblieben. Aus der Sicht der Beschäftigten haben die Reformen zur keiner Verbesserung der Situation in den problematischen Bereichen geführt. Die Arbeitsbelastung steigt, die Gehälter sind niedrig, die Patienten sind oft unzufrieden und frustriert und lassen die Beschäftigten das klar und deutlich wissen, die Vorgesetzten verlangen die Lage nach außen schön zu reden. Niedrige Personalausstattung erfordert eine Einsatzbereitschaft 0-24 Uhr 365 Tage im Jahr.

WB: Die Regierung will einen massiven Umbau der Sozialversicherung, durch den die regionalen GKKs zerschlagen und die Arbeitnehmer-Vertreter in ihrer eigenen Gesundheitskasse faktisch entmachtet werden. Welche Auswirkungen wird deiner Meinung nach dieser Umbau auf das Gesundheitssystem haben?

Branko Novakovic: Die Fusion wird eine Menge Geld kosten und wenn man die neuesten Ankündigungen der Regierung über die Senkung der Beiträge ernst nimmt, wird es nicht möglich sein, die Versorgung der Bevölkerung in derzeitiger Form aufrechtzuerhalten. Wer Gesund oder Reich ist wird sich vielleicht über ein Paar Euro mehr in der Tasche freuen, die Kranken und Armen werden sich selbst überlassen.

in: Werkstatt-Blatt 4/2018. Ein Probeexemplar schicken wir gerne kostenlos zu. Bestellung: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!