Was bedeutet die Coronakrise für die Beschäftigten und PatientInnen in den Spitälern? Welche Lehren müssen für die Zukunft gezogen? Interview zu diesen Fragen mit Branko Novakovic, stv. Betriebsratsvorsitzender des Kepler Universitätsklinikums in Linz.

Frage: Wie erlebst du die Auswirkungen von Covid auf die Arbeitssituation in eurem Krankenhaus?

Branko Novakovic: Das Personal ist mit einer noch nie da gewesenen Belastung konfrontiert. Die Arbeit mit dieser Schutzausrüstung ist extrem anstrengend, man schwitzt ununterbrochen, die Atmung ist durch die Maske erschwert. Banale Sachen wie eine juckende Nase, die man nicht kurz kratzen kann, treiben einen in den Wahnsinn. Die Pflege der Patienten ist so intensiv, dass man drei normale Abteilungen schließen muss, um zwei mit Covid-Patienten zu betreuen.

Frage: Wie steht es um den Schutz der Beschäftigten in den Spitälern?

Branko Novakovic: Schutzausrüstung ist vorhanden. Manches was zur Verfügung steht, erfüllt zwar die Schutzfunktion, aber der Tragekomfort ist nicht überall gleich. Die MitarbeiterInnen klagen bei dem einen oder anderen Modell über Druckstellen im Gesicht oder über extremes Schwitzen unter der Schutzkleidung. Der Betriebsrat ist bei der Suche nach Lösungen ständig im Kontakt mit der Geschäftsführung, manche Diskussionen verlaufen viel hitziger als üblich. Ich glaube, dass bei allen die Nerven blank liegen.

Frage: BetriebsrätInnen und Gewerkschaft machen schon seit langem darauf aufmerksam, dass es zu wenig Personal in den Spitälern gibt. Welche Auswirkungen hat das nun in der Corona-Krise auf die PatientInnen?

Branko Novakovic: Eigentlich dramatische. Denn wir müssen daran denken, dass es neben Personalunterbesetzung, wir haben nach einer AK Studie von Mag. Heidemarie Staflinger aus dem Jahr 2019 rund 20 Prozent zu wenig Personal, weitere pandemie-bedingte Ausfälle gibt. Wir können das Personal, welches der Risikogruppe aufgrund der Vorerkrankungen angehört, gar nicht einsetzen, des Weiteren kommen dazu Ausfälle, weil die MitarbeiterInnen selbst erkranken oder in die Quarantäne müssen. Das sind nicht wenige. Wir bewältigen die Pandemie gerade unter extrem schlechten Bedingungen.

Branko Novakovic: Was müssen aus deiner Sicht die Lehren aus dieser Pandemiekrise für unsere Spitäler sein? Welche Schritte müssten sofort in Angriff genommen werden, was muss das Ziel sein?

Branko Novakovic: Damit es klar ist, es hat auch in Österreich nicht sehr viel gefehlt, dass es dazu kommt, dass Ärzte und Pflege triagieren müssen, also Entscheidungen treffen müssen, wer die lebensrettende Beatmung bekommt und wer nicht. Und der Grund war nicht Mangel an Betten oder Beatmungsgeräten, sondern der Mangel an Pflegekräfte. Nie wieder dürfen wir uns so einer Krise mit so wenig Personalressourcen stellen. Wir brauchen, um für die Zukunft gerüstet zu sein, eine ordentliche Personalreserve. Von Minus 20% auf eine Personalausstattung mit Personalreserve zu kommen, wird das Land und die Gemeinden massiv fordern, das muss uns bewusst sein, aber einen anderen Weg sehe ich nicht. Um dorthin zu kommen, werden wir einen Ausbau der Ausbildungskapazitäten benötigen und das über viele Jahre. Die Baby-Boomer gehen in den nächsten 5 bis 7 Jahren in Pension. Die Lücke, die sie hinterlassen, wird riesig. Es müssen breite Anstrengungen unternommen werden, um auch diese Auswirkung zu kompensieren.

Frage: Wie werden wir das durchsetzen können?

Branko Novakovic: Momentan argumentiert niemand gegen diese notwendigen Reformen, die Frage ist nur, wie schnell und wie viel davon umgesetzt wird, bevor die Leute die Schreckensbilder aus den Spitälern anfangen zu vergessen. In Anbetracht der im Jahr 2021 bevorstehenden Landtagswahl in OÖ wird sich wahrscheinlich keine politische Partei leisten können, diesbezüglich keine Position zu haben. Wichtig wäre es die notwendige Mittel für die Stabilisierung und Personalaufstockung im Gesundheitssystem so aufzubringen, dass es zu keiner überdurchschnittlichen Belastung bei bestimmten Teilen der Bevölkerung gibt. Mit einfachen Worten: Es sollte nicht gerade die Ärmsten treffen. Ich glaube, dass es für diesen Zweck in Ordnung ist, diejenigen überproportional zur Kasse zu bitten, die sich das auch leicht leisten können.

Aus: SOLiNZ Dez. 2020

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Hintergründe zur Deckelung der Gesundheitsausgaben siehe hier