Stolz präsentierte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula van der Leyen das EU-Aufrüstungspaket bis 2025: 200 Milliarden an zusätzlichen Militärausgaben. Dieser EU-Aufrüstungswahnsinn wird mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine begründet. Das ist gleich doppelt falsch.


Zum einen hat dieses Aufrüstungsprogramm Jahre vor dem Ukraine-Krieg begonnen. Die entscheidenden Weichen wurden beim EU-Rüstungsgipfel im Dezember 2013 (!) gelegt. Tatsächlich gehen ab 2014 die Rüstungsausgaben deutlich nach oben. Die nächsten Etappen waren: EU-Globalstrategie (2016), Gründung der „Ständig Strukturierten Zusammenarbeit“ (2017/18), des EU-Rüstungsfonds (ab 2017), der neuen EU-Kriegskasse namens „Friedensfazilität“ (2021) und schließlich der Beschluss des „Strategischen Kompass“ im März 2022, dessen Erarbeitung bereits 2020 begann.

Zum anderen hat die EU – ähnlich wie die USA – den Konflikt in und um die Ukraine selbst ständig eskaliert: Unterstützung des prowestlichen Staatsstreichs (2014) mit Hilfe offen neofaschistischer Kräfte; dieser Staatsstreich kippte die Neutralität der Ukraine und entzündete bereits ab 2014 den Funken des blutigen Bürgerkriegs. Rasch folgten die militärische Anbindung an die EU (EU-Ukraine-Assoziierungsabkommen) sowie erste Schritte Richtung NATO-Beitritt der Ukraine. Das Minsker-Abkommen, das den Verbleib von Donezk und Luhansk mit Autonomierechten in einer stärker dezentralisierten Ukraine vorsah, wurde ebenso torpediert wie russische Vorschläge für Friedensverträge im Dezember 2021.

Auch nach dem russischen Einmarsch taten EU und USA alles, um den Krieg in die Länge zu ziehen. Als sich im März/April 2022 Kiew und Moskau bei Verhandlungen in der Türkei bereits nahe gekommen waren (Rückzug russischer Truppen, Neutralität der Ukraine), begann der Westen die Ukraine mit Waffen vollzupumpen, um einen Verhandlungsfrieden zu verhindern und für einen „Siegfrieden“ und die „Ruinierung Russlands“ zu kämpfen. Die Militärische Unterstützungsmission der EU für die Ukraine (EUMAM), die 15.000 ukrainische Streitkräfte auf EU-Gebiet für den Krieg trainieren soll, könnte sogar – so der wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestages – völkerrechtlich den Kriegseintritt der EU bedeuten. Jedenfalls gießt sie weiter Öl in das Feuer des Krieges.

„Diese Doppelmühle kann nur eine starke internationale Friedensbewegung auflösen.“

Es muss immer wieder betont werden: Das alles rechtfertigt den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine mitnichten, im Gegenteil: Diese Aggression ist ein fürchterliches Verbrechen, dem wahrscheinlich bereits über 100.000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Offensichtlich glaubte die russische Staatsführung erst dann wieder im Konzert der Großmächte auf Augenhöhe mitspielen zu können, wenn sie die völkerrechtswidrige Kriegspolitik des Westens (Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen…) nachahmt.

Mit diesem Krieg hat die russische Führung nicht nur unendliches Leid über die Menschen gebracht, sie hat auch dem Militärisch-Industriellem Komplex (MIK) der EU die Legitimationskulisse für eine beispiellose Aufrüstungslawine verschafft. Der EU-MIK wollte nie eine Alternative zum Krieg, er will auch kein rasches Ende des Krieges, schon gar keines, das die Weichen in Richtung eines „gemeinsamen Hauses Europa“ legt, das auf kooperativer Sicherheit miteinander statt geopolitischer Konfrontation gegeneinander beruht.

Krieg und Konfrontation sind das Lebenselexier des Militär-Industriellen-Komplexes. In jedem Machtblock. Die Militär-Industriellen-Komplexe, die sich gegenseitig spinnefeind sind, brauchen einander zugleich. Durch ihre geopolitische Rivalität päppeln sie sich gegenseitig auf und verschaffen sich gegenseitig Legitimation und Ressourcen. Die eigene Bevölkerung wird durch die Angst vor dem „bösen“ Außenfeind in Geiselhaft genommen, um zu akzeptieren, dass unermessliche Reichtümer in den Rachen der Rüstungsindustrie geschleudert werden, während es bei der Bekämpfung von Hunger und Umweltzerstörung an allen Ecken und Enden fehlt.

Diese Doppelmühle kann nur eine starke internationale Friedensbewegung auflösen, unterstützt durch neutrale und blockfreie Staaten, die sich nicht von den geopolitischen Rivalitäten der Großmächte zermahlen lassen wollen.
Die strategische Herausforderung für die Friedensbewegungen in den verschiedenen Ländern und Kontinenten muss daher sein: Wir müssen den „eigenen“ MIK entmachten, statt uns vor dessen Karren spannen zu lassen.

Das ist keineswegs einfach, denn Angebote, sich vor dessen Karren spannen zu lassen, gibt es in der EU von zwei scheinbar konträren Seiten: Während zumeist der Regierungsmainstream die „autonome“ EU-Aufrüstung propagiert, um „sich gegen Russland zu verteidigen“, wird vorzugsweise von rechtsaußen (manchmal in friedenspolitischer Maskerade) für eine „autonome“ EU-Aufrüstung getrommelt, um sich „aus der US-Vasallenschaft“ zu befreien. Beide Strömungen zanken sich so sehr in der Argumentation, dass nur wenigen auffällt, dass beide denselben machtpolitischen Fokus haben: die Stärkung des EU-MIK, in dessen Zentrum die deutschen Machteliten „nach knapp 80 Jahren der Zurückhaltung“ nun wieder „den Anspruch als Führungsmacht haben“ (O-Ton Lars Klingbeil, Vorsitzender der deutschen Kanzlerpartei).

Neutralität statt EU-MIK!

Die Solidarwerkstatt Österreich ist überzeugt: Die Hauptaufgabe einer Friedensbewegung hierzulande ist es, der Kriegs- und Aufrüstungspolitik des Militärisch-Industriellen-Komplex der EU entgegenzutreten. Für Österreich heißt das vor allem: Alle Verbindungen mit dem EU-MIK zu kappen, da nur so Österreich eine ernsthafte Friedens- und Neutralitätspolitik betreiben und Rückgrat für eine internationale Friedensbewegung werden kann.

Gerald Oberansmayr
(Dezember 2022)

Die Parlamentarische Bürgerinitiative DIE WAFFEN NIEDER! konkretisiert diese Herausforderung in sieben Forderungen an Regierung und Parlament. Bitte unterstützen!

Siehe dazu auch den Artikel:
"Das Ziel Nummer Eins unserer Generation"
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