CO2-Steuern sind in aller Munde. Hier einige Überlegungen der Solidarwerkstatt zu diesem hochaktuellen Thema.


1.     Die EU-Kommission, ein Gutteil der Parteien- und Medienlandschaft versucht nun die Klimabewegung in eine zentrale Forderung zu kanalisieren: CO2-Steuern. Diese Vereinseitigung ist zu kurz gegriffen, geht an den zentralen Herausforderungen vorbei und kann sogar gefährlich sein. Wie immer gilt es, nicht nur das Richtige, sondern das Richtige auch richtig zu tun.

2.     Die Verteuerung klima- und umweltschädlicher Produkte macht Sinn, wenn es dazu klima- und umweltschonende Alternativen gibt, die den Menschen auch tatsächlich zur Verfügung stehen, also z.B. ein akzeptables Öffi-Angebot als Alternative zum Auto. Ist das nicht der Fall, sind CO2-Steuern eine Abzocke, die die unteren sozialen Schichten ungleich härter trifft als die oberen. Wird das Geld – wie es in Diskussion ist – als „Klimabonus“ pro Kopf retourniert, trifft es trotz alledem jene, die keine Alternativen haben, ungleich härter.

3.     Wird die CO2-Steuer durch eine Senkung der sog. „Lohnnebenkosten“ ausgeglichen, sind solche Steuern entweder ein Angriff auf den Sozialstaat oder den Klimaschutz. Denn entweder werden dadurch die Sozialtöpfe ausgetrocknet (wenn die CO2-Steuer erfolgreich ist und in Folge die Einnahmen daraus zurückgehen) oder es entsteht ein Interesse an Klimazerstörung, um die Sozialtöpfe füllen zu können. Klimaschutz und Sozialstaat gegeneinander auszuspielen, ist jedenfalls völlig verfehlt.

4.     CO2-Steuern machen einen Sinn, wenn sie dazu benutzt werden, Investitionen in Klima- und Umweltschutz zu finanzieren. Trotzdem sollte bedacht werden, dass die Steuer sofort anfällt, für viele aber der Aufbau von klimafreundlichen Infrastrukturen (z.B. Ausbau des Öffentlichen Verkehrs) noch viele Jahre brauchen kann. Das kann enormen Widerstand – siehe Gelbwesten in Frankreich – provozieren und zum politischen Bumerang für ernsthaften Klimaschutz werden.

5.     Die entscheidende Herausforderung ist daher, hier und heute ein ambitioniertes ökologisches Investitionsprogramm in Angriff zu nehmen, das für möglichst jeden attraktive klimafreundliche Alternativen zur Verfügung stellt. Das gilt insbesondere für den Verkehrsbereich, also Milliarden für die Attraktivierung und Ausbau von Bahn, Bus, Bim, Rad und Fuß. Es braucht ökologische Alternativen vor allem für den Berufsverkehr und den Gütertransport. Ebenso brauchen wir Großinvestitionsprogramme, um in Österreich rasch eine Energieautarkie auf der Grundlage erneuerbarer Energien zu erreichen. Dazu gehören auch massive Investitionen in das Einsparen von Energie (z.B. flächendeckende Wärmedämmung).

6.     Die Finanzierung eines solchen Öko-Investitionsprogramms kann durchaus auch aus einer höheren öffentlichen Verschuldung finanziert werden, denn schließlich kommen diese Investitionen zukünftigen Generationen besonders zugute. Noch besser wäre möglicherweise die Finanzierung durch zins- und tilgungsfreie Notenbankkredite, da angesichts nach wie vor hoher Arbeitslosigkeit bzw. eines drohenden Konjunktureinbruchs nicht mit einer aus dem Ruder laufenden Inflation zu rechnen ist. Die Einführung eines Nulltarifs auf Öffentlichen Verkehrsmittel sollte aus unserer Sicht über einen wertschöpfungsbezogenen Mobilitätsbeitrag finanziert werden, um klare Rechtsansprüche und eine stabile Finanzierungsbasis für den laufenden ÖV-Betrieb zu gewährleisten.

7.     In dem Ausmaß, in dem über ein solches Investitionsprogramm reale Alternativen flächendeckend aufgebaut werden, ist die schrittweise Einführung von CO2- bzw. Umweltsteuern nützlich: Sie schaffen Anreiz, die umweltfreundlichen Alternativen auch tatsächlich zu nutzen, sie können der Rückzahlung von öffentlichen Schulden dienen, die für diese Investitionen aufgenommen worden sind.

8.     Doch genau einem solchen ambitionierten Ökoinvestitionsprogramm der öffentlichen Haushalte stehen die EU-Regeln (Fiskalpakt, EU-Verordnungen wie Sixpack, Twopack, Verbot von zins- und tilgungsfreien Notbankkrediten im EU-Vertrag, usw) diametral entgegen. Nicht nur sozialpolitisch, auch umweltpolitisch erweist sich das EU-Austeritätsregime als kontraproduktiv. Klimaschutz braucht den Ausbruch aus dem Korsett dieser zukunftsfeindlichen EU-Verträge und Regeln.

9.     Mit der Verengung der Klimadebatte auf CO2-Steuern geht auch unter, dass wir neben einem ambitionierten Ökoinvestitionsprogramm noch eine Vielzahl weiterer Maßnahmen brauchen, um einen Klimakollaps zu verhindern:

·       Schluss mit dem EU-Freihandelsdogma! Gerade der EU-Mercosur-Freihandelsvertrag zeigt, wie verheerende sich dieser neoliberale Freihandel für das Klima auswirkt: Es wird Regenwald abgeholzt, um billiges Rindfleisch über tausende von fossilen Transportkilometern nach Europa zu bringen, das hier die regionale Landwirtschaft weiter zerstört, um im Gegenzug Autos- und Autobestandteile über tausende fossile Transportkilometer nach Lateinamerika zu bringen, um dort den Automobilismus anzukurbeln.

·       Stopp dem Ausbau von Autobahnen, Schnellstraßen und Fluginfrastrukturen! Wie kann es sein, dass etwa die EU-Kommission einerseits für kräftige CO2-Steuern eintritt und zugleich den Ausbau von neue Transitautobahnen forciert (Transeuropäische Netze). Diese Schizophrenie ergibt nur dann einen Sinn, wenn die Betreiber mit CO2-Steuern nicht einen Ausstieg aus dem Automobilismus anschieben, sondern im Gegenteil der Autoindustrie über die Förderung von E-Cars einen zweiten Frühling verschaffen wollen. Dem Klima-, Umwelt- und Menschenschutz ist damit aber nicht gedient.

·       Ernährungssouveränität auf biologischer Grundlage! Industrielle Massentierhaltung, Agrarkonzerne und unbeschränkter EU-Binnenmarkt für landwirtschaftliche Produkte heizen dem Klima ein. Ernährungssouveränität erfordert  Schutz und Förderung regionaler Landwirtschaft. Eine BOKU-Studie zeigt: Eine hundertprozentige Versorgung Österreichs mit heimischen, biologisch hergestellten Lebensmitteln ist möglich. Unterschiedliche Mehrwertsteuersätze je nachdem, ob Produkte biologisch oder konventionell erzeugt wurden, können hilfreich sein, entscheidend ist aber auch hier etwas anderes: der politischen Wille, mit dem Freihandelsdogma und dem Agrobusiness zu brechen, um menschen-, tier- und umweltfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen.

·       Stopp der milliardenschweren Aufrüstung, wie sie derzeit in der EU im Rahmen der „Ständig Strukturierten Zusammenarbeit“ (EU- SSZ/Pesco) angetrieben wird. Diese Militarisierung verschlingt nicht nur jene Milliarden, die wir für Ökoinvestitionen dringend brauchen, das Militär selbst ist einer der größten Klimakiller. Und der Aufbau von EU-Interventionstruppen dient nicht zuletzt dazu, Kriege um den letzten Tropfen Erdöl zu führen, also den Ausstieg aus dem Fossilismus weiter zu verzögern.

(September 2019)