Hier die Erläuterungen zur Parlamentarischen Bürgerinitiative " DIE WAFFEN NIEDER!"

 

Neutralität – ein Konzept für das 21. Jahrhundert

Die Neutralitätserklärung ist nicht nur – gemeinsam mit dem Staatsvertrag – die Geburtsurkunde der 2. Republik und Grundlage der österreichischen Unabhängigkeit. Sie ist gerade heute – in Zeiten wachsender Konflikte – moderner und zukunftsweisender denn je. Denn Neutralität umfasst eine vielschichtige Selbstverpflichtung zum Frieden:

  • Verpflichtung zur Nichtteilnahme an jedwedem Krieg: In Kriegszeiten folgt daraus die Verpflichtung, keine der kriegsführenden Parteien militärisch zu begünstigen. Schon in relativen Friedenszeiten ergeben sich daraus weitere Verpflichtungen.
  • Militärische Bündnisfreiheit, denn Militärbündnisse bedeuten, dass ein Land aufgrund der Beistandsverpflichtungen in kriegerische Aktivitäten hineingezogen werden kann. Nicht nur die NATO, auch die EU enthält seit dem Vertrag von Lissabon (2009) eine militärische Beistandsverpflichtung.
  • Vorwirkungen der Neutralität: das heißt auch in Friedenszeiten alles zu unternehmen, um militärische Aufschaukelungs- und Militarisierungsprozesse zu verhindern, z.B. Verzicht auf Kriegsmaterialexport; keine Teilnahme an Strukturen, die Kriegseinsätzen und Aufrüstung dienen.
  • Strukturelle Friedensfähigkeit nach innen: Staaten nutzen oft die Aggression nach außen dazu, um von sozialen Spannungen im Inneren abzulenken. Ein neutraler Staat, der auf Gewalt nach außen verzichtet, ist daher in viel höherem Maß auf sozialen Ausgleich und soziale Teilhaberechte im Inneren angewiesen. Dazu gehört auch die Förderung von Konzepten der sozialen Verteidigung.
  • Strukturelle Friedensfähigkeit nach außen: D.h. eine von Großmächten unabhängige Außenpolitik, die sich für friedliche Konfliktregelung, globale Abrüstung, die Überwindung von Militärblöcken und für internationale Kooperation auf Augenhöhe engagiert.

Gemeinsames europäisches Haus

Das „gemeinsame europäische Haus“, wie es Michael Gorbatschow bereits in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts angedacht hatte, ist ein Gegenentwurf zur (Un-)Sicherheitspolitik von imperialen Militärblöcken. Während diese das Recht des Stärkeren in den internationalen Beziehungen anwenden – siehe die Angriffskriege von USA und EU-Staaten gegen Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Libyen oder nun von Russland gegen die Ukraine – baut das „gemeinsame europäische Haus“ auf die Stärke des Rechts: Das Völkerrecht, insbesondere die UN-Charta, verbietet den Mitgliedsstaaten in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete Androhung oder Anwendung von Gewalt. Eine neue Friedensordnung muss auf Sicherheit miteinander aufbauen, also auf einer kooperativen Sicherheit, statt sich gegeneinander bis an die Zähne zu bewaffnen und zu bekriegen. In Zeiten vernetzter Infrastrukturen, einsatzbereiter Massenvernichtungswaffen und der globalen Herausforderungen durch Klimakrise und andere Umweltgefahren können wir uns Hochrüstung und Krieg nicht mehr leisten, wenn wir nicht den menschlichen Untergang riskieren wollen.
Doch es gibt starke Interessen, die gegen ein solche neue Friedensordnung des Miteinanders gerichtet sind, insbesondere der militärisch-industrielle-Komplex (MIK), also die gefährliche Symbiose zwischen Militärs, höchsten Regierungskreisen, Geheimdiensten und Rüstungsindustrie treibt Aufrüstung und Konfrontation an. Dieser MIK hat im EU-Vertrag (also im EU-Primärrecht) eine einzigartig privilegierte Rolle, denn dieser Vertrag verpflichtet alle EU-Mitgliedsstaaten zur permanenten Aufrüstung und zur Stärkung der Rüstungsindustrie (Artikel 42, EUV) und gibt der EU eine globale militärische Interventionsermächtigung, auch ohne ein UN-Mandat (Artikel 43, EUV). Nur eine Allianz von starker internationaler Friedensbewegung gemeinsam mit neutralen und blockfreien Staaten kann daher einen Prozess in Richtung eines „gemeinsamen europäischen Hauses“ in Gang bringen.

Kriegsermächtigungsartikel 23j

Der Artikel 23j des Bundesverfassungsgesetzes wurde 1998 in einer Nacht- und Nebelaktion im Nationalrat beschlossen und trat 1999 in Kraft trat. Der Artikel 23j B-VG ist ein Kriegsermächtigungsartikel. Er ermächtigt Kanzler(in) und Außenminister(in) Kriegen in den EU-Gremien zuzustimmen und ermöglicht es der Regierung im Einvernehmen mit dem Nationalrat, österreichische Truppen in EU-Kriege zu schicken. Er stellte eine Vorleistung auf die Veränderung des EU-Vertrages dar. Denn mit dem EU-Vertrag von Amsterdam, der ein Jahr später in Kraft trat, wandelte sich die EU selbst zu einem Bündnis zum Kriegführen, im Amsterdamer Vertrag der EU vornehm mit „Kampfeinsätzen zur Krisenbewältigung“ (damals: Artikel 17 Abs. 2, EUV) umschrieben. Für diese „Kampfeinsätze“ finden sich keinerlei geografische Beschränkungen, ebenso wenig ist eine Bindung an ein Mandat des UN-Sicherheitsrates vorgesehen.
Der Kriegsermächtigungsartikel 23j B-VG steht im offenen Widerspruch zur Neutralität, deren Kerngehalt es eben ist, an keiner Art von Kriegen teilzunehmen. Entsprechend bejubelte der damalige ÖVP-Klubobmann Andreas Khol den novellierten Artikel 23f (heute 23j): „Damit wird die Neutralität für den Bereich der EU außer Kraft gesetzt“ (Salzburger Nachrichten, 29.5.1998). Diese Aussage beschreibt zwar das Ziel der Machteliten, ist aber für jene, die an rechtsstaatlichen Prinzipien festhalten, ebenso skandalös wie unhaltbar. Als Grundpfeiler der Verfassung könnte die Neutralität nur per Volksabstimmung verfassungskonform getilgt werden und als völkerrechtliche Verpflichtung gegenüber der Staatengemeinschaft ist die Neutralität nicht durch einen einseitigen Akt aus der Welt zu schaffen. Der Artikel 23j muss sofort raus aus der österreichischen Verfassung!

200 Milliarden Strategischer KompassDer „Strategische Kompass“ der EU

Ziel des „Strategischen Kompasses“, der im März vom EU-Rat beschlossen wurde, ist es, einen „Qualitätssprung“ (O-Ton) bei der Aufrüstung und Militarisierung der EU in den nächsten Jahren zu vollziehen. Kernelemente sind:

  • Gewaltige Ausweitung der Militärbudgets der EU-Staaten (plus 200 Milliarden in den nächsten Jahren). Deshalb soll auch in wenigen Jahren der Anteil des österreichischen Militärbudgets am BIP verdoppelt werden (in etwa plus 4 Milliarden Euro). Schon jetzt beträgt das Militärbudget der EU-Staaten das 4-Fache Russlands (inkl. Großbritannien das 5-Fache). Alle NATO-Staaten geben 16-Mal so viel für das Militär aus wie Russland.
  • Aufrüstungsprogramme zu Land, zur See, in der Luft, im Weltraum und im Cyberspace, um einen „Großraum“ kontrollieren zu können, der vom Nordpol bis Zentralafrika, vom Nahen Osten bis zum Indopazifischen Raum reicht.
  • Schritte in Richtung einer EU-Armee: Aufbau einer gemeinsamen EU-Eingreiftruppe bis 2025, kommandiert aus einem EU-Hauptquartier; Ausweitung der EU-Rüstungstöpfe, z.B. des EU-Verteidigungsfonds für große EU-Rüstungs(forschungs-)projekte oder der EU-„Friedensfazilität“, einer Kriegskasse zur Finanzierung von Militärinterventionen und Waffenlieferungen an „verbündete“ Staaten. Über diese EU-Kriegskasse finanziert Österreich derzeit auch Waffenlieferungen an die Ukraine.
  • Aushebelung des Einstimmigkeitsprinzips in der EU-Außen- und Sicherheitspolitik, damit die EU mit einer Stimme sprechen und mit einer Faust zuschlagen kann. Für die Neutralität wäre das der ultimative Todesstoß, denn: eine aktive Neutralitätspolitik braucht die Unabhängigkeit in der Außen- und Sicherheitspolitik wie der Mensch die Luft zum Atmen.

Ausstieg aus den EU-Wirtschaftskriegen

Wir lehnen die Beteiligung Österreichs am EU-Wirtschaftskrieg gegen Russland ab, denn:

  • Diese Sanktionen sind – gemeinsam mit den hypertrophen Waffenlieferungen an die Ukraine – kein Schritt gewesen, um Russland an den Verhandlungstisch zu zwingen, sondern um die Ukraine dazu zu bringen, vom Verhandlungstisch aufzustehen (sh. Artikel Seite 7). Denn der Westen wollte keine neutrale Ukraine, über die sich zu diesem Zeitpunkt bereits eine Einigung zwischen Moskau und Kiew abzuzeichnen begann.
  • Diese Sanktionen sind heuchlerisch: Hat es Sanktionen gegen die USA und EU-Staaten bei ihren völkerrechtswidrigen Kriegen oder gegen Israel, das seit Jahrzehnten eine völkerrechtswidrige Besatzungspolitik betreibt, gegeben? Ist es menschenrechtsfreundlicher, Gas aus Despotien wie Saudi-Arabien, Katar oder den Vereinigten Arabischen Emiraten zu beziehen, die einen ebenso völkerrechtswidrigen Krieg im Jemen führen? Oder Öl aus Aserbaidschan, das gerade vor Kurzem einen blutigen Angriffskrieg gegen Armenien geführt hat?
  • Statt eine Strategie zu entwickeln, wie wir insgesamt aus fossilen Energieträgern aussteigen können, erfolgt mit den Sanktionen ein regelrechter Backlash: z.B. ein Rückstieg auf besonders klimaschädliche Energieträger wie Kohle und Frackinggas sowie die Renaissance der gefährlichen Atomkraft.
  • Zudem treffen solche Sanktionen immer die ärmsten Schichten der Bevölkerung härtesten. So haben die EU-Sanktionen gegen Belarus zur Verzögerung der Auslieferung von Getreide aus der Ukraine beigetragen. Embargomaßnahmen gefährden die Auslieferungen von russischen Düngemitteln, von denen die Landwirtschaft in vielen Ländern abhängig ist, um ihre Bevölkerungen ernähren zu können (sh. Seite 9).

Es geht aber keineswegs nur um den Wirtschaftskrieg gegen Russland: Viele Staaten sind im Visier regelrechter Hungersanktionen von EU und USA, z.B. Länder wie Syrien und Afghanistan. Die bereits ein Jahrzehnt dauernden völkerrechtswidrigen Wirtschaftssanktionen gegen Syrien sind – so die UNO – maßgeblich für die Hungersnot und den Kollaps des Gesundheitssystems verantwortlich. Drei Viertel der Menschen in dem leidgeplagten Land haben nicht genug zu essen. Auch in Afghanistan verschärfen nach Aussage von Hilfsorganisationen die westlichen Sanktionen die katastrophale Situation am Hindukusch: 95% der Menschen haben nicht genug zu essen, die Hälfte ist akut von Hunger bedroht, darunter eine Million Kinder.

Statt Beteiligung an geopolitisch motivierten Wirtschaftskriegen fordern wir eine neutralitätspolitisch motivierte Außen(wirtschafts)politik ohne doppelte Standards. Das heißt: Keine Waffenlieferungen, keine Rüstungsgeschäfte bzw. militärische Kooperationen mit Staaten, die Menschenrechtsverletzungen ausüben, völkerrechtswidrig Kriege führen oder Land rauben. Das betrifft Russland genauso wie westliche Staaten, Israel oder die Golf-Diktaturen.