GRAFIK: Rückgang der Wohnbauförderung

Seit den 90er Jahren haben sich die Ausgaben für die Wohnbauförderung halbiert. Das Resultat: explodierende Wohnungskosten.

 

„Es lässt sich sagen, dass das Verhältnis zwischen gefördertem bzw. gemeinnützigem Wohnbau und Bedarf noch nie so ungünstig war wie heute.“ (1) So lautet die Schlussfolgerung des Verbands der Gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV) im März 2018. Und tatsächlich: In Österreich wird zwar momentan viel gebaut, doch der geförderte Wohnbau ist deutlich rückläufig, es boomt der frei finanzierte Wohnbau für die Wohlhabenden.

Gemeinnützig errichtete Wohnungen: von 90% auf 58%

Dazu ein Vergleich. In den Jahren 1995 und 2017 wurden in etwa gleich viele Wohnungen im Mehrgeschossbau errichtet. Doch 1995 war der Anteil der Gemeinnützigen noch bei satten 90%, 2017 nur mehr bei 58%. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den seit den 90er Jahren kontinuierlich sinkenden Ausgaben für die Wohnbauförderung wider. Diese hat sich seit 1997 halbiert! (sh. Grafik) Dementsprechend laufen die Mieten und Preisen den durchschnittlichen Löhnen und Gehältern immer weiter davon. Während real die mittleren Lohn- und Gehaltseinkommen seit 2000 leicht gesunken sind, sind die durchschnittlichen Mieten um über 35% nach oben gerauscht.

Der Rückgang des sozialen Wohnbaus ist einer der Hauptgründe, warum immer mehr Menschen keinen leistbaren Wohnraum mehr finden. Eine Studie der Arbeiterkammer hat erhoben, dass 2015 183.000 Mietverhältnisse neu abgeschlossen wurden. Der Großteil – 62 Prozent – erfolgte bereits im privaten Segment. Der Quadratmeterpreis dieser Privatwohnungen lag nicht nur um gut 30% über dem der Sozialwohnungen, zwei Drittel von ihnen waren zudem befristet, während GBV und Gemeinden grundsätzlich unbefristet abschließen. Auch beim Mietpreisanstieg klafft eine erhebliche Lücke zwischen GBV und Gemeindewohnungen auf der einen und frei finanziertem privaten Wohnbau auf der anderen Auseinander. Zwischen 2008 und 2016 stiegen die Mieten in Gemeindewohnungen um 21%, bei GBV um 24% und im privaten Wohnungssegment um sage und schreibe 42%!

EU-Vorgaben schränken leistbaren Wohnraum ein

Die Klage über den Mangel an leistbaren Wohnraum hat zwar mittlerweile fast die gesamte Parteienlandschaft erreicht. Der Hintergrund für das Einknicken beim sozialen Wohnbau wird allerdings kaum thematisiert: Die rigiden Budgetvorgaben der EU – beginnend mit den Maastricht-Kriterien, verschärft und einzementiert mit dem EU-Fiskalpakt – schlagen auf die Länder- und Gemeindebudgets durch und lassen die öffentliche Wohnbauleistung massiv sinken.

Es ist deshalb erfreulich, dass die Europäische Bürgerinitiative „Housing for all“, für die derzeit Unterschriften gesammelt werden, das Kind beim Namen nennt: „Durch die finanzpolitischen Vorgaben der EU und durch das EU-Beihilfenrecht werden die Städte und Kommunen in ihrem Bestreben, sozialen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, viel zu stark eingeschränkt.“ Entsprechend fordert die Initiative „keine Anwendung der Maastricht-Kriterien auf öffentliche Investitionen in leistbaren Wohnbau.“ Diese Stoßrichtung ist völlig richtig. Es ist freilich absehbar, dass diese Forderungen an den neoliberalen Hardlinern in Brüssel abperlen werden. Manchen ist vielleicht das Diktum Merkels noch im Ohr, der EU-Fiskalpakt wirke „bindend und ewig“.

Entscheidend wird daher sein, dass uns gelingt, die österreichische Budgetpolitik – vom Bund bis zu den Gemeinden - „aus dem Würgegriff des EU-Fiskalpakts zu befreien“, wie es der ehemalige ÖGB-Präsident Erich Foglar einmal ebenso zutreffend wie unerhört formuliert hat (3).

Gerald Oberansmayr
(Juli 2019)

Quellen:
(1) https://www.gbv-aktuell.at/news/111-zur-aktuellen-situation-im-wohnungsneubau
(2) https://www.arbeiterkammer.at/infopool/wien/Mieten_in_Oesterreich_und_Wien_2008_ bis_2016.pdf
(3) Standard, 15.10.2014