Alfred Almeder, langjähriger sozialdemokratischer Gewerkschafter und Aktivist im Personenkomitee für Frieden in der Ukraine, steht auf einer „Todesliste“ in der Ukraine. Das Werkstatt-Blatt führte mit ihm das folgende Gespräch.

Werkstatt-Blatt: Was ist rund um deine Nennung auf diversen ukrainischen Pranger-Portalen, die sowohl von der Frau des Ex-Kanzlers Schröder als auch dem ORF-Korrespondenten Wehrschütz als „lebensbedrohend“ - auf Grund der Ermordung mehrerer Personen nach deren Anführung auf diesen Listen – angesehen werden, geschehen?

Alfred: Als einfacher politischer Aktivist ohne „Promi-Status“ wirst du zwar von unseren Medien namentlich erwähnt, aber reden will keiner mit dir. Als Quelle dient dann z.B. der SBU (ukrain. Geheimdienst), um das über mich verhängte Einreiseverbot den ganzen Vormittag in den Hauptnachrichten von Ö3 zu verkünden, die Motivlage eines unbescholtenen österreichischen Staatsbürgers, warum er in einem Kriegsgebiet humanitäre Hilfe leistet, ist dafür aber nicht interessant.

WB: Und die österreichischen Behörden, gibt es da Reaktionen?

Alfred: Zuerst muss ich erwähnen, dass die positivste Reaktion noch vom ukrainischen Botschafter gekommen ist, der meiner Aufforderung zur Löschung zumindest eine Intervention in Kiew folgen hat lassen. Dort dürfte man erkannt haben, dass ich ungeachtet meiner Solidarität mit den Menschen im Donbass und der daraus abzuleitenden Opposition zur derzeitigen ukrainischen Führung, mich auch durch die Mitnahme des Briefes eines ukrainischen Kriegsgefangenen für seine Mutter als ehrlich bemühter Vermittler erwiesen habe.
Die Ignoranz der österreichischen Behörden halte ich für wesentlich bedenklicher. Wenn ein Staatsbürger eines Landes durch die Nennung auf solchen Listen an Leib und Leben bedroht ist, sollte ein Staat darauf reagieren. Da gehört durchaus eine ordentliche Recherche dazu, die z.B. durch eine Befragung meiner Person auch abklären sollte, dass ich mich keinerlei strafbaren Handlungen in diesem Land schuldig gemacht habe. Es aber reaktionslos hinzunehmen, ist m.E. ein Zeichen eines Souveränitätsverlustes; die BRD – die unzweifelhaft als Verbündeter der Ukraine betrachtet werden kann – hat ja auch ganz offiziell die Kiewer Regierung zur Löschung der Liste „Mirotworez“ aufgefordert. Ich beurteile dies als Ausdruck des vorgenommenen Wandels von einer aktiven vermittelnden Rolle in Konflikten - wie es das neutrale Österreich noch unter Kreisky getan hat, und dadurch durchaus internationale Bedeutung hatte – zu einer defacto den NATO-Positionen folgenden völligen Aufgabe von Unabhängigkeit und Eigenständigkeit. Ich glaube nur, dass dies der österreichischen Bevölkerung so nicht bewusst ist. Zu hoffen, dass im Ernstfall – und der Ukraine-Konflikt hat sehr wohl das Potenzial für einen großen auf europäischen Boden ausgetragenen Krieg – wir dann als neutral wahrgenommen werden, ist eine sehr infantile Vorstellung.

WB: Wie beurteilst du die nähere Zukunft für den Konflikt, gibt es Lösungsansätze?

Alfred: Es warten offensichtlich alle Beteiligten, ob Poroschenko noch vor der Wahl im März, bei dem seine Chancen auf eine Wiederwahl sehr gering eingeschätzt werden, sich zu einer offensiven Aktion entschließt, um doch noch an der Macht zu bleiben. Das birgt sehr viel Eskalationsrisiko in sich. Das Hauptproblem ist aber die transatlantisch bestimmte Politik der großen EU-Player. Solange die Ukraine als strategischer Frontstaat zur Schwächung Russlands missbraucht wird, anstelle diese als Brückenfunktion zur gesamteuropäischen Sicherheitsstruktur einzubinden, wird die Ukraine der Hauptverlierer in diesem Konflikt sein, politisch und wirtschaftlich.

(Februar 2019)

Siehe auch: Ukraine - Fünf Jahre Kollaps