Am 31. Mai 2022 verlängerten die EU-Staaten die Wirtschaftssanktionen gegen Syrien um ein weiteres Jahr. Diese Sanktionen von EU und USA gegen Syrien sind laut UNO der Hauptgrund für die katastrophale Situation im Ernährungs- und Gesundheitsbereich. Die UNO verurteilt diese Sanktionen als völkerrechtswidrig. Die Solidarwerkstatt fordert den sofortigen Ausstieg Österreichs aus den verheerenden EU-Sanktionen.

Seit 2011 verhängen EU und USA Wirtschaftssanktionen gegen Syrien. Die EU hat diese Sanktionen zuletzt im Jänner 2019 wieder verschärft. Bereits im Mai 2016 kam eine im Auftrag der UNO erstellte Studie zu dem Schluss, die Sanktionen hätten katastrophale Folgen für die Zivilbevölkerung. Die Maßnahmen, die Brüssel und Washington in Kraft gesetzt hätten, seien "das komplizierteste und am weitesten reichende Sanktionsregime, das jemals verhängt wurde"*). Im August 2016 urteilte ein UN-Mitarbeiter, die EU-US-Sanktionen hätten zu einer Verdopplung des Benzinpreises binnen 18 Monaten und zu einem 40-prozentigen Rückgang der Weizenproduktion seit 2010 beigetragen.

Kollaps des Gesundheitsystems

Auch Medikamentenfabriken, die nicht durch Kriegshandlungen zerstört worden seien, hätten mittlerweile schließen müssen, weil sie die zur Produktion nötigen Grundstoffe nicht mehr beschaffen könnten. Letztlich seien die Sanktionen "der Hauptgrund" für den Kollaps des syrischen Gesundheitssystems *). In Krankenhäusern heißt es, man könne sogar überlebensnotwendige Medikamente, z.B. Mittel für Krebstherapien, nicht mehr beschaffen. In Damaskus kommen laut Berichten rund zehn Prozent der Patienten, die an Nierenproblemen leiden, ums Leben, da die zur Behandlung erforderlichen medizinischen Geräte nicht mehr mit Ersatzteilen oder mit Software-Updates versehen werden können *).

Drei Viertel haben nicht genug zum Essen

Vor dem Krieg konnte sich Syrien selbst mit Nahrungsmitteln versorgen. Heute befindet sich das Land mitten in einer Hungerkatastrophe. Laut Einschätzung von zehn Hilfsorganisationen *) haben derzeit über 12 Millionen Menschen nicht genug zum Essen, das sind drei Viertel der Bevölkerung. Rund 2,4 Millionen Kinder gehen aktuell nicht zur Schule. Die Preise für Lebensmittel sind im Verhältnis zur Zeit vor dem Krieg um das Acht- bis Zehnfache gestiegen. Das Welternährungsprogramm der UNO nennt das Wirtschaftsembargo von EU und USA neben Krieg und Fluchtbewegungen einen der "Hauptgründe" für die heutige Hungerkatastrophe *).

Bereits 2016 riefen eine Reihe hoher christlicher kirchlicher Würdenträger aus Syrien auf, endlich dieses Embargo zu beenden (siehe hier): „Das Gerede über die Kriegsflüchtlinge aus Syrien sieht nach purer Heuchelei aus, solange man gleichzeitig, diejenigen, die in Syrien bleiben, weiter aushungert, ihnen die medizinische Versorgung, Trinkwasser, Arbeit, Sicherheit und die elementarsten Rechte verweigert.“ (siehe hier)

„Politik der verbrannten Erde“

Selbst der „European Council on Foreign Relations“ (ECFR) urteilt mittlerweile, dass die westlichen Boykottmaßnahmen „vor allem die verwundbarsten Menschen in der syrischen Bevölkerung treffen“, sie seien „inhuman und zerstörerisch“, Das ECRF wörtlich: „Der Westen führt Krieg gegen die syrische Wirtschaft. … Die EU-US-Sanktionen offenbaren eine Politik der verbrannten Erde, die willkürlich und ohne Unterschied einfache Syrer bestraft" *).

Nachdem es den westlichen Großmächten nicht gelungen war, mit massiver Unterstützung für jihadistische Banden – oftmals über die mit dem Westen Verbündeten Despotien wie Saudi-Arabien oder Katar - den Regime Change in Damaskus zu erzwingen, setzen Washington und Brüssel nun offensichtlich immer stärker auf den Wirtschaftskrieg gegen Syrien. Beides hängt außerdem zusammen: Denn zur Unterstützung der jihadistischen „Opposition“ ließ die EU zwei Ausnahmen bei den Wirtschaftssanktionen zu: beim Verkauf von Öl und beim Waffenhandel. Al Kaida & Co wurde der Verkauf von Öl aus den von ihnen besetzten Gebieten in Syrien ermöglicht, um sich Waffen für den Krieg gegen die Assad-Regierung zu beschaffen.

Im April 2022 haben sich auch in Deutschland Bischöfe der katholischen und orthodoxen Kirche, Pfarrer und Ordensleute einen Offenen Brief an das EU-Parlament unterstützt, in dem das Ende der Sanktionen gefordert wird. Die Sanktionen machten Investitionen unmöglich, behinderten den Wiederaufbau und stürzten das Land, das durch den Krieg bereits am Boden liege, endgültig in eine beispiellose Wirtschaftskrise. Auch die Arbeit christlicher Hilfsorganisationen werde enorm erschwert, da sie aufgrund der Sanktionen westlicher Banken Geld nicht direkt nach Syrien überweisen könnten. Die Maßnahmen führten nicht zum beabsichtigten Sturz von Präsident Baschar al-Assad. "Stattdessen führen sie die Bevölkerung Syriens in eine humanitäre Katastrophe“, heißt es in dem Offenen Brief. **)

Österreich muss sofort aus dem EU-Sanktionsregime aussteigen!

Der UN-Sicherheitsrat hat die Sanktionen gegen Syrien nie unterstützt. Die UN-Vollversammlung verurteilte die Sanktionen 2013 sogar explizit. In der Resolution A/RES/68/200 wird festgehalten, dass „einseitige wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen die Wirtschaft und die Entwicklungsanstrengungen insbesondere von Entwicklungsländern negativ beeinflussen.“ „Solche Maßnahmen“, fährt die Resolution fort, „stellen eine eklatante Verletzung der Prinzipien des Völkerrechts sowie der Grundprinzipien des multinationalen Handelssystems dar“ *).

Es ist skandalös, dass die EU diese völkerrechtswidrigen Sanktionen Ende Mai 2022 erneut um ein Jahr verlängert hat – mit den Stimmen der österreichischen Bundesregierung. Alle Regierungskonstellationen des letzten Jahrzehnts haben diese mörderischen Sanktionen unterstützt. Auch die Regierungsbeteiligung der Grünen, die sich gerne als Menschenrechtspartei sehen, hat daran nichts geändert. Während zurecht kritisiert wird, dass der russische Krieg die Lebensmittelproduktion in der Ukraine schwer beeinträchtigt und damit eine Hungerkrise ausgelöst hat, setzt die EU in Syrien seit 10 Jahren rücksichtslos Hunger als Waffe ein.

Die Solidarwerkstatt Österreich fordert Regierung und Nationalrat einmal mehr auf, sofort aus den verheerenden EU-Sanktionen gegen Syrien auszusteigen und eine Politik zu betreiben, die die Fluchtursachen bekämpft statt sie weiter anzuheizen. Dazu gehört auch, die schäbig niedrigen Zahlungen für das UN-Welternährungsprogramm endlich deutlich anzuheben (siehe Petition).
(Juni 2022)

*) Quellen: www.german-foreign-policy.com, www.jungewelt.de, www.ippnw.de, www.care.de
**) Quelle: www.domradio.de, 8.4.2022