Der Teufelskreis des Freihandels am Beispiel der Tomatenwirtschaft in Ghana.



Die Auslandsverschuldung Ghanas ist von 1983 bis 2000 von einer Milliarde auf über sechs Milliarden Dollar angewachsen. Die westlichen Kredite waren an drakonische Bedingungen gebunden, unter anderem die Aufhebungen von Mengenbeschränkungen für Importwaren. Damit begann sich der Teufelskreis zu drehen. Versorgten sich früher die GhanesInnen über die lokalen und regionalen Märkte mit heimischen Tomaten, so stiegen seit Ende der 90er Jahre die Importe von Tomatenpaste aus Italien, Spanien und anderen Ländern Südeuropas, aber auch China und den USA explosionsartig an. Waren es im Jahr 1998 etwa 3.300 Tonnen, so sind 2004 bereits 24.740 Tonnen Tomatenpaste aus dem Westen nach Ghana eingeführt worden. Das entspricht einem Anstieg um unfassbare 650 Prozent in nur wenigen Jahren.

Nach offiziellen Berechnungen ist der Marktanteil der heimischen Tomaten zeitgleich von 92 auf 57 Prozent gesunken. Obwohl es laut den Bestimmungen der Welthandelsorganisation WTO für Ghana möglich wäre, den Zollsatz für landwirtschaftliche Produkte auf 99% anzuheben, wurde ein niedriger Zollsatz von 20 Prozent auf landwirtschaftliche Importe eingeführt. Ein Kniefall vor der neoliberalen Marktwirtschaft.

Freihandel und …

Eine besondere Rolle spielt dabei die EU. Denn die EU-Kommission versucht im Rahmen eines „Economic Partnership Agreements“ (EPA) die sog. AKP-Staaten (Afrika Karibik, Pazifik) in ein Freihandelsabkommen mit der EU zu zwingen. Der Druck seitens der EU ist sehr groß, diese EPA-Freihandelsabkommen abzuschließen, geht es doch auch um Gelder, welche über sogenannte Entwicklungshilfe an willige Staaten verteilt werden. Nach den Vorstellungen der EU sollte bis zum 31. Dezember 2007 das Freihandelsabkommen EPA mit allen Regionen soweit ausgehandelt und ratifiziert sein. 43 von 78 AKP Staaten hielten dem Druck der EU-Kommission stand. Anders die Regierung Ghanas, die am 13. Dezember 2007 letztlich einem so genannten Interimsabkommen über die gegenseitige Liberalisierung des Güterhandels zustimmte.

EU-Subventionen zerstören Ghanas Landwirtschaft

Ein landwirtschaftlicher Betrieb in Ghana ist ca. 1,5 Hektar groß, früher genug, um eine Familie daraus ernähren zu können. Im tomatenexportierenden Italien hingegen beträgt die Größe eines Tomatenbetriebes durchschnittlich 16-20 Hektar, also das mindestens 10-Fache. Was noch dazu kommt: Für den Export von Tomatenprodukten aus der EU sind jährlich 300 Millionen Euro aus den EU-Töpfen vorgesehen. Da in Spanien und Italien zwischen 2005 und 2007 Rekordernten eingefahren wurden, ist dieser Förderrahmen um 30% mit 390 Mill. Euro pro Jahr beträchtlich überzogen worden. Das bedeutet, dass pro Tonne Tomatenprodukt, welches nach Afrika transportiert wird, eine Förderung von 34,50 Euro an die europäischen Landwirte ausbezahlt wurde. Die Subventionen führen dazu, dass das Tomatenmark aus der EU in Ghana um die Hälfte billiger angeboten werden kann, als es die Herstellungskosten erlauben.

Ghanas Bauern flüchten, …

Damit werden die Tomatenproduzenten in Ghana in die Knie gezwungen. Die Folge: Immer mehr Landwirte geben auf, immer mehr Menschen verlassen ihr Land. Diese Odyssee durch die Sahelzone bringt unter schwierigsten Umständen wiederum viele ehemalige Bauern an das Mittelmeer. Manche ertrinken bei der unheilvollen Reise in Schlauchbooten, manche haben Glück und landen in Italien. Dort suchen sie als Flüchtlinge - und somit die letzten in der sozialen Hierarchie - Möglichkeiten zu überleben. Ein „Hotspot“ für Flüchtlinge in Italien sind die landwirtschaftlichen Betriebe in Süditalien. In diesen Agrarbetrieben wird vielfältiges Gemüse gezogen, auch Tomaten. In der süditalienischen Provinz Foggia werden 35% der gesamten Tomatenproduktion Italiens erzeugt - großteils von Menschen, die ihr Heimatland in Afrika verlassen haben. Armut und Hunger haben viele von ihnen aus Ghana in die Provinz Foggia getrieben. Die aus Afrika Flüchtenden werden oftmals wie Arbeitssklaven behandelt: Verfallene Hütten, Matratzen am Boden und Akkordarbeit von früh morgens bis zur Dunkelheit. Der Lohn dafür ist karg und sichert keineswegs das Überleben. Für Akkordernte werden 300 Kilo Tomaten mit 3,5 Euro honoriert. Über den anstrengenden Tag gerechnet ergibt das 20 Euro. Keine Krankenversicherung, kein Arbeitsvertrag und wenn etwas nicht passt, heißt das Jobverlust und Hunger.

… um als Arbeitssklaven in der EU Tomaten zu ernten

Die von afrikanischen Flüchtlingen geernteten Tomaten kommen sodann in eine Konservenfabrik, in der das Tomatenmark eingedost wird. Unter so klingenden Markennamen wie Gino. Salsa oder Fiorini landen diese italienischen Tomatendosen als hochsubventioniertes Exportgut am regionalen Markt in Ghana. Dort wiederum verlassen die Bauern das Land, weil die italienische Tomatendose billiger ist, als die heimischen frischen Tomaten. Der Teufelskreis von Freihandel, Existenzvernichtung und Flucht dreht sich gnadenlos weiter.

Die italienische Tomatendosenindustrie verkündet für 2013 stolz, das 1.127 Millionen Tonnen Tomatenkonserven, im Wert von 846 Millionen Euro exportiert wurden. Dies bedeutet eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 8,32 Prozent.

Rudolf Schober
(Apil 2016)