ImageDer "Islamische Staat" (IS) ist ein unmittelbares Geschöpf der Kriegspolitik von USA und EU. Was können Friedenskräfte in Österreich angesichts der katastrophalen Entwicklung in Syrien tun?

Die westlichen Großmächte haben IS(IS), Al Kaida & Co. groß gemacht bzw. die Voraussetzung für ihr Entstehen geschaffen:

• erst durch den Einmarsch der USA und ihrer Verbündeten in den Irak, der seit 2003 rd. einer Million Menschen das Leben gekostet hat, wurde der Irak zur Brutstätte von fundamentalistischen Gotteskriegern, nicht zuletzt von ISIS bzw. des Islamischen Staates (IS).
• Der Westens hat beim Krieg gegen Libyen die Rolle der Luftwaffe für Al-Kaida-Verbände übernommen. Heute ist Libyen zum Tummelplatz für rivalisierende djiadistische Milizen geworden. Viele von ihnen kämpfen nun in Syrien.
• EU und USA haben den Krieg in Syrien nach Kräften angeheizt, um das Assad-Regime zu Fall zu bringen. Die Westmächte haben von Anfang an versucht, die berechtigten Proteste gegen das Assad-Regime zu militarisieren, um friedliche und gewaltfreie Oppositionskräfte an den Rand zu drängen. Damit haben sie dem religiösen Fanatismus freie Bahn verschafft. Auch der IS und seine Vorläufer kamen über die Westfreunde der „Freien Syrischen Armee“ in den Besitz westlicher Waffen. IS-Kämpfer wurden in Trainingscamps in den Nachbarstaaten Syriens ausgebildet. Die Ausbildner stammen aus den USA, Frankreich und Großbritannien.
• IS und andere djihadistische Gruppen wurden und werden von den Golfdespotien, v.a. Saudi-Arabien, aber auch vom AKP-Regime in der Türkei finanziell, logistisch und militärisch unterstützt. Mehr als 90% der Waffen, die Saudi-Arabien, Katar, Kuwait, Türkei, usw. beziehen, stammen wiederum aus EU-Staaten bzw. den USA.
• Nicht zuletzt hat die Aufhebung des EU-Waffen- und Ölembargos gegenüber den von der Opposition besetzten syrischen Gebieten Geld in die Kassen und Waffen in die Arsenale der Gotteskrieger gespült.

Rojava ist dem Westen ein Dorn im Auge

Die türkische AKP-Regierung hat ein unmittelbares Interesse, die kurdische Autonomie im nordsyrischem Rojava zu beseitigen bzw. ausbluten zu lassen, um die Kurden insgesamt zu schwächen. Aber auch EU und USA ist Rojava ein Dorn im Auge. Denn die demokratisch-autonome Region Rojava könnte als Vorbild dienen, wie sich die gesamte Region aus ihrem Dauerhader befreien kann: multiethnisch, d.h. mit Respekt vor der Vielfalt an Religionen und Völkern; antiimperialistisch, d.h. keine Unterordnung unter die westliche Vormacht und ihr neoliberales Wirtschaftsmodell.

Die KurdInnen in Syrien haben sich deshalb aus gutem Grund dagegen verwehrt, sich in imperialistische Allianzen einbinden zu lassen. Jetzt wird versucht, die Angriffe der IS auf Kobane zu benutzen, um die demokratische kurdische Autonomie im Zangenangriff von IS und Türkei zu zerstören bzw. in eine prowestliche Allianz zum „Regimechange“ zu zwingen, indem man sie vorgeblich aus diesem mörderischen Zangenangriff „befreit“. Diese prowestliche Allianz wird – wieder einmal – als „moderate Opposition“ dargestellt. Wie absurd das ist, merkt man alleine daran, dass der frühere IS-Hauptsponsor Saudi-Arabiens dabei „eine Führungsrolle übernehmen wird.“ (O-Ton deutscher Außenminister Steinmeier). Schlimmer kann der Bock kaum zum Gärtner gemacht werden. Die wahabitische Ideologie des saudischen Herrscherhauses ist die Ideologie von IS. Schon die frühere „moderate Opposition“ des Westens war Ausbildungsstätte und Waffenreservoir für IS-Kämpfer, und auch die jetzige „moderate Opposition“ umfasst Gruppierungen mit einem fließenden Übergang zu dijadistischen Gruppierungen bzw. solchen, deren Methoden und Ideologie sich kaum von denen des IS unterscheiden. Diese „moderate Opposition“ dient als Bodentruppe der US- und EU-Eliten bei ihrem Versuch, durch Gewalt einen Regime-Change in Syrien a`la Libyen, Ukraine, usw. zu betreiben. Das ist nicht „moderat“, das ist ein offener Verstoß gegen das Völkerrecht und das UN-Gewaltverbot.

Die westliche Politik des sog „humanitären Interventionismus“ hat zu einer unendlichen Spirale von Gewalt, Chaos, Verelendung und der Stärkung des religiösen Fanatismus geführt. IS & Co sind die Geschöpfe der westlichen Kriegspolitik. Gestern hat man sie großgezogen, heute gibt man vor sie zu bekämpfen, morgen schmiedet man vielleicht schon wieder Bündnisse mit ihnen. Durch eine ewige Politik des „Teile und Herrsche“ will man den Nahen- und Mittlern Osten unter Kontrolle halten – und macht ihn dadurch immer mehr zum Pulverfass.

Neutralität = Solidarität mit den Unterdrückten statt Kumpanei mit den Unterdrückern!

Auch die österreichische Regierung trägt durch ihre volle Unterordnung unter die EU-Außenpolitik Mitverantwortung für diese katastrophale Entwicklung. Solidarität mit den bedrängten Menschen in Kobane und den vielen anderen Notleidenden in Syrien heißt für uns daher: Österreich muss endlich raus aus dieser Unterordnung unter die EU-Außen- und Sicherheitspolitik, d.h. letztlich raus aus der EU, die längst ein Militärpakt geworden ist! Nur so kann wieder der Freiraum erkämpft werden, um glaubwürdig eine aktive Frieden- und Neutralitätspolitik zu betreiben, die sich mit den Unterdrückten solidarisiert statt sich in Kumpanei mit den Unterdrückern zu üben. Neutralität bedeutet nicht Isolation, im Gegenteil: Neutralität ist die Voraussetzung dafür, sich gemeinsam mit anderen neutralen und blockfreien Staaten international für Abrüstung, zivile Konfliktregelung und den Abbau struktureller Gewalt einzusetzen. Nur so kann der Sumpf ausgetrocknet werden, auf dem IS & Co gedeihen.

Als neutraler, von westlichen Militärpakten unabhängiger Staat kann Österreich eine Reihe friedenspolitischen Initiativen in Syrien und darüber hinaus setzen:

• Verurteilung jeder imperialistischen Politik, die durch offene oder verdeckte Militärinterventionen den Sturz von nicht genehmen Regierungen betreibt. Wir müssen das völkerrechtliche Gewaltverbots in den internationalen Beziehungen verteidgen: „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“ (Charta der Vereinten Nationen, Kapitel 1, Art. 2, Abs. 4)

• Sofortige Unterstützung der notleidenden Bevölkerung: durch eine aktive Flüchtlingspolitik (wozu auch der Ausstieg aus dem Dublin II- und Frontex-Regime der EU gehört) und großzügige humanitäre Hilfe für die bedrängten Menschen im syrisch-türkischen Grenzgebiet. Streichung der PKK von der „Terrorliste“.

• Initiative auf internationaler Ebene für völkerrechtskonforme Konflitklösungen entwickeln, d.h. unter Einbeziehung der syrischen Regierung und der Vereinten Nationen; Eintreten für den Erhalt der territorialen Unversehrtheit Syriens einschließlich der Stärkung von demokratischen Autonomielösungen. Das kann auch die Entsendung von UN-Truppen nach Artikel 6 der UN-Charta („peace-keeping“) beinhalten, wozu natürlich die Zustimmung der syrischen Regierung erforderlich ist. Österreichische SoldatInnen haben z.B. am Golan jahrzehntelang eine positive Rolle bei der Deeskalation an der syrisch-israelischen Grenze gespielt. Der unter Druck der EU erfolgte Rückzug vom Golan hat auch dort das Vordringen islamistischer Kräften erleichtert.

• Der Krieg in Syrien ist Teil der Konflikte in der gesamten Nahost-Region. Als aktiv neutraler Staat sollte Österreich deshalb eine Reihe von friedenspolitischen Initiativen zur Deeskalation in Gang bringen: Waffenexportverbot in die Nahostregion; Wiederbelebung des vom Westen ständig torpedierten UN-Prozesses für die Schaffung eines massenvernichtungswaffenfreien Nahen Osten; Aufhebung der Blockade des Gaza-Streifens und der israelischen Besetzung des Westjordanlandes; friedliche Förderung von Demokratie und Menschenrechten auch in den von der EU hofierten Golfdiktaturen, statt ehemalige Regierungsmitglieder zu Sprechern des saudischen Herrscherhauses zu machen, die deren deren brutalen Menschenrechtsverletzungen („Es wird ja nicht jeden Freitag geköpft“) zynisch verniedlichen.