Mit seinem Angriff auf den Iran hat Israel einen Nukleardeal sabotiert. Völkerrechtler warnen, dass mit diesem "Präventivschlag" das "Gewaltverbot - eine Fundamentalnorm des Völkerrechts – praktisch bedeutungslos“ wird. Auszug aus einem Beitrag von german-foreign-policy.com.
Israel hatte den Angriff auf Iran in der Nacht zum vergangenen Freitag mit der Behauptung begründet, Teheran stehe unmittelbar davor, den Bau einer Atombombe zu vollenden; hindere man es jetzt nicht daran, gebe es keine Möglichkeit mehr dazu. Allerdings sind Belege für die Behauptung nicht bekannt. Bekannt ist vielmehr, dass die Vereinigten Staaten noch mitten in Verhandlungen mit Iran über eine friedliche Beilegung des Atomkonflikts steckten; die nächste Verhandlungsrunde war – auf Seiten der USA unter Führung des Sondergesandten Steve Witkoff – für den gestrigen Sonntag in Oman geplant. Noch am Donnerstag hatte US-Präsident Donald Trump bekräftigt: „Wir setzen uns weiterhin für eine diplomatische Lösung der Atomfrage ein! Meine ganze Regierung ist angewiesen, mit Iran zu verhandeln.“[1] Die Einschätzung, es sei Israel nicht darum gegangen, den Bau einer Atombombe zu verhindern, sondern vielmehr darum, den Verhandlungsprozess zum Scheitern zu bringen, werde von einer ganzen Reihe westlicher Experten „geteilt“, hieß es am gestrigen Sonntag etwa in der New York Times.[2] Als eine Bestätigung für die Einschätzung darf gelten, dass Israel in der ersten Angriffswelle Ali Shamkhani umbrachte; dieser hatte keine militärische Funktion inne und galt auf iranischer Seite als führender Kopf bei den Nuklearverhandlungen.[3]
„Ein verbotener Präventivschlag“
Völkerrechtler stufen Israels Angriff auf Iran weithin als völkerrechtswidrig ein. So wird etwa Tom Dannenbaum, Professor für internationales Recht an der Fletcher School of Law & Diplomacy, mit Bezug auf die Tatsache, dass ein Präventivschlag allenfalls bei einem unmittelbar bevorstehenden, überwältigenden Angriff zulässig sein kann, mit der Feststellung zitiert: „Es wird [von israelischer Seite, d.Red.] nicht einmal ein Angriff behauptet, der diese Kriterien erfüllt.“[4] Matthias Goldmann, Professor für internationales Recht an der EBS University in Wiesbaden, konstatiert, selbst wenn Iran „über Nuklearwaffen“ verfüge, könne das „keinen Angriff“ rechtfertigen: „Der israelische Angriff auf den Iran stellt den geradezu klassischen Fall eines verbotenen Präventivschlags dar.“[5] Kai Ambos, Professor an der Georg-August-Universität Göttingen, warnt, sofern man wirklich den israelischen Angriff als einen zulässigen Präventivschlag werten und damit „die Schwelle für Selbstverteidigung immer weiter nach vorne verlagern“ wolle, „wird das Gewaltverbot – eine Fundamentalnorm des Völkerrechts – praktisch bedeutungslos“. Dann könne „jeder Staat aufgrund eines bloßen Bedrohungsgefühls selbst“ entscheiden, „wann er militärische Gewalt anwenden kann“.[6]
aus: Vom Recht auf Angriffskrieg - GERMAN-FOREIGN-POLICY.com
[1] How Israel’s Strike on Iran Is Affecting Global Markets. newsweek.com 13.06.2025.
[2] Farnaz Fassihi, Ronen Bergman, Aaron Boxerman: Israel Killed Iran’s Top Chain of Command in One Night. nytimes.com 12.06.2025.
[3] Diplomacy with Iran is damaged, not dead. nytimes.com 15.06.2025.
[4], [5] Franziska Kring: Wie Israel und Iran das Völkerrecht angreifen. lto.de 14.06.2025.
[6] Alexander Haneke: Wann ist ein Präventivschlag erlaubt? Frankfurter Allgemeine Zeitung 14.06.2025.