ImageWeitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit betreibt die Indische Regierung die paramilitärische Offensive "Operation Green Hunt". Viele Beobachter kritisieren, dass dabei unter dem Deckmantel des "Anti-Terrorkampfes" Kleinbauern und UreinwohnerInnen von ihrem Land vertrieben werden sollen, um im großen Stil die Ausbeutung von Rohstoffen betreiben zu können. Wir bringen einen Offenen Brief von FIAN International an die Indische Regierung.



Exzellenz

Mrs. Pratibha Patil

Präsidentin von Indien

Rashtrapati Bhavan

Neu Delhi 110 004

Indien

  

                                                                                                   Heidelberg/Deutschland, 29.April 2010

  

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

 

FIAN International ist eine internationale Menschenrechtsorganisation mit Beraterstatus bei den Vereinten Nationen, die sich weltweit für die Umsetzung des Rechts auf Nahrung einsetzt. Wir haben Informationen erhalten bezüglich schwerer Menschenrechts-verletzungen in Zentralindien im Zusammenhang mit der massiven anti-maoistischen Offensive namens "Operation Green Hunt", initiiert durch die Regierung von Indien. Die Verletzungen treffen die Ärmsten unter Indiens WaldbewohnerInnen und KleinbäuerInnen in von Dürre heimgesuchten Gebieten, in denen Unterernährung und die damit verbundenen chronischen Erkrankungen besonders häufig sind.

 

Bereits durch die vorangegangene Offensive mit der Bezeichnung Salwa Judum, die von  staatlich gesponserten Kampagnenaktivisten gegen Maoisten und deren Sympathisanten durchgeführt wurde, waren die BewohnerInnen der betroffenen Gebiete Opfer von gewaltsamen Vertreibungen mit Verlust ihrer Lebensgrundlagen und infolge davon Hunger und Unterernährung ausgesetzt. Durch Salwa Judum wurden außerdem tausende von Menschen obdachlos und viele hundert Menschen in hunderten von niedergebrannten Dörfern getötet und vergewaltigt. Menschen vor Ort sind eingekesselt im gewaltsamen Konflikt zwischen Sicherheitskräften und Maoisten. Weiteren Presseberichten zufolge werden im Zuge der Operation Green Hunt DorfbewohnerInnen daran gehindert, im Wald Nahrung zu sammeln oder am Markt größere Mengen von Nahrung zu kaufen, mit dem Argument von Seiten der Autoritäten, dass diese Nahrung zur Versorgung der maoistischen Rebellen dienen könnte. Auch das Pflügen der Felder wird durch die Autoritäten verwehrt.


Nach Meinung von zahlreichen BeobachterInnen dienen Salwa Judum und die Operation Green Hunt vor allem dem Zweck der Ausbeutung von Rohstoffen und anderen staatlichen Ressourcen, sowie dazu, die Menschen zur Aufgabe ihres Landes zu zwingen.
 Das kürzlich abgehaltene „Unabhängige Volkstribunal zu Landerwerb, Ressourcenabbau und Operation Green Hunt“ in welchem ZeugInnen von indigenen Gemeinschaften sowie AktivistInnen, AkademikerInnen und ExpertInnen aus Chhattisgarh, Jharkhand, West Bengalen, Andhra Pradesh und Orissa angehört wurden, stellte aufgrund seiner Beobachtungen fest: „Operation Green Hunt, bei der eine enorme Anzahl von paramilitärischen Einheiten vor allem gegen UreinwohnerInnen eingesetzt wird, hat zu erhöhter Gewalt von Seiten des Staates geführt. Die Militarisierung im Land hat ein Ausmaß erreicht, dass sogar schon Schulen von Sicherheitskräften besetzt gehalten werden.“

 

Die zentral- und ostindischen Staaten Orissa, Chhattisgarh, Jharkhand, West Bengalen und Madhya Pradesh beheimaten etliche der größten noch vorhandenen nationalen Rohstoff- und Waldressourcen Indiens. Ihre Ausbeutung durch heimische und ausländische Unternehmen wurde von der Regierung als Priorität gesetzt. Eine beträchtliche Anzahl von Vereinbarungen (Memorandums of Understanding) wurde bereits mit großen privaten und multinationalen Unternehmen unterzeichnet. Im nördlichen Karanpura Tal (am Oberlauf des Damodar Flusses) in Jharkhand haben über 30 neue Kohletagebau Abbaugruben Umweltgenehmigungen erhalten. Weiters wird von einem geplanten großen Staudamm bei Bodhgath in Chhattisgarh berichtet, durch welchen mehr als hundert Dörfer von UreinwohnerInnen neben einer zur Errichtung vorgesehenen Stahlmine überschwemmt werden sollen und diese zum Verlassen ihrer Dörfer gezwungen sein werden. Das bedeutet gleichzeitig freien Weg für den Abbau von Bauxit sowie für die Errichtung einer Raffinerie für Aluminium in Keshkal-Ghat.

 

Als Unterzeichnerstaat des Internationalen Paktes über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte ist Indien nach internationalem Recht verpflichtet, das Menschenrecht der KleinbäuerInnen auf angemessene Nahrung zu respektieren und zu schützen.

 

Als Person, die sich international für die Einhaltung des Rechts auf Nahrung einsetzt, bitte ich Sie:

 

- Den Menschenrechtsverletzungen und der Gewalt gegen  Adivasis und gegen andere Teile der Bevölkerung in den rohstoffreichen Gebieten  Indiens sofort Einhalt zu gebieten.

 

- Die paramilitärischen bewaffneten Polizeieinheiten sofort zurückzuziehen.

 

- Einen Dialog mit der lokalen Bevölkerung zu initiieren, zB. durch die Bildung einer beauftragten Bürgerkommission zur Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen und zur Empfehlung von Maßnahmen gegen jene, die für diese zur Verantwortung gezogen werden müssen.

 

- Sicherzustellen, dass Regierungsprogramme und Gesetze, die für die Sicherung des Rechts auf Nahrung der Bevölkerung erlassen wurden, wie zum Beispiel NREGA, eine angemessene Umsetzung erfahren, dass ICDS Zentren den Bedürfnissen entsprechend geöffnet werden, sowie funktionstüchtige PDS Shops zur Verfügung stehen etc.

 

Bitte informieren Sie mich über Maßnahmen, die Sie bezüglich dieser Angelegenheit ergreifen werden.

 

Rolf Künnemann

Human Rights Director
FIAN International